Rezensionsreihe Israel zur Leipziger Buchmesse 2015, Teil 7: Jenna Blum, Die uns lieben

Quelle: www.aufbau-verlag.de
Quelle: www.aufbau-verlag.de

Weimar 1939
Bevor sie selbst zu Schachfiguren des Grauens werden, können Anna, Tochter eines inbrünstig heil-hitlernden Vaters, und Max, ein jüdischer Doktor, noch eine Zeit lang spielen. Sie verlieben sich ineinander und zeugen ein Kind: Trudy. Doch Max wird entdeckt und nach Buchenwald deportiert. Um sich selbst und ihre Tochter zu schützen, wird Anna schließlich die Geliebte des Obersturmführers Horst von Steuern, der über Jahre hinweg ihre einzige Bezugsperson darstellt…

50 Jahre später hüllt sich Anna in Schweigen und überlässt Trudy verworrenen Erinnerungsfetzen an ihre früheste Kindheit, aus denen sie nur einen Schluss ziehen kann: Sie ist das Kind eines Nazis.

Authentisch und anschaulich
Wie hätte eine durchschnittliche deutsche Frau den Holocaust erlebt? Wie hätte sie sich verhalten? Was hätte sie empfunden? Diese Fragen stellte sich Jenna Blum, als sie bei einem Besuch Weimars feststellte, wie nah die Stadt am KZ Buchenwald gelegen ist. Die uns lieben ist das Ergebnis dieser Fragen, jahrelanger Recherchen und Interviews mit Zeitzeugen, die die Autorin für Steven Spielbergs „Survivors of the Shoah Foundation“ führen durfte. All das gepaart mit dem exzellenten Schreibstil Blums, der mit genügend bildhaften Detailbeschreibungen arbeitet, um das Buch zum Film, aber nicht zum Hollywoodbuster werden zu lassen, verleiht der Geschichte der Anna ihre Überzeugungskraft.

Those who save us
Annas Drama entspringt auch der Titel des Buches, was jedoch nur im Original deutlich wird (ein kleiner Kritikpunkt – freilich nur an der Übersetzung): Gefragt, ob sie den Nazi, dessen jahrelange Mätresse sie war, geliebt hat, sucht Anna nach Worten und will sagen: We come to love, those who save us. Doch sie schweigt, weil sie nicht weiß, ob sie save (beschützen) oder shame (beschämen) sagen soll.

Die Schuld- und Schamgefühle, welche die Zwangsliaison in ihr ausgelöst hatte, überschatten Annas gesamtes weiteres Leben – und indirekt auch das ihrer Tochter Trudy. Diese versucht 50 Jahre später die Vergangenheit zu ergründen, was dadurch erleichtert wird, dass Trudy mittlerweile Professorin für deutsche Geschichte ist. Ein simpler, gleichwohl genialer Trick der Autorin, welcher ihr gestattet, das Thema des Holocaust sowohl in seiner persönlichen Bedeutung für ihre Protagonisten als auch in seinem generellen Ausmaß dramaturgisch dicht zu beleuchten. Der Perspektivenwechsel – zwischen Anna im braunen Weimar der 1940er und Trudy im kalten Minneapolis der 1990er Jahre – trägt sein Übriges zum Spannungsbogen des Romans bei.

Mein Fazit
Prosa, die die Zeit des Dritten Reichs behandelt, hat mich zu Schulzeiten so sehr verfolgt, dass ich sie irgendwann kategorisch ablehnte. Zu bedrückend. Hätte ich das Buch nicht zum Rezensieren bekommen, hätte ich es daher vermutlich nie gelesen und nie gewusst, was mir dabei entgangen wäre: Eine einfühlsame Charakterstudie, aber vor allem eine überaus spannend und meisterhaft erzählte Geschichte.

