Der Beginn einer Militärdiktatur wirft seine Schatten auf Tel Aviv. Am Beispiel eines jungen Paares entsteht eine Parabel von Machtmissbrauch und Menschlichkeit.
Zum Autor
Mit seiner Band „Monica Sex“ feierte Yali Sobol, geboren 1972 in Haifa als Sohn des Dramatikers Jehoschua Sobol, in Israel und später in New York große Erfolge. Nach einem Soloalbum sowie einer Kolumne in der Wochenzeitung Tel Aviv wandte er sich dann dem Schreiben von Romanen zu. Mit „Die Hände des Pianisten“ erscheint erstmals einer seiner Romane in deutscher Übersetzung.
Leben unter dem ÜOK
Der Krieg in Israel ist vorbei, ein großer Teil von Tel Aviv zerstört. Anstelle der alten Regierung hat das Übergangsoberkommando (ÜOK) unter der Leitung von General Meni Shamai den Notstand ausgerufen. In dieser Zeit der Ungewissheit versuchen die Bewohner Tel Avivs zu ihrem Alltag zurückzukehren. Unter ihnen sind der Pianist Joav Kirsch und seine Frau Chagit, die als Cutterin in einem lokalen Nachrichtensender arbeitet. Vor allem für Joav bedeuten die neuen Gesetze und die verstärkte Kontrolle ein Hindernis in seiner beruflichen wie künstlerischen Entfaltung. Für seine Tournee wird keine Ausreiseerlaubnis erteilt, er wird verhört und die wenigen Auftritte werden kaum bezahlt. Dann trifft er zufällig auf einen reichen Förderer, der ihm sogar anbietet, ihn außer Landes zu schmuggeln – aber ohne seine Frau.
Auch Chagit bekommt die strengen Auflagen des Regimes in ihrer Arbeit zu spüren. Im Nachrichtensender spiegelt sich die immer dichter werdende Atmosphäre von Überwachung und Verrat wider und auch die Beziehung zu Joav beginnt zu bröckeln. Als ein Kollege ihr einen USB-Stick mit brisantem Material anvertraut, kann sie die Konsequenzen ihrer Hilfe noch nicht erahnen.
Eine Frage der Prinzipien
Der Roman liest sich wie ein Prequel einer politischen Dystopie und nimmt sich viel Zeit, um die Figuren und Umstände zu beschreiben. Zu Beginn steht Joavs Kampf um seine Kunst, die durch die Beschränkungen des Militärregimes und später auch den Geschmack seines Mäzens immer stärker beeinflusst wird, bis er sich beinahe in zwei Persönlichkeiten splittet. Gleichzeitig zieht sich Chagit immer mehr in ihre kühle Berechnung zurück, versucht ihren Mann aus allem raus und ihre Prinzipen für sich zu erhalten. Sobol richtet den Blick auch auf die Seite der Machthaber und beschreibt, wie eine kleine Abteilung langsam zu einer straff organisierten Behörde gegen „politische Umtriebe“ ausgebaut wird, Polizisten langsam abstumpfen, korrumpieren.
Mein Fazit
Mit einer klaren Sprache malt Sobol ein dunkles Szenario, wie sich Menschen unter politischen Druck verhalten und verändern. Trotz eines recht ruhigen Einstiegs bleibt das Buch bis zur letzten Seite packend. Ich hoffe darauf, dass auch die anderen Bücher des Autors bald ins Deutsche übersetzt werden.
Yali Sobol, Die Hände des Pianisten
Verlag Antje Kunstmann, 2014
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Autorin der Rezension: Jasmin Beer