Rezension: Daniel Hoch, Aufschieberitis® – Die Volkskrankheit Nr. 1

Verschieben Sie unangenehme Aufgaben auch immer wieder? Haben Sie sich trotz Unzufriedenheit in ihrer Komfortzone eingeigelt? Dieses Buch versucht zu helfen…

Zum Autor
Daniel Hoch hat sich als Unternehmensberater und im Coaching zu Körpersprache, Zeit- und Stressmanagement einen Namen gemacht. Er wird in dieser Funktion regelmäßig von Firmen, Radio- und TV-Sendern zu Rate gezogen. Seit 2009 setzt sich der Leipziger mit der Thematik der Prokrastination und möglichen Lösungswegen auseinander.

Von Motivation und Ausrede

Quelle: www.danielhoch.com
Quelle: www.danielhoch.com

Nach „TUN – Erfolgsrezepte gegen die Epidemie Aufschieberitis“ widmet sich Hoch zum zweiten Mal der Bummelei im Berufs- und Alltagsleben und erklärt den Sachverhalt kurzerhand zur Volkskrankheit. Unterstützung für das Vorwort liefert ihm die Handballspielerin Katja Schülke, die als Leistungssportlerin im Umgang mit Sieg und Niederlage vertraut ist – und vor allem damit, wie man Motivation aufbaut.

Bevor Lösungsstrategien gegen das krankhafte Vertagen wichtiger Aufgaben besprochen werden, beleuchtet Hoch zunächst die Problematik von Gewohnheit und notwendiger Veränderung: Am Anfang steht die Selbsterkenntnis. Denn oftmals ist die Aufschieberitis ein Symptom innerer Unzufriedenheit und kann langfristig schwere Folgen haben – von sinnlosen Überstunden bis hin zu ernsten gesundheitlichen Beschwerden.

Hoch regt dazu an, eigene Handlungsmuster zu analysieren. Die Aufschieberitis, so Hoch, würde vor allem durch Erziehung und Peer-Groups geprägt, indem sie die individuelle Moralvorstellung formen, die wiederum vorgefasste Meinungen, die „Glaubenssätze“, bedingen. Gerade diese stünden als Vorurteile der Verwirklichung unserer Ziele im Weg, hinderten uns am Handeln. Um Raum für die notwendige Besserung zu schaffen, empfiehlt der Autor, sich der eigenen Träume und Kapazitäten bewusst zu werden und die eigenen Motive zu hinterfragen. Dann endlich gibt Hoch seine Strategien gegen die „Volkskrankheit Nr. 1“ preis, gibt Tipps für mehr Motivation und weniger Ausreden.

„Ordnung ist das halbe Leben …“
Durch den recht eingängigen Titel und den Teaser hat sich Daniel Hoch ein großes Ziel gesteckt: Das Buch soll sowohl erzählendes Sachbuch, als auch Ratgeber sein. Indem die Sprache aber eher der Niederschrift eines Vortrages gleicht, stürzt dieses Konzept in sich zusammen. Obwohl der Leser selbst direkt angesprochen wird, bleibt die Interaktion an vielen Stellen durch plakative Beispiele, deren fehlende Stringenz und allgemeine Phrasen auf der Strecke. Studien werden zwar angesprochen, aber nicht ausreichend belegt. Der Autor umreißt das Thema auf den wenigen Seiten nur oberflächlich. Der Prokrastination werden aber am Ende solide Lösungsstrategien entgegengesetzt, die sich bereits im Projektmanagement bewährt haben.

Mein Fazit
Mir hat an vielen Punkten eine tiefere Auseinandersetzung bzw. genauere Erklärung gefehlt. (Wo liegt denn nun der Unterschied zwischen „dringend“ und „wichtig“?) Auch wenn das Buch keine Heilung liefert, so stellt es immerhin eine erste Diagnose.

