Zur Buchmesse: Leipzig liest polnische Literatur (Teil I)

Polnisches_Institut_Filiale_Leipzig_webZugegeben, das Polnische Institut Leipzig musste abspecken, damit es erhalten werden konnte. Zur Leipziger Buchmesse ist das Institut eingebunden, wenn polnische Schriftsteller in den Messehallen und bei „Leipzig liest“ ihre deutschen Neuerscheinungen vorstellen.

Stefan Chwin erweist sich in seinem „Deutschen Tagebuch“ als scharfsinniger und humorvoller Analytiker der deutsch-polnischen Beziehungen. Aktuell: Joanna Bator stellt den Roman „Dunkel, fast Nacht“ vor, der sich mit kippenden Stimmungen gegen Minderheiten befasst. Der Historiker Marcin Zaremba beschreibt in „Die große Angst. Polen 1944-1947: Leben im Ausnahmezustand“ Polen am Ende des Zweiten Weltkriegs. Außerdem dabei: Lidia Ostałowska mit „Wasserfarben“, Brygida Helbig mit „Ossis und andere Leute“, Szczepan Twardoch mit „Drach“ und Tomasz Różycki mit „Bestiarium“.

Donnerstag, 17. März, 15:00
Mein Tipp: Lidia Ostałowska, Wasserfarben
Messe Forum Ostsüdost Halle 4 / E 505
(auch Freitag, 18. März, 20:00 im Polnischen Institut)

Donnerstag, 17. März, 19:00
Brygida Helbig, Ossis und andere Leute
Polnisches Institut Leipzig, Markt 10

www.edition-fototapeta.eu

Donnerstag, 17 .März, 20:00
Joanna Bator: Dunkel, fast Nacht
Polnisches Institut Leipzig, Markt 10

Freitag, 18. März, 16:00
Marcin Zaremba, Die große Angst
Messe Forum Ostsüdost Halle 4 / E 505
(auch Samstag, 19. März, 18:30 im Polnischen Institut)

Freitag, 18. März, 18:30
Szczepan Twardoch, Drach
Polnisches Institut Leipzig, Markt 10

Freitag, 18. März, 21:00
Tomasz Różycki, Bestiarium
Polnisches Institut Leipzig, Markt 10

Samstag, 19. März, 20:00
Stefan Chwin, Ein deutsches Tagebuch
Polnisches Institut Leipzig, Markt 10

http://leipzig.polnischekultur.de/

Leipzig liest. Ludwig liest mit.

UPDATE 24. Februar 2016: Die Lesung mit Richard Dawkins wurde wegen Krankheit abgesagt.

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Nach Lehmanns hat jetzt auch die Bahnhofsbuchhandlung Ludwig das Leseprogramm zur Buchmesse veröffentlicht.  Große Namen sind dabei, unter anderem Sky du Mont und Kai Meyer. Mein Tipp: Es ist faszinierend, Richard Dawkins zu hören. Sein Blick auf die Frage, wie notwendig Religion wirklich ist, eröffnet neue Denkwelten.

  • 16. März um 19:00 Uhr: Kai Twilfer liest aus „Finn-Luca, komm bei Fuß!“
  • 17. März um 17:00 Uhr: Stephan Harbort liest aus „Der klare Blick“

    www.ullsteinbuchverlage.de
    www.ullsteinbuchverlage.de
  • 17. März um 19:30 Uhr: Sky du Mont liest aus „Steh ich jetzt unter Denkmalschutz?“
  • 18. März um 14:00 Uhr: Egmont-Managsignierstunde mit Ken Akamatsu
  • 18. März um 17:00 Uhr: Kai Meyer liest aus „Die Seiten der Welt – Blutbuch“
  • 18. März um 19:30 Uhr: Richard Dawkins stellt vor „Die Poesie der Naturwissenschaften“
  • 19. März um 13:30 Uhr: Anna Katharina Hahn liest aus „Das Kleid meiner Mutter“
  • 19. März um 15:30 Uhr: Simone Buchholz liest aus „Blaue Nacht“
  • 19. März um 18:00 Uhr: Der große Heyne-Fantasy-Abend mit Bernhard Hennen, T.S. Orgel, Peter V. Brett und Carolin Wahl
  • 20. März um 16:00 Uhr: Tatjana Meissner liest aus „Du willst es doch auch“