Jenna Blum, Die uns lieben
Aufbau Verlag, 2015
Online bestellen: https://www.buchhandel.de/buch/Die-uns-lieben-9783351035884
Autorin der Rezension: Katja Weber

Doppelauftritt: Indonesien als Ehrengast der Frankfurter Buchmesse 2015 auf der #lbm15

image_manager__lightbox_black_logo_goh_indo_fbf_51184Indonesien wird am Stand der Frankfurter Buchmesse während der Buchmesse in Leipzig mit Vertretern der Verlagsbranche und des Buchkomitees sowie Autoren präsent sein. Der Messeauftakt am Donnerstag ist gleichzeitig der Tag von Indonesien.

Nachstehend die Highlights des Programms von Indonesien (mit freundlicher Unterstützung von Litprom). Ort für alle Veranstaltungen: Frankfurt Book Fair / GoH Indonesia Stage, Halle 4, B 401.

An allen vier Messetagen stellt Indonesien Autoren und Literatur des Landes in Kurzpräsentationen vor. Die Termine:

Donnerstag  10:30, 15:00 und 16:00
Freitag  10:30, 15:00, 16:00
Samstag  10:30, 15:00, 16:00
Sonntag  10:30, 11:30, 12:30, 14:00, 15:00, 16:00

Donnerstag, 12. März

15.00 – 15.45 Uhr
Sapardi Djoko Damono: Ein Leben in Lyrik
Anerkannt als ein Meister der Dichtung, hat Sapardi Djoko Damono ein neues Genre in der indonesischen Literatur hervorgebracht. Seine Gedichte werden von Schauspieler und Regisseur Slamet Rahardjo gelesen und von Berthold Damshäuser übersetzt.

Freitag, 13. März

16.00 – 16.45 Uhr
Der Roman The Dancer (Die Tänzerin)
Gespräch mit dem Romanautor Ahmad Tohari über sein Werk Ronggeng Dukuh Paruk, das bekannteste Buch seiner Trilogie Sang Penari (Die Tänzerin).
Mit: Ahmad Tohari
Lesung: Boboy Simanjuntak
Moderation: Berthold Damshäuser

Samstag, 14. März

10.30 – 11.15 Uhr
Meinungsfreiheit in der zeitgenössischen indonesischen Literatur
Die Schriftstellerin Laksmi Pamuntjak, deren Roman Alle Farben Rot dieses Jahr in Deutschland (Ullstein Verlag) erscheint, und der Literaturkritiker Nirwan Dewanto sprechen über den aktuellen Stand der Meinungsfreiheit in Indonesien.
Moderation: Martina Heinschke, Übersetzung: Sabine Müller

14.00 – 14.45 Uhr
Litprom goes Leipzig
Litprom präsentiert den indonesischen Lyriker und Performer Afrizal Malna
Informationen und Details zur Lesung im Veranstaltungskalender
Moderation: Dorothee Keller, Übersetzung: Sabine Müller

15.00 – 15.45 Uhr
Der Roman Alle Farben Rot
Gespräch mit der Romanautorin Laksmi Pamuntjak über ihren neuen Roman Alle Farben Rot (Ullstein).
Deutsche Lesung: Milena Karas, Moderation: Martina Heinschke

Prof. Dr. Martina Heinschke ist Expertin für indonesische Sprache und Literatur und unterrichtet an der Universität Hamburg in der Abteilung für Sprachen und Kulturen Südostasiens.

Sonntag, 15. März

14.00 – 14.45 Uhr
Lyrik und Drama
Diese zwei Literatur-Genres finden zwar im Alltag der indonesischen Gesellschaft regen Anklang, sind jedoch im Buchhandel und in der Übersetzung ein “rares Gut”. Auszüge von Werken der beiden Schriftsteller Goenawan Mohamad und Nirwan Dewanto werden im indonischen Original und in der deutschen Übersetzung gelesen.
Mit: Goenawan Mohamad, Nirwan Dewanto, Berthold Damshäuser
Übersetzung: Sabine Müller

15.00 – 15.45 Uhr
Poetry in Motion – Wasi Bantolo und Ayun Anindita Setyo Wulan
Wasi Bantolo, Choreograf und Tanzlehrer an der ISI Solo, und Ayun Anindita Setyo Wulan, Tänzerin aus Solo, interpretieren Lyrik mit Körpersprache.

Keine Lust auf Bücher? Dann vielleicht auf Erotik?