Daniel Hoch, Aufschieberitis® – Die Volkskrankheit Nr. 1
Online bestellen: http://www.dievolkskrankheit.de/de/buchung/index.html
Autorin der Rezension: Jasmin Beer

Speeddating auf der Leipziger Buchmesse

Ja, und auch hier geht es ums Verkuppeln. Am Messesonntag heißt es von 11 bis 12.30 Uhr in Halle 5 D 600 (Fachforum) „Meet & Greet“. Zusammen kommen Autorinnen und Autoren, Verlage und Literaturagenten. Organisiert hat diesen Premieren-Event der Bundesverband junger Autoren und Autorinnen (BVjA) als Ergänzung zur Leipziger Autorenrunde.

Beide Seiten werden die Möglichkeit haben, sich in siebenminütigen Sessions persönlich kennenzulernen. Nach sieben Minuten wechseln die Autoren ihre Plätze.  So entstehen bis zu zehn neue Bekanntschaften.

Teilnehmen an der Veranstaltung “Meet & Greet” können nur seriös arbeitende Verlage und Literaturagenten auf dem Gebiet der Belletristik. Druckkostenzuschussverlage, Pseudoverlage und Agenten, die sich im Vorfeld von Autoren bezahlen lassen, sind nicht zugelassen.

http://date-deinen-verlag.de

Rezension: Kate Bethune, Das kleine Buch vom Heiraten

Rosaroter Zitatenschatz für nervöse Bräute

Heiraten ist eine Wissenschaft für sich. Das wird jedem klar, der „Das kleine Buch vom Heiraten“ von Kate Bethune in Händen hält. Auf 144 Seiten, liebevoll in rosa Leinen gebunden, versammelt die Engländerin viel Wissenswertes über das Ausrichten der Feierlichkeiten zum Bund fürs Leben. Alphabetisch. Anders ist dem Wirrwarr an Dingen, die gekauft werden wollen, anscheinend nicht beizukommen.

Quelle: www.edel.com
Quelle: www.edel.com

Bethune hat sich viel Arbeit gemacht, indem sie die historischen Zusammenhänge hinter unseren heutigen Sitten und Gebräuchen erforschte und zusammen trug. Nicht viele wissen wohl, dass Brautkleider erst seit dem 19. Jahrhundert traditionell weiß sind. Genauer gesagt, seitdem die englische Königin Victoria 1840 ihren Prinzen Albert von Sachsen-Coburg und Gotha ehelichte. Sie ist die Trendsetterin, der wir noch heute folgen, wenn Bräute in jungfräulichem Weiß vor den Altar treten.

Kate Bethune bietet einen kurzweiligen Abriss darüber, wie eine Hochzeit nach eigenen Vorstellungen zu gestalten ist. Doch leider auch nicht mehr. Wer Ratschläge oder Anekdoten zum Eheleben erwartet hatte, wird enttäuscht. Und leider vergibt Bethunes Verlag hier eine große Chance. Denn so hübsch das hochwertig verarbeitete Buch auch anzusehen und in die Hand zu nehmen ist, so bietet es doch nur dünnen Inhalt. Selbst auf ihr Kernthema Mode – Bethune ist Modekuratorin – geht die Autorin zu wenig ein. Zwar bespricht sie die einzelnen Kleidungsstücke, doch worauf man bei der Auswahl achten muss, das kommt zu kurz. Und so bleibt das Buch selbst für Heiratswillige nur ein Lektüre-Anfang. Auch wenn es tiefer in die Kulturhistorie eintaucht als Zeitschriften zum Thema, so bleibt es doch an der Oberfläche, wenn es um das Ausrichten einer Hochzeit geht.

Es eignet sich trotzdem. Als Geschenk für Frischverlobte zum Beispiel. Oder als augenzwinkernder Denkanstoß für Langverlobte. Für alle gibt Kate Bethune wenigstens einen essentiellen Ratschlag, entnommen aus dem so betitelten kleinen Buch der Ehesünden von 1913: „So viele Frauen verwenden ihre ganze künstlerische Energie aufs Heiraten, was alles in allem eine relativ unkomplizierte Angelegenheit ist. Verheiratet zu bleiben, ist das wahre Kunststück…“

Kate Bethune, Das kleine Buch vom Heiraten
Eden Books, 2015
Online bestellen: https://www.buchhandel.de/buch/Das-kleine-Buch-vom-Heiraten-9783944296593
Autorin der Rezension: Eva Maria Kasimir

Rezensionsreihe Israel zur Leipziger Buchmesse 2015, Teil 5: André Herzberg, Alle Nähe fern

André Herzberg (Jahrgang 1955) ist Musiker, Sänger, Schauspieler, Moderator und Autor. Er stammt aus einer „streng kommunistischen“ (Vita) jüdischen Familie. 2000 erschien sein erster Erzählband Geschichten aus dem Bett. 2004 wurde sein autobiografischer Roman Mosaik veröffentlicht.

