„Ihr werdet alle sterben. Alles ist gut.“ Das ist die Botschaft der siebenjährigen Millie Bird, die mit den beiden Greisen Agatha und Karl sowie der einbeinigen Schaufensterpuppe Manny durch Australien stolpert. Eine Reisegemeinschaft, die auch Jonas Jonasson zur Ehre gereicht hätte.
Verlassene und Hinterbliebene
Die Australierin Brooke Davis wählt eine ungewöhnliche Geschichte für ihr Debüt: Als ihr Hund Rambo stirbt, beginnt das kleine Mädchen Millie tote Dinge zu „sammeln“. In ihre Liste all dessen, was sie sterben sieht – Spinnen, Vögel, Weihnachtsbäume, Zugfahrten, Kerzen – reiht sich plötzlich auch ihr Vater ein. Zu diesem Zeitpunkt hat Millie durch ihre Sammlung den Tod bereits als eine natürliche Tatsache der Welt erkannt und verkraftet den Verlust verhältnismäßig gut. Nicht so ihre Mutter. Diese lässt Millie eines Tages im Kaufhaus stehen, heißt sie zu warten und verschwindet.
Nach zwei Tagen des Wartens flieht Millie vor der Polizei und potentiellen Pflegeeltern. Kurze Zeit später begibt sie sich auf die Suche nach ihrer Mutter. Unterstützt und begleitet wird sie dabei von ihren neuen Freunden: der Schaufensterpuppe, in dessen stummer Gesellschaft Millie gewartet hat und die schließlich den Namen „Manny“ erhält; der 82jährigen Agatha Pantha, die in Millies Nachbarschaft wohnt, das Haus seit dem Tod ihres Mannes nicht mehr verlassen hat und ihre Tage damit fristet, sich selbst und andere anzuschreien und ihre Wangenelastizität, Faltenanzahl und Armschwabbelstärke zu dokumentieren; sowie dem 87jährigen Karl dem Tasttipper, der alles (auf unsichtbaren Tastaturen) mittippt, was er sagt und stets ein paar Tasten in der Hosentasche bei sich trägt. Auch er leidet unter dem Verlust seiner Frau und erwählt sich das Kaufhaus zu seinem Domizil, bis er dort Millie kennenlernt.
Heiteres Beileid
Brooke Davis erzählt ihre traurig-komische Geschichte angenehm kurzweilig. Die knappen Kapitel gestatten es mir, immer wieder zu pausieren, wenn es mir doch mal zu bunt wird – was nicht selten geschieht. Spannend und interessant finde ich, wie Brooke Davis ihre Protagonisten mit Trauer und Gram umgehen lässt; mitreißend ist es insofern, als ich mich immer wieder echauffiere über das ungeheuerliche Verhalten von Millies Eltern, die sich stets mehr für den Fernseher als für ihre Tochter interessierten und nun gar Millies Mutter, die ihr siebenjähriges (!) Kind sang- und klanglos zurücklässt. Amüsant sind die Eigenheiten der Charaktere, so etwa Millies beharrliche Annahme, dass ihre Rabenmutter sich nur verlaufen hat, weswegen sie kontinuierlich Schilder mit der Auskunft „Hier bin ich, Mum“ anfertigt. Nervig und unsympathisch dagegen ist das permanente Schreien der griesgrämigen Agatha Pantha, für die ich keinerlei Mitgefühl aufbringen und über deren absehbares Happy End ich mich dementsprechend auch nicht freuen kann.
Mein Fazit
Wer ein Faible für ungewöhnliche, kreativ verfasste Geschichten hat, ist mit diesem Buch gut beraten. Mich persönlich hat der Roman stilistisch und während des Lesens durchaus angesprochen, am Ende jedoch inhaltlich enttäuscht, da ich mich für die Figuren nur teilweise erwärmen konnte und mir einen aussagekräftigeren Epilog gewünscht hätte.
Brooke Davis, Noch so eine Tatsache über die Welt
Verlag Antje Kunstmann, 2015
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Autorin der Rezension: Katja Weber