Ich kenne solche Exemplare nicht, aber es soll Menschen geben, in deren Zuhause sich kein Buch befindet und die ausschließlich die BILD und die Fernsehzeitschrift lesen. Denen schlage ich vor, am Buchmesse-Wochenende das Budget in eine Karte für die Erotikmesse auf der Agra zu investieren. Die Tageskarte kostet 20 Euro. Dafür gibt’s Anregung pur von zarten Dessous bis Leder und Men-Strip. Und das Beste: Wer DschungelNacktrodelKönigin Melanie Müller sehen will, muss sich nicht damit quälen, ihrer Buchvorstellung zuzuhören. Auf der Erotikmesse verspricht ihre Burlesque-Show mindestens ebensoviel Anregung.

Rezension: Jens Steiner, Junger Mann mit unauffälliger Vergangenheit

Hauptpersonen des neuen Buches von Jens Steiner sind die beiden Philosophiestudenten Paul und Magnus. Und die beiden sind genauso, wie man sich Philosophiestudenten so vorstellt. Magnus betrachtet die Welt theoretisch und tut nicht viel. Paul wiederum betrachtet das Leben und sein Studium mit zynischer Distanz, tut ansonsten auch nicht viel, trauert seiner alten Flamme hinterher und interessiert sich für die neue Mieterin im Stockwerk über ihm. So gut, so langweilig.

Quelle: www.doerlemann.com
Quelle: www.doerlemann.com

Der Anschlag, der keiner ist
Eines Tages beschließen Paul und Magnus, beim Vortrag des Medienzars Kudelka in der Uni eine Störaktion zu starten – der Klappentext nennt es überzogen einen Anschlag. Darunter stelle ich mir als Leserin mindestens eine Bombe vor, aber bestimmt keine eingespielte Tonbandaufnahme. Danach schmeißen die beiden ihr Studium und entwickeln wirre Philosophien, denen ich als Leserin nicht mal ansatzweise folgen kann. Okay, wenige gute Ansätze gibt es, etwa wenn der Autor seinen Helden darüber philosophieren lässt, ob wir Menschen wirklich so frei sind, wie wir immer glauben. Diese Ansätze sind leider nur ein kurzes Aufleuchten, das schnell wieder verglüht. Genauso wie Magnus, der irgendwann ohne Erklärung aus der Erzählung verschwindet.

Schwache Handlung
Im Verlauf der Handlung wird Kudelka schließlich entführt und Paul wird als Entführer gesucht. Was sich nun zu einem spannenden Kriminalstück entwickeln könnte, endet leider so, wie die Philosophien von Paul und Magnus – ziemlich wirr. Plötzlich taucht ein Homunkulus auf. Nach einer Philosophie von Magnus ist dies eine kleine Gestalt, die bei jedem von uns hinter der Stirn sitzt und darüber entscheidet, was wir sehen. Eigentlich eine witzige Idee. Als Leserin vergeht mir allerdings schnell die Lust, diese Idee weiterzuspinnen, denn der Homunkulus ist eine absolut lächerliche Figur mit Zwergenbart und Rotznase, der mindestens so wirr ist wie die Geschichte, in der er auftaucht. Genauso wenig kann ich den Mann auf dem Dach ernst nehmen, der sich bei der Flucht von Paul als Sphinx geriert und wirre Geschichten über seinen Sohn erzählt, die mit der Handlung so gar nichts zu tun haben.

Fazit: Nicht empfehlenswert
Eine Leseempfehlung für dieses Buch kann ich als Leserin nicht aussprechen. Ganz offen: Es ist so ziemlich das Fürchterlichste, was ich in den letzten Jahren gelesen habe. Spätestens nach Seite 10 habe ich mich gequält. Der Geschichte fehlt ein roter Faden, der Inhalt ist ein absolutes Durcheinander und das Ende ist noch weniger sinnvoll als die Handlung an sich. Wer unterhaltsam über philosophische Fragen nachdenken will, der sollte definitiv ein andres Buch wählen. Vielleicht fehlt mir einfach nur Schweizer Humor.