Auf alle Lesungen wird ein Unkostenbeitrag von 2 Euro erhoben, Signierstunden sind kostenfrei. Reservierungen sind telefonisch, per Mail oder direkt in der Filiale möglich.

Herzlich willkommen zur Leipziger Buchmesse 2016!

Die Leipziger Buchmesse 2016 ist in zweifacher Hinsicht eine besondere Buchmesse für mich. Sie wird die letzte Buchmesse vom Standort Leipzig aus sein, bevor ich nach Ostfriesland umziehe. Am ersten Messetag werde ich dem ACABUS-Verlag ein Manuskript übergeben und mich offiziell als Verlagsautor bewerben. Wer die Entwicklung meines Buchprojektes verfolgen möchte: Bitte hier entlang.

In diesem Jahr habe ich meine Vorschläge aufgeteilt: Jeder Tag ist ein gesonderter Post. Die ausgewählten Veranstaltungen überschneiden sich zum Teil. Einige davon sind an mehreren Tagen aufgeführt, um Alternativen aufzuzeigen. Soweit bekannt, werden Eintrittsgelder angegeben. Und wer sich gar nicht entscheiden kann: Unter http://www.leipziger-buchmesse.de/zufallsgenerator hilft der Les-O-Mat, die passende Veranstaltung zu finden.

Nach dem abrupten Ende des Experiments „Bloggerpaten“ (Beitrag dazu hier) bin ich gespannt auf die Diskussionen in der Bloggerlounge.

Ich freue mich auf ein Gespräch mit Anja Bagus zur Frage, ob Bücher wirklich ein Lektorat benötigen (ihr trotziges Statement steht hier).

Nemzowa
www.ullsteinbuchverlage.de

Ich freue mich darauf, Schanna Nemzowa, die Tochter des 2015 ermordeten russischen Bürgerrechtlers Boris Nemzow, kennenzulernen. Sie wird auf der Lesenacht in der Alten Handelsbörse ihr Buch über ihren Vater vorstellen. Dem Titel folgend, will sie „Russland wachrütteln“ (Vorschau bei Ullstein hier).

Und natürlich bin ich wieder gespannt auf die Lesehäppchen bei „Buchmesse schmeckt“ in der Moritzbastei. Das Präludium zur Buchmesse geht 2016 ins zweite Jahrzehnt. Es lesen traditionell Buchmesse-Chef Oliver Zille, OB Burkhard Jung, Kulturbürgermeister Michael Faber und Martin Buhl-Wagner, Geschäftsführer der Leipziger Messe. Spannend für mich außerdem: Britta Taddiken (Pfarrerin an der Thomaskirche) und Jean-Christophe Tailpied, Direktor des Institut français Leipzig. Insgesamt wird es zwölfmal Literatur zur Mittagszeit geben (Website der Moritzbastei hier). 

Traditionell am Messesamstag gibt’s hier wieder die große Fotostrecke zur Manga Comic Convention.

Viel Spaß – wo sehen wir uns?

Preis der Leipziger Buchmesse 2016: Das sind die Nominierten

header-3Kategorie Belletristik

Marion Poschmann: „Geliehene Landschaften – Lehrgedichte und Elegien“ (Suhrkamp)
Roland Schimmelpfennig: „An einem klaren, eiskalten Januarmorgen zu Beginn des 21. Jahrhunderts“ (S. Fischer)
Nis-Momme Stockmann: „Der Fuchs“ (Rowohlt)
Heinz Strunk: „Der goldene Handschuh“ (Rowohlt)
Guntram Vesper: „Frohburg“ (Schöffling & Co.)

