Rezension: Kéthévane Davrichewy, Am Schwarzen Meer

Das Buch erschien 2010 unter dem französischen Titel „La mer noire“ und 2011 in deutscher Sprache im S. Fischer Verlag. Übersetzt wurde es von Claudia Kalscheuer, die unter anderem schon Werke von Jules Verne übersetzt hat. Die Autorin wurde 1965 in Paris geboren und ist selbst georgischer Herkunft. Das Buch erzählt die Geschichte ihrer Großeltern und wurde in Frankreich bereits mit vielen Preisen ausgezeichnet.

Quelle: fischerverlage.de
Quelle: fischerverlage.de

Tamuna feiert ihren 90. Geburtstag mit all ihren Lieben und blickt auf ein langes, ereignisreiches Leben zurück. Geboren in Georgien, wuchs sie gemeinsam mit ihrer Schwester Thea als Tochter eines Politikers auf. Als Tamuna 15 Jahre alt ist, muss die Familie wegen politischer Unruhen und der Stellung des Vaters schnell das Land verlassen, was dem pubertierenden Mädchen natürlich nicht gefällt. Sie will weder die geliebten Großeltern noch ihre Cousins und Cousinen verlassen – und erst recht nicht ihre erste große Liebe Tamas. So gelangen Tamuna und ihre Schwester Thea mit den Eltern in einen Vorort von Paris, an dem sich bereits andere georgische Flüchtlinge niedergelassen haben.

Am Anfang ist Tamuna sehr enttäuscht über das neue Leben. Sie hatte sich Paris anders vorgestellt und fühlt sich auch ihr ganzes Leben lang immer als Georgierin, die nur in Paris lebt, weil sie wegen der Unruhen nicht zurück in ihre Heimat gehen kann. Tamuna wird erwachsen, heiratet mehr aus Vernunft denn aus Liebe einen anderen georgischen Mann und bekommt zwei Kinder mit ihm. An jedem Tag ihres Lebens denkt Tamuna an ihre große Liebe Tamas, schreibt ihm Briefe, die sie nie abschickt, und sie malt sich aus, was wohl mit ihm passiert ist und wie es ihm geht. Die beiden haben über die Jahre hinweg mehrere Begegnungen, aber es ist nie der richtige Moment für das große gemeinsame Glück. Trotzdem liebt Tamuna ihren Tamas ihr ganzes Leben lang, und genau diese Liebe gibt ihr die Kraft, alle Schicksalsschläge zu überwinden und nie aufzugeben.

Kéthévane Davrichewy erzählt die Lebensgeschichte ihrer Großmutter aus verschiedenen Perspektiven, zwischen denen sie wechselt. Das Geschehen rund um den 90. Geburtstag wird aus der neutralen Erzähler-Perspektive erzählt, der Leser von oben auf die Situation herab und beobachtet, was in Tamunas Wohnung passiert. Rückblenden in ihr Leben sind dagegen aus der Ich-Perspektive erzählt. Der ständige Wechsel macht es hin und wieder kompliziert, sich tief in die Geschichte einzufinden, und ich hatte auch meine Probleme mit den vielen Personen mit georgischen Vornamen, die von Zeit zu Zeit dazukommen. Wenn man nicht wirklich dem Buch seine volle Aufmerksamkeit schenkt und es nicht in einem Rutsch liest, ist es schwer, sofort zu verstehen, welche Person in welchem Verhältnis zu der Hauptperson Tamuna steht. Es erschließt sich natürlich nach und nach, aber ich fand es nicht ideal.

Zusammenfassend kann ich das Buch trotzdem empfehlen. Es ist die mitreißende Geschichte eines bewegten Lebens und einer großen Liebe in den Wirren des Krieges. Ich habe viel über die Geschichte Georgiens, über den Zweiten Weltkrieg und über das Leben als Flüchtling erfahren.

Es gibt sie also noch – die große Liebe! Und sie ist stärker als alles andere und währt ein Leben lang.

Autorin: Sarah Czerwa