Zweimal werden wir noch wach, dann ist das Helheim Geschichte. Nach der zunächst überstandenen Insolvenz vor zwei Jahren ist jetzt doch endgültig Schluss. In der morbiden Stimmung des Untergangs erhielt Gründer und Betreiber Markus Böhme ein letztes Geschenk: Nach zwei Besuchen als Terrassengast bei Volly Tanner gab Manja Fyah Flame aka Manja Kendler ihr Solo-Lesungsdebut.
Sie ist schüchtern. Die Haare sind verwuschelt. Und ich verehre Sommersprossen. Manja liest, und ich kann mich nicht entscheiden: Schließe ich die Augen oder schaue ich sie an? Der Lesungsreigen beginnt mit einer launigen Kindergeschichte für den vierjährigen Neffen („der ist schon ganz weit für vier“) über das Zuhören. Hey, Leipziger Lesepaten: Holt euch diese Geschichte für eure kleinen Zuhörer! Dann eine scharfe Wende: Es folgt ein belauschtes Kneipengespräch („nichts für Kinder!“) über die stimulierenden Vorzüge proteinreicher Kängeruschnitzel. Augen auf: Manja lacht über ihre eigenen Formulierungen, ahmt trefflich die Tic-Störungen beim Tourette-Syndrom nach, ohne dabei peinlich zu wirken.
Urlaub am Bodden: Manjas Naturbeobachtung ist wie ihre Sicht auf Menschen, scharf gezeichnet und distanziert zugleich. Ich folge ihr an das Brackwasser, beobachte den Vogelflug, rieche den Räucherofen, spüre die Freiheit. Bitte lasst mich hier. Nicht aufwachen. Oder lasst mich stiller Beobachter sein, wenn Mandy im „Café Elise“ (was mag da Pate gestanden haben? Vielleicht das Café Grundmann?) mit einer alten Dame über die Vorzüge von Kakao mit Vanillesahne plaudert oder als scharfzüngige Garderobenfrau den Umgang von Gästen mit niederem Personal beklagt.
Was ich gehört habe, hat mir besser gefallen als so manche Lesung am DLL. Wer Manja verpasst hat, kann sie und ihren skurrilen Gedankenaffen im 520 Universum besuchen: rund um die Uhr, ohne Kleiderzwang. Persönlich geht es dort zu. Und ich habe gelernt: Die Antwort ist immer sieben.
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