Ich brauche Hilfe zu einer Bezeichnung: Was war ein B-Soldat?
Sonntagstelefonat mit dem Schrägverlag
Sonntagstelefonat mit Carsten Lohse vom Schrägverlag. Er sieht als „Mann des Wortes“ auf den Text, nicht als Fehntjer. Harter Tobak, was er mir zu sagen hatte. Einige Dinge konnte ich erklären und ausräumen, andere dagegen sind klares Signal zu einer Nachbesserung. Danke!
Ein Texthäppchen für die Westerfehntjer
Zum Sonntag gibt’s heute ein Texthäppchen für alle, die Westrhauderfehn kennen oder dort wohnen:
„An der anderen Wiekenseite, etwas in Richtung Untenende versetzt, wohnte unser Schneidermeister. Er hatte dort auch seine Schneiderwerkstatt. Sein Name war Ecken. Er kümmerte sich um Neuanfertigungen und Änderungen großen Stils. Reparaturen des täglichen Lebens, wie etwa das Aufsetzen eines Flickens oder das Kürzen einer Hose, erledigte meine Mutter selbst. Sie setzte für solche Näharbeiten ihre Nähmaschine der Marke Singer in Gang. Die Inbetriebnahme erfolgte durch Treten auf dem unten befindlichen Tritt. Die so erzeugte Kraft wurde mittels eines Keilreimens nach oben übertragen und setzte die eigentliche Nähmaschine in Gang. Meine Mutter achtete darauf, dass ihre Füße bei dieser Arbeit immer mit Strümpfen bekleidet waren…
Nicht weit von Schneidermeister Ecken entfernt war zur damaligen Zeit noch ein #Kolonialwarengeschäft in Betrieb. Hier wurden allerlei Gebrauchsgegenstände und der Bezeichnung des Ladens entsprechend Waren aus den Kolonien feilgeboten. Ich wurde auch schon zum Einkaufen geschickt. Bei dem Böskop-Loopen kaufte ich zum Beispiel Margarine der Marke „Schwan im Blauband“. Waren Waschmittel fällig, so holte ich IMI, Ata und Persil sowie das Bleichmittel SIl für meine Mutter. Waren für meinen Vater oder meine Brüder Rasierklingen gefragt, so kam nur die Marke Rotbart Be-Be infrage.
Geraucht wurde bei uns nicht. Zumindest habe ich es nicht wahrgenommen. Von den Nachbarn und den größeren Jungs konnte ich bei Gesprächen ablauschen, dass sie die Marke Salem bevorzugten. Es war eine Zigarette mit goldenem Mundstück. Der Rauch, der mir in die Nase stieg, war süßlich. Es muss mit dieser Marke etwas Besonderes auf sich gehabt haben, denn man sang sogar ein Lied von dieser Reemtsma-Sorte:
Hallo MacBrown, was macht Ihr Harem?
Tanzt man noch Swing, raucht man noch Salem?…“
„Ein lokalhistorisches Dokument“
Eine Testleserin vom Fehn schreibt:
„Ich fühlte mich über weite Strecken an meine eigene Kinderzeit erinnert. Die Art, wie Sie das Buch angelegt haben, gefällt mir. Ihr Text ist ein wichtiges lokalhistorisches Dokument“.
Preis der Leipziger Buchmesse: Experiment Bloggerpaten ist zunächst gescheitert
Im vergangenen Jahr waren Blogger erstmals aufgerufen, den Preis der Leipziger Buchmesse zu begleiten. Ausgewählte Literatur- und Buchblogger, so die Idee, sollten ein nominiertes Werk vor Preisvergabe rezensieren und die Besprechung auf ihrem Blog veröffentlichen. Alle fünfzehn nominierten Titel in den Kategorien Belletristik, Sachbuch/Essayistik und Übersetzung wurden von einer Jury an kompetente Blogger vergeben, darunter auch an Szenegrößen wie die kleine literarische Sternwarte von AstroLibrium, brasch & buch und Buzzaldrins Bücher. Anreize für die Paten waren unter anderem persönliche Einladungen zur feierlichen Eröffnung im Gewandhaus und zur Preisverleihung.
In der Bloggerlounge trafen sich 2015 Nominierte, Preisträger und Rezensenten zu einer Gesprächsrunde. Ich war dabei, und nach meinem Eindruck gab es Zufriedenheit auf beiden Seiten. Trotzdem wird der Versuch nicht fortgeführt. Es wird künftig keine Bloggerpaten mehr geben. Ich habe Julia Lücke, Pressesprecherin der Leipziger Buchmesse, nach den Gründen gefragt.