Quelle: www.ullsteinbuchverlage.de
Quelle: www.ullsteinbuchverlage.de

Startschwierigkeiten
Das Buch ist in jeder Hinsicht ungewöhnlich. Die ersten Seiten lassen noch keine wirkliche Lesefreude aufkommen. Ich kämpfe damit, dass das Buch im Präsens geschrieben ist. Es fällt mir dadurch deutlich schwerer, mich in die Vergangenheit zu versetzen. Allerdings bekommt das Buch dadurch auch eine gewisse Schnelligkeit. Dazu tragen auch die kurzen und knappen Kapitel bei, die von einer ungeheuerlichen Intensität sind. André Herzberg baut mit nur wenigen, aber intensiven Worten eine Dramatik auf, die mich dann doch fesselt.

Blankes Entsetzen
„Man wird ihnen sagen, sie sollten duschen. Nachher wird man verwerten, was von toten Körpern nützlich ist. Haare, Goldzähne, eben alles was noch zu gebrauchen ist.“ Mir laufen eiskalte Schauer über den Rücken, als André Herzberg trocken, unterkühlt und doch so erschreckend real die Konzentrationslager beschreibt. Jeder Satz klingt, als spräche man nicht über Menschen, sondern über unbrauchbare Dinge, die man einfach entsorgt. An dieser Stelle fesselt mich das Buch, es nimmt mich geradezu ein. Ich muss an das Konzentrationslager von Dachau denken, dass ich vor einigen Jahren besucht habe.

Im Eiltempo durch das Jahrhundert
André Herzberg führt seine Leser mit einer deutsch-jüdischen Familiengeschichte temporeich durch mehr als ein Jahrhundert deutscher Geschichte – drei Generationen, zwei Weltkriege, zwei Diktaturen. Der Bogen wird gespannt von den Schiffen der Cunard Reederei auf ihrem Weg nach New York, etwa um 1910 bis 1912, bis zum Fall der Mauer. Wie schwergewichtig die Ereignisse auch sein mögen, André Herzberg erzählt sie unterkühlt, fast schon nebenbei, als sei er nur ein neutraler Beobachter. Dabei haben die Geschehnisse während der NS-Zeit wesentlich stärker auf mich gewirkt als die neuere deutsche Geschichte.

Die Erzählkunst von André Herzberg kann darauf verzichten, Jahreszahlen oder Daten aufzulisten. Mit nur wenigen Andeutungen weiß der Leser, welche politischen Ereignisse bevorstehen und an welchen Orten er sich befindet. Ich habe beim Lesen von meinen vielen Reisen profitiert. Ich kenne Israel, Kapstadt und das jüdische Viertel von New York. So bekam der Text für mich noch einen besonderen Reiz.

Mein Fazit
Ein temporeiches Buch, das nach den ersten Kapiteln an Fahrt aufnimmt. Ich empfehle es weiter. Einziges Manko: Ich hätte mir etwas mehr „Auseinandersetzung“ zwischen Juden und Deutschen gewünscht. Manche Ereignisse werden zu schnell erzählt und enden zu abrupt.

André Herzberg, Alle Nähe fern
Ullstein Hardcover, 2015
Online bestellen: https://www.buchhandel.de/buch/Alle-Naehe-fern-9783550080562
Link zum Autor: www.andreherzberg.de
Autorin der Rezension: Carina Tietz
www.carina-tietz.de/