Jens Steiner, Junger Mann mit unauffälliger Vergangenheit
Dörlemann Verlag AG, Zürich, 2015
Online bestellen: https://www.buchhandel.de/buch/Junger-Mann-mit-unauffaelliger-Vergangen-9783038200154
Link zum Autor: http://www.jenssteiner.ch/
Autorin der Rezension: Yvonne Giebels

Rezension: Patrick Modiano, Ein so junger Hund. Kurze Belichtung. Große Blende.

Normalerweise gelten bei der Wahl des Lesestoffs für mich zwei ziemlich rigorose Ausschlusskriterien: kein Buch aus den Top Ten der Bestsellerlisten – und, von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen, auch kein Autor (oder Autorin) mit Nobelpreis in seiner Biografie. Hier kommt also ein Sonderfall zur Besprechung, zumindest nach den Maßstäben meines zweiten Grundsatzes: ein über 20 Jahre alter Roman des aktuellen Literaturnobelpreisträgers Patrick Modiano.

Nun wird Modiano spätestens seit seinem eher plötzlichen Ruhm hierzulande gern unterstellt, er schreibe eigentlich immer das gleiche Buch bzw. behandele nur ein einziges Sujet in seinen Geschichten: Das Erinnern an eine Vergangenheit, die womöglich ganz andere oder weitere Untiefen beinhaltet, als bislang gedacht oder eingestanden. Ob das wirklich für sein ganzes Werk zutrifft, kann ich nicht beurteilen. Bei „Ein so junger Hund“ trifft diese Diagnose im Großen und Ganzen zu.

Quelle: www.lovelybooks.de
Quelle: www.lovelybooks.de

Die rund 100 Seiten starke Erzählung erschien 1993 und blickt aus der Perspektive dieses Jahres ins Paris von 1964 zurück. Der Erzähler saß damals mit seiner Freundin in einem Café und wurde von einem Fotografen mit der Bitte angesprochen, sich als Motiv für seine Reportage „Jugend von Paris“ ablichten zu lassen. Aus der Begegnung entwickelt sich rasch eine Bekanntschaft, die in ihrer Intensität allerdings recht einseitig verläuft. Über den Hintergrund des erzählenden Helden erfährt man sehr wenig – dafür wird der Fotograf Francis Jansen mit einer (komplett erfundenen) beeindruckenden Biografie versehen. Und zwar so detailliert und schillernd, dass ich den Namen sogar bei Google gesucht habe. Vergeblich natürlich. Jansen ist im Roman u.a. ein Weggefährte von Robert Capa, hat bedeutende Bildbände und Reportagen veröffentlicht… und der Leser erhält detaillierte Bildbeschreibungen von Fotos, die niemals gemacht wurden. Dazu erfährt man exakte Adressen und Telefonnummern von Personen, die nie gelebt haben. Auch der Erzähler wäre sicher froh gewesen, seinerzeit über eine Suchmaschine verfügt zu haben, begibt er sich doch im Lauf der Jahre immer wieder auf die Recherche nach Kontaktaktpersonen aus dem Umfeld des Fotografen. Denn der Held des Romans dient sich Jansen nicht nur als unbezahlter Archivar der großen Fotosammlung an – eines Tages verschwindet der Fotograf auch spurlos. Wobei mögliche Gründe dafür und ein geheimnisvoller Namensdoppelgänger eher eine Art von „Hintergrundstrahlung“ der Handlung abgeben.

In der Hauptsache behandelt der Roman nämlich die Befindlichkeiten des Erzählers. Seine Rückblicke auf die Jugend als „junger Hund“. Seine von Jansen wesentlich beeinflusste Entscheidung, Schriftsteller zu werden. Seine sentimentalen Erinnerungen an eine vergangene Zeit, die Fotos zwar evozieren, aber niemals ersetzen können. Das Ganze getragen vom melancholischen Ton des Ich-Erzählers, der aber durch die schriftstellerische Souveränität Modianos nie ins Peinliche abgleitet. Und ein in der Literaturkritik zu Modiano oft erwähntes Phänomen ist schon richtig: Er erschafft bereits mit dem ersten Satz eine zwar leichte, aber auch konsequente Atmosphäre, die den Leser in einen sehr speziellen Flow versetzt. Charaktere und Szenen erscheinen hier trotz sparsamer Beschreibung fast schon holografisch präsent. Womit das zentrale Thema „Foto“ auch um mindestens eine Dimension bereichert wäre.

