Rezension: Tom Drury, Das stille Land

Ein junger Mann, dessen Träume allmählich von der Realität begraben werden und eine geheimnisvolle Schöne – das ist der Stoff, aus dem gute Geschichten für Freunde des Unheimlichen gestrickt werden. Das beweist Tom Drury mit seinem Roman „Das stille Land“, der passagenweise an die schaurig-düstere Atmosphäre der Serie Twin Peaks erinnert.

Quelle: www.klett-cotta.de
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Wenn Träume begraben werden
Protagonist in „Das stille Land“ ist Pierre Hunter, ein junger Mann, der eigentlich der Provinz des Mittleren Westens entfliehen möchte. Doch er meidet die Stadt und schlägt sich lieber im Grouse County als Barkeeper durch. Was er nicht weiß: Die bildhübsche Stella Rosmarin beobachtet ihn schon seit geraumer Zeit und unterhält sich sogar mit einem mysteriösen Fremden über ihn.

Als er eines Tages beim Eislaufen einbricht, rettet Stella Rosmarin den jungen Mann, woraufhin sie sich anfreunden. Tom Drury erfährt in den folgenden Wochen von ihrem Geheimnis: Bei Stella Rosmarin handelt es sich um eine ganz andere Person. Diese wurde ermordet und konnte ihre Seele in diesen Körper hinüber retten. Nun wird Pierre Hunter zum Werkzeug ihrer Rache, bevor dem Paar in einem anderen Leben eine gemeinsame Zukunft beschert ist.

Die Charaktere treiben die Geschichte voran
Im Aufbau der Geschichte erweist sich Tom Drury, wie auch schon in früheren Werken, als Meister der Sprache: Er entwickelt die Geschichte langsam anhand seiner Charaktere und scheinbar alltäglicher Begebenheiten. Erst gegen Ende, als das Rätsel um die geheimnisvolle Frau schon gelöst scheint, setzt Drury auf dezente Action-Elemente. Fast entsteht der Eindruck, der Autor habe eine bewusst langsame Erzählweise gewählt, um die Trostlosigkeit eines Ortes im Mittleren Westen auch sprachlich zu unterstreichen.

Die deutsche Übersetzung weist allerdings einige Schwächen auf, wodurch der für Drury typische Humor etwas untergeht. Der Qualität der Geschichte tut das jedoch keinen Abbruch. Der Leser kann sich insbesondere gut in Pierre Hunter hineinversetzen, der sich – wie so oft im richtigen Leben – mit der Tatsache arrangiert hat, dass er seine Träume aus Jugendtagen wohl nie wird verwirklichen können.

Mein Fazit
Das stille Land ist kein herausragendes Stück US-amerikanischer Literatur, wohl aber guter und unterhaltsamer Lesestoff für Freunde des Geheimnisvollen und Übersinnlichen. Wohltuend positiv fällt auf, dass der Autor auf übertriebene Effekthascherei verzichtet und sich die übersinnlichen Elemente fast logisch in das Leben eines ganz normalen jungen Mannes einfügen.

Tom Drury, Das stille Land
Klett-Cotta, 2015
Online bestellen: https://www.buchhandel.de/buch/Das-stille-Land-9783608980226
Autor der Rezension: Harry Pfliegl