Persönliche Begegnung: Die Nominierten für den Preis der Leipziger Buchmesse

bild170568_v-standard169_zc-c9ec17faEs ist gute Tradition: An zwei Sonntagen stellt MDR FIGARO im Lesecafé die Nominierten der Leipziger Buchmesse in Gespräch und Lesung vor. Zum ersten Durchgang 2015 waren die Stühle in der Veranstaltungstonne der Moritzbastei voll besetzt. Der Zufall wollte es, dass die drei nominierten Herren Norbert Scheuer, Jan Wagner und Michael Wildenhain den Auftakt bestritten. Sie kamen gemeinsam, mit Rucksack und Rollkoffer, gewandet in Jeans, Rolli und Sportschuhen, wie zu einem Besuch bei guten Freunden. Am Lesetisch dann dreimal Brille, zweimal Wasser, einmal Wein. Dies sind meine Eindrücke:

scheuerNorbert Scheuer kennt die Ungewissheit der Nominierten: 2009 stand sein Roman „Überm Rauschen“ auf der Shortlist des Deutschen Buchpreises. Er relativiert die Entscheidung einer Jury: „Das ist in gewisser Weise auch willkürlich. Ganz wunderbare Werke stehen durch irgendeinen Zufall nicht auf der Liste.“ Wenn Norbert Scheuer recherchiert, ist sein Radius beschränkt: Er bleibt in der Eifel. Immer. Warum? „Hier kenne ich mich aus. Ich muss nicht weit weg. Hier ist alles zu finden.“ So auch in Kall in der Nordeifel, laut Zensus ausgewiesen mit knapp 11.200 Einwohnern. Im einzigen Café des Ortes fiel Norbert Scheuer ein Stammgast auf, ein junger Mann mit zerrissenem Armeeparka, der immer seine Vierzehenschildkröte mitbrachte. Scheuer sprach ihn an, hörte ihm zu. So entstand die Geschichte eines Soldaten, der als Sanitäter nach Afghanistan gegangen war und der Unbarmherzigkeit des Krieges seine Liebe zu Vögeln entgegengesetzt hatte. Praktisch, dass Norbert Scheuer der Vogelwelt selbst verbunden ist. Das Buch ist zudem illustriert mit Aquarellen seines Sohnes. Die Verbindung der Gefängniswelt des Lagers mit dem freien Flug der Vögel habe sich beim Schreiben von selbst gefügt, sagt Schauer. Als Kind von Gastwirtseltern liegen ihm Geschichten im Blut. Er ist sicher: „Lasst uns jeden Tag erzählen. Geschichten werden das einzige sein, was von  uns bleibt.“

Entspannt: Michael Wildenhain (links) und Jan Wagner. Foto Detlef M. Plaisier
Entspannt: Michael Wildenhain (links) und Jan Wagner. Foto Detlef M. Plaisier

Jan Wagner freut sich für die gesamte Gattung Lyrik: „Durch meine Nominierung wird eine lebendige vielstimmige Szene in Deutschland gewürdigt.“ Dylan Thomas und Trakl haben ihn zuerst gereizt. Wenn Jan Wagner schreibt, dann Lyrik und Essays über Lyrik, gelegentlich übersetzt er. „Ich bewundere Allrounder, die Lyrik und Prosa beherrschen.“ Jan Wagner liest seine Gedichte nicht, er moderiert sie, und plötzlich öffnet sich ein Klangteppich, der mir zuvor beim stillen Lesen noch verschlossen geblieben war. Wie spielerisch arrangiert Wagner Sonett und Rondeau. Szenenapplaus. Spielerisch? „Erst ist da ein Geschenk, aber dann kommt harte Arbeit“, stellt er klar. Gedichte sollten über den Tag hinaus lesbar sein, sagt Wagner, und für neue Perseptiven böten sich besonders vermeintliche Nebensächlichkeiten an. Kein Epos über Liebe und Freiheit, sondern ein Teebeutel und eine Zucchini. Um die Zukunft der Poesie ist Jan Wagner nicht bang: „Das Lyrikpublikum ist unendlich. Es weiß es nur noch nicht.“