Ob’s mir gefallen hat? Der Plot der Geschichte ist eher unbedeutend. Die Kunst des Schreibens an sich zeigt sich hier allerdings auf sehr hohem Niveau. Insofern: Ja.

Patrick Modiano, Ein so junger Hund
Aufbau Verlag, 2014
Online bestellen: https://www.buchhandel.de/buch/Ein-so-junger-Hund-9783351036096
Autor der Rezension: Harald Wurst | ph1.de

Rezension: Alexandra Friedmann, Besserland

Alexandra Friedmann wurde in Weißrussland geboren, bevor ihre Familie nach Europa übersiedelte. Die Autorin weiß, wovon sie spricht, wenn sie die Geschichte ihres Landes in den 1980er Jahren und die damit verbundenen Ängste, Nöte und Hoffnungen ihrer Landsleute erzählt. Dabei ist „Besserland“ ein Buch, das aktueller nicht sein könnte: Die laufenden Debatten um Russland, Migration und Integration schlagen hohe Wellen. Da ist es wichtig, verschiedene Perspektiven kennenzulernen, um sich eine solide Übersicht zu verschaffen und für die Bedürfnisse anderer Menschen offen sein zu können. Dieses Buch hat sicherlich das Potenzial, unser Verständnis für russische Auswanderer zu stärken.

Quelle: www.ullsteinbuchverlage.de
Quelle: ullsteinbuchverlage.de

Der Beginn einer großen Reise
Russland im Jahr 1987: Edik und Lena, die Eltern der fünfjährigen Sanja, wollen nach Amerika auswandern, um dort ein besseres Leben zu beginnen – fern von Armut, sozialen Ängsten, politischen Konflikten und schließlich auch weit weg von den Auswirkungen des in Tschernobyl explodierten Reaktors. Doch im Verlauf ihrer Reise beschließt die Familie, sich im viel näheren Deutschland niederzulassen, einem verheißungsvollen Land, in dem sie sich ebenfalls einen gelungenen Neuanfang vorstellen können. Der gutmütige Erik und die ambitionierte Lena, eine erfolgreiche Bauzeichnerin, müssen sich auf eine trickreiche Ausreise einlassen, die oft von anderen gesteuert wird. Dann gilt es für sie, Sprachbarrieren und kulturelle Unterschiede zu bekämpfen und mit den beengten Situationen in Asylheimen sowie den neuen Putzjobs zurechtzukommen. Doch vor allen Dingen müssen sie innerlich mit ihrer weitreichenden Entscheidung zurechtkommen. Letzteres fällt besonders Lena schwer, doch am Ende des Romans – und nachdem weitere Familienmitglieder ihnen gefolgt sind – ist Sanjas Familie auch mit dem Herzen in ihrer neuen Heimat angekommen.

Ein Hindernisparcours literarischer Art
Das Buch blieb leider weit hinter meinen Erwartungen zurück. Meine Begeisterung über den spannenden Inhalt wurde dadurch getrübt, dass Alexandra Friedmann vermeintlich witzige Wortspielereien, Satzkonstruktionen und Fingerzeige in ihr Werk einfließen lässt, die für mich nach der jeweils dritten Variante aufgrund der hohen Abnutzung deutlich an Charme verlieren. Noch bedauerlicher: Sie reißen mich als Leser immer wieder aus dem Inhalt. Gleichzeitig skizziert sie ihre Figuren recht oberflächlich, so erscheinen Sanja, Erik und Lena und all die anderen potentiell spannenden Figuren allzu blass. Zahlreiche in die Vergangenheit zurückblickende Anekdoten, die mitten in die gegenwärtige Handlung eingefügt wurden, sollen den Personen zwar mehr Tiefe verleihen, doch bleibt mir alles einfach zu glatt und rund: Der Vater ist durchgehend nett, die Mutter zerrissen zwischen dem alten und dem neuen Leben – das sind mir zu wenige Attribute, um Lenas anfängliche Trauer um ihre Ausreise wirklich packend mitzuerleben. Zudem unterbrechen die zahlreichen Erzählungen genau wie die ambitionierte Wortakrobatik den Fluss der Geschichte – was mehr als schade ist.

