Rezension: Andrei Mihailescu, Guter Mann im Mittelfeld

Sowjetunion, Vietnam, Nord-Korea, Kuba – über Diktaturen gibt es viele Geschichten und Gerüchte von Hunger, Elend, Terror und Unterdrückung. Nicht so zu Rumänien am Ende der Donau, immerhin Teil der EU. Andrei Mihailescu nimmt den Leser in seinem Buch „Guter Mann im Mittelfeld“ mit zu einem Leben unter einem Regime, das den großen Diktatoren in nichts nachsteht.

Quelle: www.hanser-literaturverlage.de
Quelle: www.hanser-literaturverlage.de

Leben zwischen Angst, Resignation und Hoffnung
Bukarest, 1980. Stefan Irimescu ist Journalist bei einer der größten rumänischen Tageszeitungen. Zwar weiß er, dass er Teil einer gewaltigen Propaganda-Maschinerie ist, doch er redet sich ein, dass er mit seinen an der Zensur vorbei gemogelten Spitzfindigkeiten in den Artikeln und durch das Abfangen von unvorsichtigen Leserbriefen nicht wirklich davon betroffen ist. Als er sich offen mit dem Securitate-Beamten in der Zeitung anlegt, wird er verhaftet und verhört – und Tage später zerlumpt und verletzt auf einer Baustelle wieder freigelassen. Dort trifft er auf Raluca, Architektin und Ehefrau des mächtigen Parteikaders Ilie Stancu. Raluca und Stefan beginnen eine Affäre, die nicht lange geheim bleibt. Als Ralucas Ehemann davon erfährt, lässt er sich von einem Parteifreund bei der Securitate helfen, um Stefan erneut verhaften und im Gefängnis verschwinden zu lassen. Doch statt ihn zu brechen, lässt die Zeit im Gefängnis Stefan über elegantere Wege des Widerstandes nachdenken und seine Liebe zu Raluca noch wachsen.

Von den Problemen und Siegen des Alltags
Die unter Ceauşescu in Rumänien errichtete sozialistisch-stalinistische Diktatur brachte der rumänischen Bevölkerung anfangs, angefacht durch den allgemeinen wirtschaftlichen Aufschwung der späten 1960er Jahre, den erhofften Wohlstand. Doch das schlug schnell um: zum Zeitpunkt der Geschichte von Andrei Mihailescu, zwischen 1980 und 1982, herrschte allgemeiner Mangel. Anstehen für Brot, Milch oder Ersatzkaffee gehörte zum Alltag. Eier, Zucker oder Fleisch waren kaum oder nur durch Beziehungen zu Parteikadern zu bekommen. Unter dem Terror-Regime des Geheimdienstes Securitate wagte niemand offen aufzubegehren aus Angst, zu Tode gefoltert zu werden oder elend in einem Gefängnis dahin zu vegetieren. „Guter Mann im Mittelfeld“ bringt die Situation der Menschen ohne unnötige Sentimentalitäten und gerade damit umso erschreckender zum Leser.

Mein Fazit
„Guter Mann im Mittelfeld“ ist ein Buch, das gerade wegen seiner authentischen, unprätentiösen Schilderung des Lebens in Rumänien unter der Ceauşescu-Diktatur unter die Haut geht. Das Aufeinanderprallen der Welten von Stefan und Raluca, die Unterschiede zwischen den Privilegierten und der normalen Bevölkerung und die Willkür der Verhaftungen durch die Securitate führen vor Augen, dass es keinen Grund gibt, als Europäer auf andere Erdteile herabzublicken. Ist es doch gar nicht so lange her, als vor unserer Haustür Terror-Regime an der Macht waren. Eine unbedingte Leseempfehlung!

Andrei Mihailescu, Guter Mann im Mittelfeld
Hanser, 2015
Online bestellen: https://www.buchhandel.de/buch/Guter-Mann-im-Mittelfeld-9783312006694
Autor der Rezension: Harry Pfliegl