KC_Wildenhain_U1+R.inddMichael Wildenhain ist der Exot des Trios, der Politische. Unsere Gemeinsamkeiten: Geburtsjahrgang 1958, für die 68er noch zu jung, 1977 im selben Monat Abitur. Wildenhain rutschte in die Kreuzberger Hausbesetzerszene und gilt heute als deren Chronist. Der nominierte Roman, angeordnet auf drei Zeitebenen, ist in der ersten Annäherung eine Liebesgeschichte. Doch die Poesie kann nicht verdecken, was an die Oberfläche kommt: Es geht um die Verknüpfung instrumentalisierter Liebe und Terrorismus in der Zeit des Deutschen Herbstes 1977, um eine Parabel rund um moralische Rechtfertigung von Verbrechen und verschiedene Grade von Schuld. „Alle sind schuldig. Alle müssen damit leben“, sagt Michael Wildenhain und stellt gleichzeitig infrage, inwieweit politisches Schreiben heute noch möglich ist, „wenn der Resonanzraum in der Gesellschaft fehlt.“  Die gesellschaftliche Stimmung wie im Rotbuch Verlag vor 30 Jahren sei unwiederbringlich vorbei.

Die Nominierten und ihre Werke

Norbert Scheuer: Die Sprache der Vögel (Verlag C.H. Beck)
Online bestellen: https://www.buchhandel.de/buch/Die-Sprache-der-Voegel-9783406677458
Jan Wagner: Regentonnenvariationen (Hanser Berlin)
Online bestellen: https://www.buchhandel.de/buch/Regentonnenvariationen-9783446246461
Michael Wildenhain: Das Lächeln der Alligatoren (Klett-Cotta Verlag)
Online bestellen: https://www.buchhandel.de/buch/Das-Laecheln-der-Alligatoren-9783608939736
Michael Wildenhain: Erste Liebe Deutscher Herbst (ROTBUCH Verlag)
Online bestellen: http://www.rotbuch.de/buch/sku/61674/erste-liebe-deutscher-herbst.html

Das Copyright der Cover liegt bei den jeweiligen Verlagen.

Leipzig liest polnische Literatur

LIPSK_filia_LOGO_140Im Rahmen der Leipziger Buchmesse 2015 präsentieren polnische und deutsche Schriftsteller Neuerscheinungen – und die haben nicht alle mit dem dunkelsten Kapitel der deutschen Geschichte zu tun.

Tadeusz Dąbrowski stellt seinen Lyrikband „Die Bäume spielen Wald“ vor. Piotr Paziński erzählt in seinem Roman „Die Pension“ über das jüdische Leben in Polen nach dem Zweiten Weltkrieg. Witold Szabłowski berichtet in „Weil ich dich liebe, Schwester“ (polnischer Titel: Der Attentäter aus der Aprikosenstadt) in spannenden Reportagen über die Türkei. Kabarett-Star Steffen Möller bringt sein neues Buch „Viva Warszawa“ mit.

Die Veranstaltungen werden unter anderem getragen vom Polnischen Institut Leipzig, dem Polnischen Buchinstitut und dem Poniatowski Polski Bar & Restauracja.

2015-03-12 LITERATUR Steffen Möller - Viva Warszawa - Cover_120Donnerstag, 12.03.2015, 19:00, im Polnischen Institut, Markt 10
Viva Warszawa – Polen für Fortgeschrittene
Warschau: eine Stadt zum Niederknien
Show mit Steffen Möller

Donnerstag, 12.03.2015, 20:30, im Polnischen Institut, Markt 10
Weil ich dich liebe, Schwester – Der Attentäter aus der Aprikosenstadt
Lesung & Gespräch mit Witold Szabłowski
Moderation: Dr. Martin Pollack
(auch am Freitag, 13.03.2015, 13:00 in der Messehalle 4, Stand E505)

Freitag, 13.03.2015, 18:30, im Polnischen Institut, Markt 10
Zelle Nr. 18. Eine Geschichte von Mut und Freundschaft
Lesung mit Lars Skowronski und Simone Trieder

Freitag, 13.03.2015, 20:00, im Polnischen Institut, Markt 10
Die Pension. Lesung mit Piotr Paziński und dem Übersetzer Benjamin Voelkel
Moderation: Dr. Martin Pollack & Andreas Rostek
(auch am Samstag, 14.03.2015, 13:00 in der Messehalle 4, Stand E505)