Aus der Sicht eines Kindes
Die größte Schwäche von „Besserland“ liegt nach meiner Auffassung in der Perspektive des Buches. An ihre eigene Biographie angelehnt erzählt die Autorin die Geschichte mit den Augen der fünfjährigen Sanja. Dabei vermischt Alexandra Friedmann die Sichtweisen immer wieder. So berichtet sie von Handlungen, Gefühlen und Gedanken anderer, die das Kind Sanja aber noch gar nicht kennen kann. Allenfalls in einer deutlich als Rückblick gekennzeichneten Geschichte hätte eine erwachsene Sanja diese Begebenheiten hören und wiedergeben können. Durch die Auswahl dieser Perspektive entwickelt sich für mich als Leser leider ein unglaubwürdiger, weil unlogisch konstruierter Abriss einer eigentlich sehr interessanten Geschichte.

Mein Fazit
Das Gute zuerst: Meine Kenntnisse über die russische Geschichte sind wirklich begrenzt und ich habe mich dahingehend von der Autorin tatsächlich „abgeholt“ gefühlt. Doch nun der bittere Nachgang: Alexandra Friedmann zieht all ihre Schreibkunstregister und will offensichtlich alles geben für diese Geschichte, die für sie selbst so emotional aufgeladen ist. Ich weiß jetzt, dass die Autorin wirklich schreiben kann – doch schießt sie weit über das Ziel hinaus, da das Gesamtbild ihres Werks an so vielen Stellen so gar nicht zusammenpassen will. Ich wünsche Frau Friedmann, dass sie ihre wunderbaren Ideen zukünftig gelungener umsetzen kann.

Alexandra Friedmann, Besserland
Graf Verlag, 2014
Online bestellen: https://www.buchhandel.de/buch/Besserland-9783862200528
Link zur Autorin: http://www.alexandra-friedmann.com
Autorin der Rezension: Kathrin Demuth

Rezensionsreihe Israel zur Leipziger Buchmesse 2015, Teil 6: Meir Shalev, Zwei Bärinnen

Eigentlich möchte die Historikerin Warda nur ein Buch über die erste jüdische Besiedlungswelle vor der Gründung des Staates Israel schreiben. Dafür interviewt sie Menschen wie die Lehrerin Ruth, welche diese Zeit zumindest noch vom Hörensagen her kennen. Ruth Familie lebt seit drei Generationen in einem Dorf im Norden Israels. Ihre Geschichte ist aber komplett anders, als es die Historikerin erwartet hatte. Die Familiengeschichte mutet eher als eine parabelhafte Tragödie biblischen Ausmaßes an, geprägt von Leidenschaft, Untreue, Verlust, animalischer Rache und Sühne.

Quelle: diogenes.tumblr.com
Quelle: diogenes.tumblr.com

Alles, was ein Mann braucht
Als Ruths Großvater Seev Ende der 1920er aus Galiläa aufbricht, um in Palästina sein Glück zu finden, geben ihm die Eltern alles mit, was ein Mann zur Ansiedlung braucht: ein Gewehr, eine Kuh, einen Baum und eine Frau. Gemeinsam mit seinem Freund Nachum gründet er einen Moschaw, einen genossenschaftlich geführten Hof. Obwohl sich Seev redlich müht, bleibt er zunächst als Gärtner erfolglos. Um das Unglück perfekt zu machen, ist er in den ersten Jahren seiner Ehe auch noch impotent. Seevs Frau betrügt ihn mit Nachum und wird schwanger. Daraufhin bringt Seev Nachum um, lässt die Tat jedoch als Selbstmord erscheinen, weil sich im Dorf zuvor schon zwei Bauern umgebracht hatten. Das Neugeborene lässt er in der Wildnis verhungern. Nun beginnt eine Spirale der Gewalt, die wie ein Fluch über Ruths Familie zu liegen scheint. Der Fluch ist erst gebannt, als Seev selbst durch die Hand von Banditen in der Wüste stirbt.