Kategorie Sachbuch/Essayistik

Werner Busch: „Adolph Menzel. Auf der Suche nach der Wirklichkeit“ (C.H. Beck)
Jürgen Goldstein: „Georg Forster. Zwischen Freiheit und Naturgewalt“ (Matthes & Seitz)
Ulrich Raulff: „Das letzte Jahrhundert der Pferde. Geschichte einer Trennung“ (C.H. Beck)
Christoph Ribbat: „Im Restaurant. Eine Geschichte aus dem Bauch der Moderne“ (Suhrkamp)
Hans Joachim Schellnhuber: „Selbstverbrennung: Die fatale Dreiecksbeziehung zwischen Klima, Mensch und Kohlenstoff“ (C. Bertelsmann)

Kategorie Übersetzung

Kirsten Brandt übersetzte aus dem Katalanischen „Flüchtiger Glanz“ von Joan Sales (Hanser)
Brigitte Döbert übersetzte aus dem Serbischen „Die Tutoren“ von Bora ?osi? (Schöffling & Co.)
Claudia Hamm übersetzte aus dem Französischen „Das Reich Gottes“ von Emmanuel Carrère (Matthes & Seitz Berlin)
Frank Heibert übersetzte aus dem Englischen „Frank“ von Richard Ford (Hanser Berlin)
Ursula Keller übersetzte aus dem Russischen „Eine Straße in Moskau“ von Michail Ossorgin (Die Andere Bibliothek)

Literaturfreunde haben am ersten Messetag die Gelegenheit, die Autoren und Übersetzer zu erleben. Von 11 bis 12 Uhr präsentieren sich die Belletristik-Nominierten im Literaturforum (Halle 4, E401). Direkt im Anschluss stellen sich dort die Autoren der Kategorie Sachbuch/Essayistik vor. Ab 13 Uhr sind die Übersetzer-Nominierten im Forum International im Übersetzerzentrum (Halle 4, Stand E500) zu hören. Präsentiert werden die Autoren von jeweils zwei Juroren.

Rezension: Manuel Möglich, Deutschland überall – Eine Suche auf fünf Kontinenten

Der Journalist Manuel Möglich ist bisher vor allem als Fernsehreporter bekannt. Seine Sendung „Wild Germany“ auf ZDFneo wurde 2011 für den Deutschen Fernsehpreis nominiert. Der 37-Jährige arbeitete nach seinem Studium der Medien- und Kulturwissenschaft auch als Radiojournalist bei 1LIVE und schrieb für Magazine wie Spex und VICE. Manuel Möglich lebt in Berlin.

Quelle: www.rowohlt.de
Quelle: www.rowohlt.de

Was ist deutsch? Was macht Deutschland und die Deutschen überhaupt aus? Dieser Tage durchaus heftig diskutierte und interessante Fragen. Umso spannender, dass Reporter Manuel Möglich Antworten darauf im Ausland sucht. Jedoch sei gleich zu Beginn gesagt: wirklich neue Einsichten über die deutsche Identität bekomme ich als Leser in diesem Buch nicht. Zumindest nicht abseits der altbekannten Klischees von Oktoberfest, Pünktlichkeit und Weißwurst. Die Schwarzwälder Kuckucksuhr prangt dazu auf dem Cover.

Gut, also kann man das Buch getrost im Regal stehen lassen? Mitnichten! Denn „Deutschland überall“ bietet zwar keine bahnbrechenden Erkenntnisse über das Bild der Deutschen im Ausland. Dafür darf der Leser den Autor auf eine spannende Reise begleiten: Tschechien, Samoa, Brasilien, Rumänien, USA und China. Jedem dieser Länder ist ein Kapitel gewidmet. In jedem findet sich ein geschichtlicher Exkurs, der erklärt, warum Manuel Möglich gerade an diesem Ort Spuren der deutschen Kultur sucht. Das mag für Experten eventuell überflüssig sein. Für jemanden mit durchschnittlichem Geschichtswissen bieten diese Exkurse jedoch viele neue Erkenntnisse über die deutsche Geschichte.