Samstag, 14.03.2015, 15:00, im Polnischen Institut, Markt 10
Von Polen her. Europa denken
Buchvorstellung mit den Herausgebern Roland Hirte und Friedrich von Klinggräff sowie Katarzyna Wielga-Skolimowska und Basil Kerski
(auch am Samstag, 19:00, im Poniatowski Polski Bar & Restauracja, Kreuzstr. 15)

Samstag, 14.03.2015, 17:00, im Zeitgeschichtlichen Forum, Grimmaische Str. 6
22. Leipziger Europaforum: Droht ein neuer Kalter Krieg?
mit Piotr Buras, Dr. Andrew B. Denison, Dr. Marie Dumolin, Wolfgang Templin und Dr. Stefan Meister
Moderation: Prof. Dr. Eckart D. Stratenschulte

Samstag, 14.03.2015, 19:30, im Polnischen Institut, Markt 10
Die Bäume spielen Wald. Lesung mit Tadeusz Dąbrowski
Moderation: Dr. Hans-Christian Trepte (Universität Leipzig)

Samstag, 14.03.2015, 21:00, im Polnischen Institut, Markt 10
Leipzig liest Kraków – UNESCO City of Literature
Lesung und Gespräch über die Literaturstadt Kraków mit Dr. Martin Pollack

Sonntag, 15.o3.2015, 13:00, im Polnischen Institut, Markt 10
Gedenkorte in Berlin – Ein deutsch-polnischer Ausstellungsführer
Die Erinnerung an den Totalitarismus im öffentlichen Raum Berlins
Präsentation mit den Herausgeberinnen Maria Czaputowicz, Urszula Cyrynger und Emilia Jankiewicz
Moderation: Detlef W.Stein (Verleger)

20496_419979414786672_313083710_nSonntag, 15.03.2015, 19:00, im Poniatowski Polski Bar & Restauracja, Kreuzstr. 15
Deutsch-Polnischer Literatursalon
Der Verein Städtepartnerschaft Leipzig-Krakau eröffnet feierlich eine neue Bühne für die Deutsch-Polnische Freundschaft. Ein Transfer der besten Schriftwerke aus der UNESCO-Stadt der Literatur nach Leipzig. Mit Roman Israel, ehemal. Stipendiat der “Villa Decius” und der Stiftung für Deutsch-Polnische Zusammenarbeit in Kraków/Polen, Elia van Sciourovsky und Multitalent Jolanta Drywa.

www.verlagshaus-roemerweg.de
www.leipzig-krakau.de
www.romanisrael.de

Rezension: Karen Köhler, Wir haben Raketen geangelt

Karen Köhler wurde 1974 in Hamburg geboren. Sie arbeitet als Schauspielerin, Illustratorin, Performance-Künstlerin, Theaterautorin und Schriftstellerin. Für den vorliegenden Erzählband erhält die Autorin 2015 den Schubart-Literaturförderpreis der Stadt Aalen.

Emotion pur

Quelle: hanser-literaturverlage.de
Quelle: hanser-literaturverlage.de

Schon auf Seite 23 schossen mir die Tränen in die Augen, verwandelte sich das anfängliche Lachen über einen Satz des Rollstuhlfahrers („You will die for sure, Baby. We all will… My name ist Cesar, and I am happy to have met you before you died.“) in ein Weinen; derselbe Vorgang, den die Autorin zuvor schon bei ihrer krebskranken Protagonistin beschrieben hatte.

Und das haben wir: Geschichten von tiefer Weisheit, zum Weinen schön. Geschichten, bei denen sich ein Verlust im Nachhinein oft als Gewinn darstellt. Geschichten, die von überwältigender Menschlichkeit durchdrungen sind. Und bei denen ich mich frage: Wie kann ein so junger Mensch über die ewigen Grundthemen des Lebens, über Tod, Verlust, Vergänglichkeit und Liebe und über das, was trotz allem bleibt, so schreiben?

Hatte ich mich gerade eingerichtet in einer Geschichte, die so vor sich hinmäandert, da kam plötzlich und unerwartet der Punkt, da ich durch einen Satz wie die Raketen aus dem Titel hinauskatapultiert wurde aus der Normalität. Und das geschieht völlig en passant, ohne großes Aufhebens. Der Tod ist immer präsent. Und es sind die ganz einfachen Worte, die so sehr zu Herzen gehen. „Könntest du nicht sein wie Jesus und bald wieder auferstehen? An einem Freitag, ja, ich fänd das nur anständig.“ So schreibt Karen Köhler in der Erzählung, die dem Buch seinen Titel gab (S. 135).

