Keine leichte Kost präsentiert der tschechische Autor Jiří Kratochvil seinen Lesern in „Gute Nacht, süße Träume“: Er beschreibt, was sich in der Todesnacht von Adolf Hitler in seiner Heimatstadt Brünn zugetragen haben könnte. Dabei gelingt ihm das Kunststück, inmitten eines düsteren Endzeitszenarios eine Geschichte zu erzählen, die oftmals zum Schmunzeln anregt und in der die Grenzen zwischen Fantasy und Realität nicht klar gezeichnet sind.
Der Autor
Jiří Kratochvil, Schriftsteller, Dramaturg, Kritiker und Publizist, wurde 1940 in Brünn in Tschechien geboren. Er studierte Philosophie, hatte in der sozialistischen Tschechoslowakei lange Publikationsverbot und verdiente sich als Kranführer, Heizer und Bibliothekar den Lebensunterhalt. Seine Werke sind in mehrere Sprachen übersetzt, 1999 erhielt er die höchste Auszeichnung seines Landes, den Jaroslav Seifert-Preis.
Der Inhalt
Schauplatz der Handlung ist das mährische Zentrum Brünn. Die deutschen Besatzer haben die Stadt auf ihrem Rückzug vor der Roten Armee bereits verlassen, jedoch sind einige deutsche Scharfschützen zurückgeblieben und am Stadtrand kommt es immer wieder zu Scharmützeln. Zwei der Protagonisten, Kostja und Kuba, irren durch die von Bomben zerstörte Stadt: Sie suchen einen amerikanischen Fallschirmspringer, der Penicillin bei sich haben soll, das in den Kliniken dringend benötigt wird.
Protagonist eines zweiten Handlungsstranges ist Jindřich, der von einer Zigeunerin als entscheidendes Zünglein an der Waage auserkoren wurde, sollte es zur mythischen Auseinandersetzung zwischen Gut und Böse kommen. Begleitet wird Jindřich von einer sprechenden Katze, die ihn leitet und beschützt. Mehrfach kreuzen sich die Wege des Trios, bevor sie sich letztlich auf eine völlig unerwartete Art endgültig begegnen.
Wenn Surrealismus real wird
Jiří Kratochvil entwickelt einen ganz eigenen Sprachstil, um das Grauen der letzten Kriegstage in Worte zu verpacken. Er vermischt geschickt Realität, Mythologie und Fantasy und erschafft damit ein auch für die Nachkriegsgeneration nachvollziehbares Endzeitszenario, in dem sich eine surreale oder groteske Situation an die nächste reiht. Über weite Passagen, etwa bei der Hochzeit der Liliputaner, die auf einem Dach stattfindet, erinnert das Werk an den Surrealismus in den Filmen des chilenischen Autors Alejandro Jodorowsky.
Mein Fazit
Wer die Literatur der Postmoderne schätzt, wird „Gute Nacht, süße Träume“ lieben. Allerdings muss sich der Leser tief auf die Geschichte einlassen. Zunächst ist das Buch etwas schwierig zu lesen. Das liegt einerseits an den zahlreichen tschechischen Eigennamen, andererseits an den langen, oft verschachtelten Sätzen, mit denen der Autor als Stilmittel arbeitet. Gut, dass das Buch mit Anmerkungen abschließt, in denen wichtige Begriffe und die Schauplätze erläutert werden.
Jiří Kratochvil: Gute Nacht, süße Träume. Aus dem Tschechischen von Christa Rothmeier
Braumüller Literaturverlag, Wien 2015
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Autor der Rezension: Harry Pfliegl