Das Besondere an diesem Buch ist die Art und Weise, wie Manuel Möglich mit seiner Rolle als Reporter umgeht: Er bezieht Position, reflektiert offen seine Erfahrungen. Wie soll er sich verhalten, wenn die 83-jährige Inge in Brasilien ungehemmt rassistische Parolen schwingt? Was passiert, wenn der Autor neugierig Rauschpfeffer ausprobiert? Die Reportage lebt von bizarren Erlebnissen und den spannenden Menschen, auf die Manuel Möglich trifft. Der Autor schildert auch Situationen, in denen er sich unwohl fühlt, in denen er gefrustet ist, dass nicht so richtig etwas passiert. Diese subjektive Perspektive kennt man bereits aus TV-Sendungen wie „Wild Germany“. Sie funktioniert jedoch auch wunderbar in diesem Buch. Weil er gnadenlos ehrlich ist, ohne Selbstdarstellung und Floskeln einfach erzählt, was ihm passiert und wer ihm begegnet. Dazu kommt ein sehr lockerer Schreibstil, der zugegeben nicht für jeden zugänglich ist.

Typisch deutsch? Beleuchtetes Haus zu Weihnachten in Ostfriesland. Quelle: Archiv Detlef M. Plaisier
Typisch deutsch? Beleuchtetes Haus zu Weihnachten in Ostfriesland. Quelle: Archiv Detlef M. Plaisier

Hervorzuheben ist außerdem der sensible Umgang des Autors mit dem Thema Nationalismus. Er trifft auf seinen Reisen oft Personen mit fragwürdigen und sehr antiquierten Einstellungen. Das verurteilt er aber nicht per se, sondern fragt nach dem Ursprung dieser Ansichten. Er selbst reflektiert seine Rolle als „Deutscher“ fortlaufend: wie unangenehm es manchmal ist, sich mit seiner Herkunft zu „outen“ oder wie wenig er mit dem Gefühl des Nationalstolzes anfangen kann. Sehr spannende und aktuelle Fragen, die der Reporter dem Leser in diesem Buch mit auf den Weg gibt.

Mein Fazit: Schade, dass dieses Buch so stark mit der Suche nach der deutschen Identität beworben wird. Ein „gänzlich neues Bild von uns Deutschen“ wird dem Leser definitiv nicht gezeichnet. Löst man sich von dieser Erwartungshaltung, ist „Deutschland überall“ eine sehr lebendige Reisereportage, die interessante Hintergründe und Sichtweisen bietet. Macht definitiv Lust, den Koffer zu packen und selbst an verrückte Orte zu fliegen!

Manuel Möglich, Deutschland überall – Eine Suche auf fünf Kontinenten
Rowohlt Berlin, 2015
Online bestellen: https://www.buchhandel.de/buch/Deutschland-ueberall-9783871342004
Autorin der Rezension: Franziska Schmidt

Leipziger Bibliotheken schließen in den Winterferien

Die Leipziger Städtischen Bibliotheken, also die Stadtbibliothek mit allen Stadtteilbibliotheken und die Fahrbibliothek, schließen vom 7. bis 14. Februar. Grund ist ein „umfassendes Softwareupdate“, heißt es offiziell. Dies ist auch die erste Woche der Winterferien in Sachsen.