Die stärkste Geschichte ist für mich gleich die erste im Band – „Il Comandante“, weil sie ohne jegliche Larmoyanz beschreibt, wie eine junge Frau mit ihrer Krebserkrankung umgeht. Diese Geschichte hätte Karen Köhler im letzten Jahr bei den „Tagen der deutschsprachigen Literatur“ in Klagenfurt lesen sollen. Da sie krankheitsbedingt verhindert war, wurde diese Geschichte am Klagenfurter Lendhafen gelesen und im Internet per Livestream übertragen. Der ergreifendste der neun Texte ist „Wild ist scheu“. Er erinnert mich an den Siegertext in Klagenfurt 2006 von Kathrin Passig „Sie befinden sich hier“, in der die einzelnen Stationen des Erfrierens beschrieben werden.

Ton und Form
Der Erzählton von Karen Köhler ist lakonisch; sie kommt mit wenigen Worten der Alltagssprache aus. Da ist nichts Gekünsteltes oder Affektiertes, sondern allein das Vertrauen auf die Stärke dessen, was zu erzählen ist. Und das ist einiges. Karen Köhler schreibt im Präsens in der Ich-Form, was es dem Leser ermöglicht, sehr nah an ihre Figuren heranzutreten, mit ihren Augen zu sehen, mit ihrem Herzen zu fühlen.

Mein Fazit
Diese neun Kurzgeschichten sind unbedingt empfehlenswert. Uneingeschränkt.

Am 26. März, 20:15 Uhr liest Karen Köhler bei Lehmanns Leipzig in der Grimmaischen Straße. Karten gibt es hier.

Karen Köhler, Wir haben Raketen geangelt
Carl Hanser Verlag, 2014
Link zur Autorin: http://www.karenkoehler.de/
Autorin der Rezension: Cornelia Lotter
www.autorin-cornelia-lotter.de

Das Trio zur Buchmesse: Schmecken. Lesen. Lauschen.

Buchmesse schmeckt – das sind auch in diesem Jahr im Vorfeld der Buchmesse 30 Minuten Lieblingslesekost von Leipziger Prominenten, serviert zur Mittagszeit mit zwei Suppen in der Moritzbastei. Ich freue mich auf Oliver Zille, Direktor der Leipziger Buchmesse (23. Februar), den Kabarettisten Meigl Hoffmann (24. Februar), Martin Hundertmark, Pfarrer an der Thomaskirche (26. Februar), OB Burkhard Jung (2. März), den städtischen Jubelbeauftragten Torsten Bonew (5. März) und Wirtschaftsbürgermeister Michael Faber (6. März).  Das komplette Programm kann hier angeklickt werden.

Die Leipziger Buchmesse ist ohne das Lesefestival Leipzig liest undenkbar. Über 3.000 Veranstaltungen mit mehr als 3.200 Mitwirkenden an 400 Veranstaltungsorten – das ist weltweit einmalig. Auf http://www.leipziger-buchmesse.de/ll steht das Programm online zur Verfügung. Die gedruckte Fassung wird voraussichtlich ab 2. März vorliegen. Meine persönlichen Empfehlungen habe ich hier zusammengestellt.

Leipzig lauschtLeipzig lauscht ist neu. Mehr als 50 Studierende der Buchwissenschaft an der Universität Leipzig haben den gleichnamigen Blog ins Leben gerufen, der seit dem 12. Februar online ist. Partner sind die Messe Leipzig und der Kreuzer. Seit Oktober letzten Jahres wurde an dem Konzept getüftelt. „Wir wollen Lesern helfen, bei der Vielfalt des Angebotes den Überblick zu behalten“, erläutert Mitinitiatorin Alisa Hoven. Dazu werden auf dem Blog Autoreninterviews und Porträts, Buchbesprechungen und Texte zu den Leseorten eingestellt. Während der Buchmesse werden die Studierenden zahlreiche Lesungen besuchen und auf dem Blog zeitnah darüber berichten. Auch Facebook und Twitter werden als Social Media Kanäle bespielt. Mein Tipp: Reinschauen unter www.leipziglauscht.de.