Das Problem liegt in den Sparten Sachbuch/Essayistik und Übersetzung. Julia Lücke: „Das erfordert viel Hintergrundwissen. Wir hatten im Gespräch mit den Bloggern das Gefühl, dass diese Themen schwer zu betreuen sind.“ Eine Auskoppelung der eher unproblematischen Belletristik sollte es nicht geben: „Wir sehen den Preis als Ganzes“, so Julia Lücke.
Ich habe Verständnis für diese Entscheidung. Essayistik und Übersetzung erfordern tatsächlich mehr Hintergrundwissen, als „einfach nur mal ein Buch zu lesen“. Und meine Bloggerkollegen mögen mich jetzt steinigen: Ich bin im vergangenen Jahr überwiegend jungen Bloggerinnen in der Lounge begegnet. Als ich dann deren Blogs nach der Messe aufrief, war ich oftmals erschrocken über die Handhabung der deutschen Sprache und Grammatik und den allzu lockeren Plauderton, der sich Rezension nannte. Das ist eine andere Liga und würde weder dem Anspruch der Autoren noch der Buchmesse gerecht. So kann ich den Verzicht auf Bloggerpaten nachvollziehen mit der Hoffnung, dass ein überarbeitetes Konzept die Idee neu belebt.
Rezension zu Johannes C. Bockenheimer: Chuzpe, Anarchie und koschere Muslime. Meine Versuche, Israel zu verstehen
Dieses Buch füllt 200 Seiten mit dem Versuch, Israel zu verstehen. Spannend, denke ich mir. Mittlerweile war ich selbst wohl um die zwanzig Mal im Land inklusive der palästinensischen Gebiete, und je mehr Antworten ich auf meine Fragen fand, umso mehr neue Fragen stellten sich ein.
Hier nun ebenfalls das Unternehmen, verschiedene Blickwinkel einzubinden: Schriftsteller, Künstler, Politiker, Wirtschaftsleute und Politiker kommen zu Wort. Autor Bockenheimer, seines Zeichens Journalist und eloquent im Umgang mit seinem Instrumentarium, schafft es, Alltägliches in unalltäglicher Perspektive zu beleuchten, die allzu vereinfachenden Antworten dem Gesprächspartner nicht durchgehen zu lassen. Das Buch ist durchaus aus dem Blickwinkel des Verfassers geschrieben; nicht zu uneitel, um seinem Berufsstand gemäß nicht authentisch zu wirken. Immer wieder geht es ihm um das Grundsätzliche: die Ideen Theodor Herzls zum Gebilde, das er den „Judenstaat“ nennt. Davon ausgehend entwirft der Autor seine Bezüge zum gegenwärtigen Unverstehbaren.
Dies gelingt ihm in lesenswerter, unterhaltsamer und gleichzeitig lehrreicher Art und Weise. Herzl, Journalist wie Bockenheimer, wird zum Prüfstein der Gegenüber. Dabei erfahren wir Verstörendes, Unerwartetes wie Erhellendes. Der Plan Herzls, seine kontroverse Diskussion auf den jüdischen Weltkongressen, die damit verbundenen Visionen und Ziele und seine Umsetzung im real existierenden Israel werden im Verlauf der Gesprächsprotokolle immer und immer wieder in stilsicher ausformulierten Denkfiguren gegeneinander gestellt und überprüft.
Dass dies zugleich in einem lockeren Schreibstil daherkommt, beflügelt die schwere Materie des Stoffes. Hier wird auch Demaskierung behutsam ausgeführt, vermisst man nie den Respekt selbst vor den seltsamsten, skurrilsten Ansichten und deren Repräsentanten.
Ob man Israel nach der Lektüre besser versteht? Vielleicht die dort lebenden Menschen. Und dies ist es wert! Eine Entdeckung, die ich der interessierten Leserschaft nur wärmstens empfehlen kann.
Johannes C. Bockenheimer: Chuzpe, Anarchie und koschere Muslime
Pantheon Verlag, 2015
Online bestellen: https://www.buchhandel.de/buch/Chuzpe-Anarchie-und-koschere-Muslime-9783570552766
Rezensent Dr. Thomas Feist, Jahrgang 1965, studierte Musikwissenschaft, Theologie und Soziologie an der Uni Leipzig und promovierte 2005 zum Dr.phil. mit einer Arbeit über „Musik als Kulturfaktor“. In der 18. Legislaturperiode des Deutschen Bundestages vertritt er Leipzig als direkt gewählter Bundestagsabgeordneter der CDU im Wahlkreis 153 Leipzig II. Dr. Thomas Feist ist Mitglied der Deutsch-Israelischen Parlamentariergruppe und seit 2010 Vorsitzender der Deutsch-Israelischen Gesellschaft Leipzig.