Meisterhaft erzählt
Meir Shalev beweist mit „Zwei Bärinnen“, dass er zu Recht als einer der großen Erzähler Israels gilt. Er erzählt nicht chronologisch, sondern der Leser muss den Handlungsfaden selbst aus verschiedenen Facetten zusammensetzen. Shalev bedient sich hierfür der Erzählweise älterer Menschen, die ihren Enkeln das Vermächtnis ihres Lebens mitgeben. Die leichte, phasenweise amüsante Entwicklung der Geschichte ließ mich oft schmunzeln.

Mein Fazit
Zwei Bärinnen ist eine rundum gelungene Familiensaga, in der zwischenmenschliche Tragödien statt politischer Ereignisse im Vordergrund stehen. Zum besseren Verständnis sollte sich der Leser zumindest für die jüngere Geschichte des Nahen Ostens interessieren. Auch der Stil, wie Meir Shalev seine Geschichte entwickelt, ist auf den ersten Seiten gewöhnungsbedürftig, hebt sich aber wohltuend vom Mainstream ab. Lesen!

Meir Shalev, Zwei Bärinnen
Diogenes, 2014
Online bestellen: https://www.buchhandel.de/buch/Zwei-Baerinnen-9783257069112
Autor der Rezension: Harry Pfliegl

Kurzrezension: Berberich/Klampfer, Da kotzt das Texterherz

Wer aufmerksam durch jede beliebige Stadt geht, dürfte sich mancherorts ein Schmunzeln kaum verkneifen können: So manches Unternehmen, das auf die eigenen Produkte und Dienstleistungen aufmerksam machen will, fällt durch zu kreativen Umgang mit der deutschen Sprache auf. Nicht minder oft schleichen sich peinliche Rechtschreibfehler ein, die Produkte und Speisekarten eher zur Lachnummer werden lassen, als dass sie zum Kauf animieren.

Quelle: www.m-vg.de
Quelle: www.m-vg.de

Derartige absichtliche und unbeabsichtigte Peinlichkeiten werden in der Facebook-Gruppe „Da kotzt das Texterherz“ gesammelt. Besondere Bonmots aus dem Alltag, garniert mit oft witzigen, oft süffisanten und oft dummen Kommentaren der Mitglieder haben die beiden Gruppen-Admins Peter Berberich und Edda Klampferer gesammelt.

Nette Idee aber…

Entstanden ist ein Buch, das den Leser an vielen Stellen lauthals lachen und Liebhabern der deutschen Sprache die Haare zu Berge stehen lässt. Allerdings bleibt ein bitterer Beigeschmack zurück: Die beiden Admins haben das Buch offensichtlich zusammengestellt, ohne die Gruppenmitglieder vorab darüber zu informieren. Zwar ist es Teil der Gruppenbedingungen, dass die Beiträge anderweitig genutzt werden können. Bei Publikation des Buches fühlten sich viele Mitglieder überfahren. Die beiden Herausgeber haben sich durch ihre Vorgehensweise einen prächtigen Shitstorm an die Backe organisiert, der sich hätte vermeiden lassen.

Berberich/Klampfer, Da kotzt das Texterherz
Riva Verlag, 2015
Online bestellen: https://www.buchhandel.de/buch/Da-kotzt-das-Texterherz-9783868835199
Autor der Rezension: Harry Pfliegl

Nachtrag 01.03.2015

Der Autor hat inzwischen eine Liste mit den verwendeten Bildern und den Einsendern zur Verfügung gestellt.

