Abwarten und Teetrinken…

… das hat in Ostfriesland eine ganz besondere Bedeutung. Schließlich trinkt man hier im Durchschnitt unglaubliche 300 Liter Tee pro Jahr (Säuglinge eingeschlossen). Da werden sogar die Briten neidisch. Der Rest der Republik hinkt weit hinterher.

Jede Familie in Ostfriesland bevorzugt eine der Traditionsmarken. Bei mir in Leipzig in der Diaspora gibt es losen Bünting Grünpack, notfalls auch im Teebeutel.

Mein Vater schreibt dazu:

„Tee wird in Ostfriesland aus kleinen Teetassen getrunken, die speziell dafür aus sehr dünnem Porzellan hergestellt werden. Auch die Teekanne, Treckpott genannt, ist aus Porzellan gefertigt. Fachgeschäfte für Haushaltswaren führen in Ostfriesland stets eine Auswahl an echten ostfriesischen Teeservices. Hierzu gehören als Ausstattung:

ein Teestövchen aus Porzellan oder Messing mit einem Teelicht
eine Kandisschale aus Porzellan, der Kluntjepott
ein Sahnelöffel, der Rohmlepel und
für jede Tasse ein kleiner Teelöffel, der Teelepel.

Das Teeservice mit dem Dekor „Ostfriesland“ ist mit einer rötlich bis purpurvioletten Rose verziert. Man nennt sie auch die Sylter Rose. Den Sahnelöffeln und den kleinen Teelöffeln ist in filigraner Arbeit oben ein Schmuck in Form einer Krone aufgesetzt. Bei uns gehörte noch die #Kluntjezange zur Ausstattung. Grundsätzlich kaufte meine Mutter #Kandis am Bindfaden. Mit der Kandiszange wurde jeweils ein Stück von dem Kluntjestück abgekniffen und in tassengerechte Portionen zerlegt.

Für die Teezubereitung soll nur extra weiches und kalkarmes Wasser verwendet werden. Am besten ist Regenwasser. Auch stilles Mineralwasser ist gut geeignet.

Zunächst wird das Wasser zum Kochen gebracht. Aber Achtung: „Ut hettkokt Water mög wi gin Tee“, sagt der Ostfriese. Soll heißen: Tee muss unbedingt mit kochendem Wasser aufgebrüht werden. Wasser, das zwar gekocht hat, aber nicht mehr sprudelt, ist ungeeignet!

Der Treckpott wird mit heißem Wasser ausgespült. Danach werden die Teeblätter mit einem besonderen Teemaß in die Kanne gegeben. Dann füllt man etwas kochendes Wasser ein, aber nur so viel, dass es zum Einschenken einer knapp halben Tasse voll für jeden Teetrinker ausreicht. Nun lässt man den Tee ziehen (trecken).

Nach vier Minuten ist der erste Aufguss fertig. In der Zwischenzeit hat die Frau des Hauses in jede Teetasse ein Stück Kandis gegeben, wobei der Besuch immer den größten Brocken erhält. Nun wird der Tee in die Tassen eingeschenkt. Diese werden aber nur bis zur Hälfte gefüllt. Wichtig ist, dass dabei ein kleines Teesieb über die Tassen gehalten wird und der Tee durchgesiebt in die Tassen gelangt. Die aufgefangenen Teeblätter gibt man in die Kanne zurück.

Nun wird wieder kochendes Wasser in die Kanne nachgegeben und die Tassen werden mit dem verdünnten Aufguss gefüllt. Dabei immer an das Sieb denken – Teeblätter aus der Kanne gehören nicht in die Tassen!

Zum Schluss kommt die gute Sahne zum Zuge. Mit dem Rohmlepel wird Rahm aus der Schüssel abgeschöpft. Mit einem eleganten Schwung, der etwas Übung erfordert, wird eine genau dosierte Menge Sahne in jede Tasse gegeben. Aus dem Handgelenk heraus wird der Rahm auf die Teeoberfläche so aufgebracht, dass sich nach kurzer Zeit eine Blume entwickelt. Die Entfaltung der Sahne ist die Krönung der Teezeremonie.