Weitere Rezension von Dr. Thomas Feist zu Crippa/Onnis, Wilhelm Brasse – Der Fotograf von Auschwitz hier
Nachricht aus der Gedenkstätte Esterwegen
Kurt Buck von der Gedenkstätte Esterwegen hatte ich gebeten, den Einsatz meines Großvaters im Lager Esterwegen zu kommentieren. Nach meinem Besuch im Oktober vergangenen Jahres hatte ich lange nichts mehr gehört. Heute erfuhr ich von ihm selbst den Grund: Es war ein Herzinfarkt nur kurze Zeit später. Nun tastet er sich langsam wieder in die verantwortungsvolle Aufgabe hinein. Alles Gute, lieber Kurt Buck, und das nötige Maß Geduld!
Bekanntschaft mit Oll Willm
Ich hatte OldWillm erwähnt, einen Einsiedler aus dem Overledingerland, den mein Vater in seiner Kindheit kennengelernt hatte. Ich freue mich, dass sein Großneffe einen Kommentar zu meinem Buch schreiben wird. Ich kann mich schon mal einlesen: Heute habe ich antiquarisch eine Lebensgeschichte von Oll Willm erstanden – in Platt!
5 Dinge, die man unbedingt wissen muss, wenn man mit einem Autor zusammen lebt
Sehr treffend – ein Beitrag, der sicher so manche Partnerschaft rettet! Hier entlang: bit.ly/1JW2vxr
Rezension: Anne Enright, Rosaleens Fest
Dass ein klassischer Familienroman unter die Haut geht und gleichzeitig locker erzählt wird, beweist Anne Enright mit „Rosaleens Fest“. Die irische Autorin präsentiert ihre Geschichte aus dem Blickwinkel von zwei Jahrzehnten und gibt dabei einen intensiven Einblick in das oft schwierige Verhältnis zwischen Müttern und ihren Kindern.
Die Mutter? Funktioniert!
Hauptfigur des Romans ist die Mutter Rosaleen. Der Vater spielt keine allzu große Rolle. Rosaleen hat vier Kinder geboren, zwei Mädchen und zwei Jungen, entwickelt aber zu keinem der Kinder eine wirklich intime Beziehung. Vielmehr bleibt sie bis ins hohe Alter unnahbar.
Der Roman beginnt 1980, als die jüngste Tochter Hanna zwölf Jahre alt ist. Sie muss des Öfteren Schmerzmittel für die Mutter besorgen. Der Grund: Dan, der älteste Bruder, will Priester werden. Diesen Plan verwirklicht er dann nicht – noch schlimmer: Er erlebt in der Schwulenszene New Yorks sein Coming-out. Den schwierigen Weg bis zur Offenbarung zeichnet Anne Enright gnadenlos nach. Beispielsweise schafft Dan es nicht, das Krankenhaus zu besuchen, in dem seine große Liebe im Sterben liegt: Klischee AIDS. Und auch die anderen Kinder Rosaleens kommen nicht problemlos durchs Leben. So entwickelt Hanna ein massives Alkoholproblem, nachdem sie es geschafft hat, Schauspielerin zu werden. Emmet, der als Entwicklungshelfer arbeitet, endet emotional völlig abgestumpft. Einzig der Schwester Constanze scheint eine glückliche Familie vergönnt zu sein.
Die Eskalation zum Weihnachtsfest
Unaufhaltsam und gezielt steuert Anne Enright die Geschichte auf das Weihnachtsfest 2005 zu. Rosaleen offenbart der Familie, dass sie das Haus verkaufen will. Sie fühlt sich einsam und von den Kindern verlassen, sodass der Verkauf aus ihrer Sicht eher ein Akt der Rache ist. Die Autorin führt die verschiedenen Figuren des Romans zunächst geschickt durch das Leben, bevor es zur letzten weihnachtlichen Zusammenkunft kommt. Zum Fest haben alle die Chance, ein zweites Mal ins Leben aufzubrechen. Damit zeichnet sich gegen Ende von Rosaleens Fest ein zarter Hoffnungsschimmer vor der düsteren Atmosphäre ab.
Mein Fazit
Rosaleens Fest ist ein gelungener und unterhaltsamer Familienroman, pointiert und mitfühlend – auch wenn mir einige Szenen zu sehr zu Herzen gehen.
Anne Enright, Rosaleens Fest
DVA, 2015
Online bestellen: https://www.buchhandel.de/buch/Rosaleens-Fest-9783421047007
Autor der Rezension: Harry Pfliegl