Kein Grund zur Aufregung, meint Heike Scholl, Öffentlichkeitsarbeiterin der StaBi. Die Bibliotheken seien zu jeder Zeit sehr gefragt: „Auch in der Schulzeit brauchen uns die Schüler besonders für die Hausaufgaben und als Lernort.“ Das Softwareupdate sei aus Sicherheitsgründen dringend notwendig. Organisatorisch sei alles vorab geregelt: „Die Leihfristen wurden angepasst, die Ferienlektüre ist also gesichert.“ Als Trostpflaster gibt’s im Ferienprogramm der StaBi in der zweiten Ferienwoche noch einige tolle Aktionen.

Der Leipziger Poetenladen bei Lehmanns: Füllhorn literarischer Talente

poetenladenDer Leipziger poetenladen Verlag entstand 2008 aus dem gleichnamigen Internetportal, das 2005 online ging. Seit dem Frühjahr 2006 erscheint halb­jährlich das Lite­ratur­magazin poet. Es wird beachtet als Sammelbecken für neue Lyrik und Prosa mit Bedeutung über Deutschland hinaus. Aktuell liegt die Ausgabe #19 zum Leitthema „Literatur und Glaube“ vor. Die Verlagsarbeit wird ergänzt durch die Herausgabe von Anthologien („aus meinem Sinn für Solidarität“), zuletzt „Schnee im August“, die Zusammenfassung zum (wohl letzten) MDR-Literaturwettbewerb 2015. Verleger und Gründer Andreas Heidtmann wurde zur Verlagsvorstellung bei Lehmanns von Wettbewerbssiegerin Ronya Othmann begleitet.

poet19-cover-300dpiVor der Literatur stand bei Andreas Heidtmann die Musik. Das Klavierstudium in Köln war keine besondere Entscheidung, „es war in meiner Familie üblich, sich mit Musik zu beschäftigen.“ Doch schon zu Studienbeginn war klar: Die eigentliche Liebe galt der Literatur. „Und da habe ich in der Jugend alle Klischees erfüllt, von allen Bänden Karl May bis zu Siddhartha mit 14 oder 15.“ Jetzt, mit gereifter Lebens- und Literaturerfahrung, fällt das Urteil differenzierter aus: Als Andreas Heidtmann als poet-Herausgeber im Jahr 2010 den Calwer Hermann-Hesse-Preis erhielt, las er noch einmal nach – „und ich konnte es nicht mehr ertragen.“

Die Entscheidung für einen eigenen Verlag traf Andreas Heidtmann unbelastet in einer Phase weitgehend finanzieller Unabhängigkeit. Ausweis der Zielstrebigkeit ist die Anzahl der Autoren im Konstrukt Poetenladen. Inzwischen sind es rund eintausend, „und es ist schwieriger, Autoren loszuwerden, als neue Autoren zu finden“. Ein Verlagsprofil, so Heidtmann, bilde sich vor allem durch Hausautoren. Deren literarische Produktion bestimme aber mehr als die Hälfte des Jahresprogramms, was widerum dem Nachwuchs den Zugang erschwere.

Ronya Othmann liest bei Lehmanns. Foto: Detlef M. Plaisier
Ronya Othmann liest bei Lehmanns. Foto: Detlef M. Plaisier

Ronya Othmann und der Poetenladen fanden durch den Siegerbeitrag des MDR-Literaturwettbewerbes zueinander. „Überraschend klarer Blick für ihr Schreiben“, „bemerkenswerte Dichte“, „feines Gefühl für das blitzende Moment der Metapher“ – mit 23 Jahren hat Ronya Othmann, die am Deutschen Literaturinstitut studiert, schon viel Lob von Juroren gesammelt. „Ich möchte über Themen schreiben, in denen ich mich auskenne.“ Und so ist die Herkunft des Vaters als syrisch-yezidischer Kurde ein „Materialhaufen“ für eigene Texte, ebenso wie die Beschäftigung mit dem Genre Film: „Filmische Bildsprache ist auch Anregung für das Schreiben.“ Was Ronya Othmann beweist, als ich noch einmal ihren Siegerbeitrag „Bleigießen“ höre. Scheinbar Belangloses wird im Stakkato verdichtet, ich schließe die Augen, der Film läuft. Am Schluss des Textes warte ich auf die Fortsetzung, ich mag kein offenes Ende. Ich möchte von Ronya Othmann noch viel mehr hören und lesen.

www.poetenladen.de
poet-magazin.de
poetenladen-der-verlag.de
www.deutsches-literaturinstitut.de/

Brauchen Bücher ein Lektorat?