Fotoshooting für Autoren auf der #lbm15

Fotografin Birgit Cathrin Duval. Quelle: www.literaturcafe.de
Fotografin Birgit Cathrin Duval mit ihrer Ausrüstung. Quelle: www.literaturcafe.de

Was ist unerlässlich für den Erfolg eines Buches? Ein talentierter Autor. Ein sensibler Lektor. Und was oft vergessen wird: Ein ausgesuchtes Autorenfoto. Warum das so wichtig ist, erläutert die preisgekrönte Fotografin Birgit-Cathrin Duval im Rahmen der Leipziger Autorenrunde. Gleichzeitig bietet sie alle vier Tage ein professionelles Fotoshooting für Autorinnen und Autoren an, egal ob Self-Publisher oder Verlagsautor (Halle 5 B419). Das Beste: Die Sitzung ist kostenlos, das Foto darf kostenfrei für die eigene Website genutzt werden.

Für die Aufnahmen sollten Sie ca. eine halbe Stunde Zeit mitbringen. Das Shooting ist vom Messetrubel abgeschirmt. Im letzten Jahr wurde die Fotografin vom Ansturm überrollt. Deswegen kann in diesem Jahr eine Portrait-Session nur mit Voranmeldung garantiert werden.

Damit Sie schon mal ein Gefühl dafür bekommen, was aus der Zusammenarbeit entsteht: Hier sind die Fotos von 2014. Und hier geht’s zur Anmeldung – schnell buchen!

Einen Tag Handwerk und Marketing: Die Leipziger Autorenrunde

indexDie Leipziger Autorenrunde (#lar15) findet dieses Jahr zum dritten Mal statt und greift das ganze Spektrum der für die Autorentätigkeit relevanten Themen auf – vom Schreib-Handwerk über die erfolgreiche Vermarktung bis hin zu gestalterischen und rechtlichen Fragen.

Blick in eine Tischrunde während der Leipziger Autorenrunde 2014 (Verwendung mit Genehmigung von Leander Wattig)
Blick in eine Tischrunde während der Leipziger Autorenrunde 2014 (Verwendung mit Genehmigung von Leander Wattig)

Am Messesamstag heißt es: dazusetzen und gemeinsam diskutieren! Das Prinzip ist einfach und gewinnbringend:

  • 1 Referent pro Runde
  • 18 simultan laufende Runden
  • ca. 8 bis 12 Teilnehmer pro Runde
  • Gesamtdauer einer Runde: 45 Minuten
  • kurze Vorstellung der Teilnehmer
  • ca. 15 Minuten Kurzvortrag
  • ca. 30 Minuten moderiertes Gespräch mit Fragen und Diskussion
  • Wechseln der Tische durch die Teilnehmer ist auch während der Runden erlaubt

Einige der spannenden Themen:

  • Kritik und Rezensionen – was bringt das?
  • Wie bringe ich mehr Gefühl in meine Texte?
  • Pseudoverlage als Fallen im Literaturbetrieb

Referenten sind unter anderem bekannte Verlags- und Indie-Autoren wie Zoë Beck und Katja Piel, Fachexperten wie Selfpublishing-Papst Matthias Matting (Self-Publisher-Bibel) und Rechtsanwalt Tobias Kiwitt (Bundesverband junger Autoren und Autorinnen BVjA) sowie Verlagsleute wie eBook-Verlegerin Christiane Frohmann (Frohmann Verlag) und Karla Paul, Leiterin für Digitales Publizieren im Hoffmann und Campe Verlag.

Die Leipziger Runde richtet sich an Autoren aller Art und aller Genres: Autoren klassischer und neuer Verlage, etablierte und Jungautoren, Self-Publisher, Blogger, Texter und Publizisten sind gleichermaßen willkommen.

Kopf hinter der Leipziger Autorenrunde ist der bundesweit aktive Blogger und Speaker Leander Wattig (#pubnpub, Ich mach was mit Büchern, Virenschleuder-Preis, Electric Book Fair, ex Iron Buchblogger). Als Kooperationspartner wirkt der Verband Deutscher Schriftsteller VS mit. Gesponsert wird die Leipziger Autorenrunde vom Goldmann Verlag, Heyne Verlag, Textmanufaktur, uschtrin, Books on Demand und Open Publishing.

Es sind noch wenige Plätze frei. Programm und Anmeldung hier.