Rezension: Boris Pofalla, Low

Meine Buchhändlerin beklagt, dass mindestens die Hälfte der Käufer nach „Loof“ fragt. Richtig ist die englische Aussprache; low wie niedrig, unterer Level. Boris Pofalla wählt drei Buchstaben für das Lebensgefühl und die Ausstrahlung einer ganzen Generation. Leider strahlt diese Einschätzung auch auf den Stil des Buches aus.

Vordergründig beschreibt der Autor die Suche seines Protagonisten nach seinem spurlos verschwundenen Freund und Mitbewohner Moritz, auf einer eher unterschwelligen Erzählebene die eigene Suche nach dem Sinn seines Lebens. Diese Geschichte erzählt Pofalla lakonisch unaufgeregt, sodass sie auf manchen Leser langweilig wirken mag, zumal er seine Charaktere ohne besonderen Tiefgang zeichnet. Dass die Story eher vor sich hin plätschert als dass sie gezielt vorangetrieben wird, dürfte der Kunstkritiker und journalistische Autor aber durchaus bewusst als Stilelement eingesetzt haben.

Quelle: www.metrolit.de
Quelle: www.metrolit.de

Auf der Suche

Der Ich-Erzähler, dessen Namen der Leser nicht erfährt, verspürt ein Gefühl von Einsamkeit und Verlorenheit, als sein bester – und in Berlin wohl einziger – Freund Moritz plötzlich spurlos verschwunden ist. Er macht sich an den bekannten Plätzen und auf Partys auf die Suche. Dort trifft der Erzähler zahlreiche gemeinsame Bekannte, die zwar Mutmaßungen über Moritz Verbleib anstellen, aber nichts konkretes Wissen.

Eines Tages entdeckt sieht der Suchende plötzlich einen alten BMW am Straßenrand. Es ist das Auto von Moritz, für das er einen Zweitschlüssel besitzt. Er fährt ziellos durch die Stadt und erinnert sich dabei an einen gemeinsamen Ausflug an die Ostsee. Schließlich hält der Erzähler irgendwo im brandenburgischen Niemandsland, zündet das Auto an und trampt in die Stadt. Anschließend beginnt er damit, sein Leben zu ändern, schickt seine Exmatrikulation ab und schließt sich dem Freundeskreis eines aufstrebenden Künstlers an.

Die Leere der Stadt

Boris Pofalla beschreibt in Low das Gefühl, das vielen jungen Neu-Berlinern nicht unbekannt ist: Das vielfältige Angebot der Metropole macht es für sie unmöglich, mehr als nur flüchtige Bekanntschaften zu schließen, die sich genauso schnell wieder aus dem Leben verabschieden, wie sie gekommen sind. Die Akteure wollen sich den Normen des Alltags entziehen, feiern Partys und konsumieren Drogen. Das Marihuana der Eltern und Großeltern wird ersetzt durch Koks, Speed und andere unbekannte Substanzen. Die Partypeople sind nicht auf der Suche nach Frieden, Erlösung oder Erleuchtung, sondern nur nach der besten Location für das nächste Abfeiern. Ein höheres Ziel, sei es die Vision für eine bessere Welt oder ein persönlicher Zukunftstraum, fehlt den Akteuren jedoch komplett. Der Titel Low kann also als Anspielung auf die niedrige Erwartungshaltung der jungen Generation verstanden werden.

Mein Fazit

Boris Pofalla beobachtet und schildert präzise und kaschiert damit, dass in Low nicht wirklich etwas passiert. Handwerklich zählt Boris Pofalla zu den besseren jungen Autoren. Auch wenn Low kein herausragendes Werk ist, so hat Boris Pofalla doch eine gelungene Milieustudie einer Lost Generation im Großstadtdschungel vorgelegt; einer Generation, die nichts zu sagen hat.

Boris Pofalla, Low
Metrolit Verlag, 2015
Online bestellen: https://www.buchhandel.de/buch/Low-9783849303655
Autor: Harry Pfliegl