Die Selfpublishing-Autorin Anja Bagus sorgt für Aufsehen. Ihre provokative These:

Ich weigere mich. Ich bin dagegen, dass ein vorhandenes Lektorat (und am Besten noch ein bezahltes), ein Qualitätskriterium für Bücher ist.

Ein Beitrag, der zur rechten Zeit vor der Leipziger Buchmesse kommt und diskutiert werden sollte. Ich freue mich über Meinungen dazu.

Hier gibt’s den Beitrag in voller Länge:

http://www.anja-bagus.de/2016/01/25/ich-weigere-mich/

Weitere Argumente Pro und Kontra stehen hier:

http://www.vera-nentwich.de/blog/dx/grund-fuer-lektorat.htm

http://fragmentata.blogspot.de/2016/02/hic-sunt-lectores-uber-den-sinn-und.html?m=1

 

Preis der Leipziger Buchmesse: Experiment Bloggerpaten ist zunächst gescheitert

header-3Im vergangenen Jahr waren Blogger erstmals aufgerufen, den Preis der Leipziger Buchmesse zu begleiten. Ausgewählte Literatur- und Buchblogger, so die Idee, sollten ein nominiertes Werk vor Preisvergabe rezensieren und die Besprechung auf ihrem Blog veröffentlichen. Alle fünfzehn nominierten Titel in den Kategorien Belletristik, Sachbuch/Essayistik und Übersetzung wurden von einer Jury an kompetente Blogger vergeben, darunter auch an Szenegrößen wie die kleine literarische Sternwarte von AstroLibrium, brasch & buch und  Buzzaldrins Bücher. Anreize für die Paten waren unter anderem persönliche Einladungen zur feierlichen Eröffnung im Gewandhaus und zur Preisverleihung.

In der Bloggerlounge trafen sich 2015 Nominierte, Preisträger und Rezensenten zu einer Gesprächsrunde. Ich war dabei, und nach meinem Eindruck gab es Zufriedenheit auf beiden Seiten. Trotzdem wird der Versuch nicht fortgeführt. Es wird künftig keine Bloggerpaten mehr geben. Ich habe Julia Lücke, Pressesprecherin der Leipziger Buchmesse, nach den Gründen gefragt.

Blick in die Bloggerlounge 2015. Foto: Detlef M. Plaisier
Blick in die Bloggerlounge 2015. Foto: Detlef M. Plaisier

Das Problem liegt in den Sparten Sachbuch/Essayistik und Übersetzung. Julia Lücke: „Das erfordert viel Hintergrundwissen. Wir hatten im Gespräch mit den Bloggern das Gefühl, dass diese Themen schwer zu betreuen sind.“ Eine Auskoppelung der eher unproblematischen Belletristik sollte es nicht geben: „Wir sehen den Preis als Ganzes“, so Julia Lücke.

Ich habe Verständnis für diese Entscheidung. Essayistik und Übersetzung erfordern tatsächlich mehr Hintergrundwissen, als „einfach nur mal ein Buch zu lesen“. Und meine Bloggerkollegen mögen mich jetzt steinigen: Ich bin im vergangenen Jahr überwiegend jungen Bloggerinnen in der Lounge begegnet. Als ich dann deren Blogs nach der Messe aufrief, war ich oftmals erschrocken über die Handhabung der deutschen Sprache und Grammatik und den allzu lockeren Plauderton, der sich Rezension nannte. Das ist eine andere Liga und würde weder dem Anspruch der Autoren noch der Buchmesse gerecht. So kann ich den Verzicht auf Bloggerpaten nachvollziehen mit der Hoffnung, dass ein überarbeitetes Konzept die Idee neu belebt.