Getrunken wird der Tee in drei Schichten: Erst der Sahnegeschmack, dann der pure Tee und zum Schluss die Süße des Kluntje. Wer mit dem kleinen Teelöffel umrührt und die Blume der Sahne zerstört, begeht einen echten Stilbruch – oder ist zugereist…“

Nun ist es abgemacht

Nun ist es abgemacht: Gleich am ersten Tag der Leipziger Buchmesse #lbm16 übergebe ich das Manuskript an den Verlag. Bis dahin ist noch einiges zu tun. Drei Fachkommentare stehen noch aus, drei Testleser lesen noch, und von Fehntjer #Zeitzeugen erreichen mich weiter Nachrichten mit persönlichen Erinnerungen. Ja, das Manuskript wird umfangreicher, aber vor allem reicher.

Das Manuskript verändert sich täglich

Das Manuskript verändert sich täglich durch Mail-Korrespondenz. Die Fußnoten wachsen, so manches wird klarer oder wird sanft korrigiert. Heute habe ich den bisherigen Text auf Normseiten formatiert. Der reine Text sind 262 Seiten. Ich habe mich entschlossen, noch Anlagen hinzuzufügen. Dies sind die Auskunft über die Wehrmachtszugehörigkeit meines Vaters, ein Kriegstagebuch meines Onkels aus den Jahren 1944/45 und einen Auszug aus der Stammfolge Plaisier. So kommen noch einmal 80 Seiten dazu.

Dies sind einige der Familienfotos, die ich im Buch zeigen möchte:

Ein Texthäppchen für die Westerfehntjer

Zum Sonntag gibt’s heute ein Texthäppchen für alle, die Westrhauderfehn kennen oder dort wohnen:

„An der anderen Wiekenseite, etwas in Richtung Untenende versetzt, wohnte unser Schneidermeister. Er hatte dort auch seine Schneiderwerkstatt. Sein Name war Ecken. Er kümmerte sich um Neuanfertigungen und Änderungen großen Stils. Reparaturen des täglichen Lebens, wie etwa das Aufsetzen eines Flickens oder das Kürzen einer Hose, erledigte meine Mutter selbst. Sie setzte für solche Näharbeiten ihre Nähmaschine der Marke Singer in Gang. Die Inbetriebnahme erfolgte durch Treten auf dem unten befindlichen Tritt. Die so erzeugte Kraft wurde mittels eines Keilreimens nach oben übertragen und setzte die eigentliche Nähmaschine in Gang. Meine Mutter achtete darauf, dass ihre Füße bei dieser Arbeit immer mit Strümpfen bekleidet waren…

Nicht weit von Schneidermeister Ecken entfernt war zur damaligen Zeit noch ein #Kolonialwarengeschäft in Betrieb. Hier wurden allerlei Gebrauchsgegenstände und der Bezeichnung des Ladens entsprechend Waren aus den Kolonien feilgeboten. Ich wurde auch schon zum Einkaufen geschickt. Bei dem Böskop-Loopen kaufte ich zum Beispiel Margarine der Marke „Schwan im Blauband“. Waren Waschmittel fällig, so holte ich IMI, Ata und Persil sowie das Bleichmittel SIl für meine Mutter. Waren für meinen Vater oder meine Brüder Rasierklingen gefragt, so kam nur die Marke Rotbart Be-Be infrage.

Geraucht wurde bei uns nicht. Zumindest habe ich es nicht wahrgenommen. Von den Nachbarn und den größeren Jungs konnte ich bei Gesprächen ablauschen, dass sie die Marke Salem bevorzugten. Es war eine Zigarette mit goldenem Mundstück. Der Rauch, der mir in die Nase stieg, war süßlich. Es muss mit dieser Marke etwas Besonderes auf sich gehabt haben, denn man sang sogar ein Lied von dieser Reemtsma-Sorte:

Hallo MacBrown, was macht Ihr Harem?
Tanzt man noch Swing, raucht man noch Salem?…“