Rezension zu Johannes C. Bockenheimer: Chuzpe, Anarchie und koschere Muslime. Meine Versuche, Israel zu verstehen

Dieses Buch füllt 200 Seiten mit dem Versuch, Israel zu verstehen. Spannend, denke ich mir. Mittlerweile war ich selbst wohl um die zwanzig Mal im Land inklusive der palästinensischen Gebiete, und je mehr Antworten ich auf meine Fragen fand, umso mehr neue Fragen stellten sich ein.

www.randomhouse.de
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Hier nun ebenfalls das Unternehmen, verschiedene Blickwinkel einzubinden: Schriftsteller, Künstler, Politiker, Wirtschaftsleute und Politiker kommen zu Wort. Autor Bockenheimer, seines Zeichens Journalist und eloquent im Umgang mit seinem Instrumentarium, schafft es, Alltägliches in unalltäglicher Perspektive zu beleuchten, die allzu vereinfachenden Antworten dem Gesprächspartner nicht durchgehen zu lassen. Das Buch ist durchaus aus dem Blickwinkel des Verfassers geschrieben; nicht zu uneitel, um seinem Berufsstand gemäß nicht authentisch zu wirken. Immer wieder geht es ihm um das Grundsätzliche: die Ideen Theodor Herzls zum Gebilde, das er den „Judenstaat“ nennt. Davon ausgehend entwirft der Autor seine Bezüge zum gegenwärtigen Unverstehbaren.

Dies gelingt ihm in lesenswerter, unterhaltsamer und gleichzeitig lehrreicher Art und Weise. Herzl, Journalist wie Bockenheimer, wird zum Prüfstein der Gegenüber. Dabei erfahren wir Verstörendes, Unerwartetes wie Erhellendes. Der Plan Herzls, seine kontroverse Diskussion auf den jüdischen Weltkongressen, die damit verbundenen Visionen und Ziele und seine Umsetzung im real existierenden Israel werden im Verlauf der Gesprächsprotokolle immer und immer wieder in stilsicher ausformulierten Denkfiguren gegeneinander gestellt und überprüft.

Dass dies zugleich in einem lockeren Schreibstil daherkommt, beflügelt die schwere Materie des Stoffes. Hier wird auch Demaskierung behutsam ausgeführt, vermisst man nie den Respekt selbst vor den seltsamsten, skurrilsten Ansichten und deren Repräsentanten.

Ob man Israel nach der Lektüre besser versteht? Vielleicht die dort lebenden Menschen. Und dies ist es wert! Eine Entdeckung, die ich der interessierten Leserschaft nur wärmstens empfehlen kann.

Johannes C. Bockenheimer: Chuzpe, Anarchie und koschere Muslime
Pantheon Verlag, 2015
Online bestellen: https://www.buchhandel.de/buch/Chuzpe-Anarchie-und-koschere-Muslime-9783570552766

Rezensent Dr. Thomas Feist, Jahrgang 1965, studierte Musikwissenschaft, Theologie und Soziologie an der Uni Leipzig und promovierte 2005 zum Dr.phil. mit einer Arbeit über „Musik als Kulturfaktor“. In der 18. Legislaturperiode des Deutschen Bundestages vertritt er Leipzig als direkt gewählter Bundestagsabgeordneter der CDU im Wahlkreis 153 Leipzig II. Dr. Thomas Feist ist Mitglied der Deutsch-Israelischen Parlamentariergruppe und seit 2010 Vorsitzender der Deutsch-Israelischen Gesellschaft Leipzig.

Weitere Rezension von Dr. Thomas Feist zu Crippa/Onnis, Wilhelm Brasse – Der Fotograf von Auschwitz hier