Rezension: Christopher Bochdansky, Anmerkungen zur Umgebung

Der Titel des Buches klingt ebenso sperrig wie die Kurzvorstellung auf der Rückseite. Doch dieser erste Eindruck täuscht und führt den interessierten Leser in die Irre. Der Autor und Puppenspieler Christopher Bochdansky hat das Werk nach folgender Philosophie verfasst: „Die Sichtweise ist das Längenmaß der Umgebung. Alle hier versammelten Anmerkungen zur Umgebung beziehen sich auf Sichterfahrungen.“ Weil er aufzeigt, was sein könnte, stellt er die Welt der eigenen Erfahrungen auf den Kopf.

http://verlag-wortreich.at
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Der Inhalt
Christopher Bochdansky hat das Buch in fünf Gruppen untergliedert, sodass sich zwischen den einzelnen Kurzgeschichten ein thematischer Zusammenhang ergibt. Zusätzlich wird die Eindrucks-Sammlung durch zwei Trilogien ergänzt. Jeder Gruppe steht isoliert eine Episode voran, in welcher aus verschiedenen Facetten geschildert wird, wie Robinson Crusoe sowohl real als auch moralisch immer wieder Schiffbruch erleidet. Dabei erzählt der Autor nicht die tatsächliche Robinson Crusoe-Geschichte, sondern stellt dar, wie es vielleicht auch hätte sein können.

Wenn die reale Welt aus den Fugen gerät
Christopher Bochdanskys Stil ist gewöhnungsbedürftig. Er schildert Eindrücke und Begebenheiten in kurzen und knappen Sätzen – wie Gedankensplitter eben. Die Kurzgeschichten wirken deshalb eher als Form moderner Lyrik. Bochdansky lässt die bekannte, berechenbare Welt, die auf physikalischen Gesetzen basiert, komplett aus den Fugen geraten. Unter anderem behauptet er, dass Porzellantassen die einzigen Gegenstände seien, die ein Schiffsunglück überlebt haben oder dass Äpfel auf die Bäume zurückspringen. Für den Leser, die vollkommen in Bochdanskys Welt der Kurzgeschichten eintaucht, schwindet mit zunehmender Dauer der Lektüre das Vertrauen in das Bekannte und Vertraute. Als augenzwinkernden Seitenhieb lässt Bochdansky Robinson Crusoe immer wieder aufs Neue auf absurde Weise scheitern. Dieser Aspekt dürfte vor allem Lesern Spaß machen, die Daniel Defoes Original kennen und mögen.

Mein Fazit
„Anmerkungen zur Umgebung“ sollte man als Gesamtkunstwerk zusammen mit den Illustrationen lesen. Bochdansky hat Phantasie – vielleicht genau jenes Maß, das wir uns im Alltag nicht zutrauen.

Christopher Bochdansky, Anmerkungen zur Umgebung
Verlag Wortreich, Wien 2015
Autor der Rezension: Harry Pfliegl

Rezension: Johannes Anyuru, Ein Sturm wehte vom Paradiese her

Angesichts der aktuellen Flüchtlingsströme ist die Thematik in „Ein Sturm wehte vom Paradiese her“ aktueller denn je: Johannes Anyuru erzählt die Geschichte seines Vaters, der über zahlreiche Stationen aus Uganda nach Schweden floh und doch nirgendwo eine Heimat fand.

www.randomhouse.de
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Der Inhalt
Ein Mann sitzt im Zug. Er weiß weder, was er dort macht, noch was er erlebt hat. Lediglich der Vollmond, der gerade über dem Horizont steht, ruft einen Schimmer Erinnerungen hervor. Seine eigene Geschichte kennt er aber immer noch nicht.

Der Mann ist der Vater des Autors.  Er wollte Kampfpilot in der ugandischen Luftwaffe werden und durchlief in den ausgehenden 1960er Jahren in Athen eine entsprechende Ausbildung. Doch kurz vor seinem Examen putschte sich Idi Amin 1971 an die Macht in Uganda. Seine Herrschaft sollte sich als eines der blutigsten Regimes in Afrika erweisen. Nun trifft der junge Mann eine Entscheidung mit weitreichenden Folgen: Entgegen den Befehlen kehrt er nicht nach Uganda zurück, sondern flüchtet nach Somalia, wo er schließlich aufgegriffen und auf brutale Weise verhört wird. Schließlich führt ihn seine persönliche Odyssee nach Schweden. Doch Heimatgefühl stellt sich nie ein.

Wenn der Sturm der Geschichte persönliche Schicksale hinwegfegt
Der Autor nutzt mehrere Zeitebenen, um die Geschichte seines Vaters zu erzählen, der selbst ohne Vater aufgewachsen ist. Seine einfühlsamen berühren mich als Leser. Doch Johannes Anyuru erzählt mehr als seine Familiengeschichte, mit der er auch einen Teil seiner persönlichen Vergangenheit aufarbeitet. Er vermittelt mir als Leser ein Gefühl dafür, wie Flüchtlinge den Verlust von Heimat und persönliche Einsamkeit empfinden. Mich beeindruckt, wie sehr es Johannes Anyuru schafft, aus der Distanz zu schreiben, obwohl er einen Teil seiner persönlichen Vergangenheit schildert.

Mein Fazit
Ein fesselnder und berührender Roman über das Schicksal eines Menschen, dessen persönliche Zukunft durch den Lauf der Geschichte brutal verändert wird. Leseempfehlung!

Johannes Anyuru, Ein Sturm wehte vom Paradiese her
Luchterhand Literaturverlag, München 2015
Autor der Rezension: Harry Pfliegl

Bubis Kinnertied steht auf der Website beim Acabus Verlag

Das Paperback, etwa 400 Seiten stark, wird zum Preis von € 15,90 voraussichtlich ab Februar 2017 lieferbar sein. Unter der ISBN 978-3-86282-470-0 kann „Bubis Kinnertied“ jetzt schon beim Buchhändler des Vertrauens vorbestellt werden, zum Beispiel bei Fehnbuch Inh. Helga Kruse-Lahmeyer in Westrhauderfehn. Aber wir sehen uns doch auf einer meiner Lesungen, oder? Für die Leipziger Buchmesse 2017 wird es voraussichtlich vier Lesungen geben. Die Termine gebe ich rechtzeitig hier bekannt.

Und damit der Tag schön rund wird, habe ich heute den ersten Covervorschlag bekommen. Zwei kleine Änderungen besprochen – und schon weiß ich, wie „Bubis Kinnertied“ in den Auslagen aussehen wird! Ein toller Tag!

http://www.acabus-verlag.de/autoren_31/plaisier-detlef-m_1130.htm

Kriegsenkel: Sabine Bode brach das Schweigen

Mit ihren Büchern (u.a. „Die vergessene Generation – Die Kriegskinder brechen ihr Schweigen“, „Kriegsenkel – Die Erben der vergessenen Generation“ und „Nachkriegskinder – Die 1950er Jahrgänge und ihre Soldatenväter“, alle bei Klett-Cotta) hat die Journalistin und Autorin Sabine #Bode die Diskussion um Kriegskinder und Kriegsenkel in Deutschland in Gang gesetzt. Gestern durfte ich sie im Rahmen einer Lesung in der Stadtbibliothek Leipzig erleben. Im anschließenden kurzen Gespräch sagte sie mir, ich möge nicht enttäuscht sein, wenn es auf „Bubis Kinnertied“ nur eine verhaltene Reaktion gäbe: „Bei so einem Thema kommt es nicht auf die Quantität an, sondern auf die Menschen, die damit erreicht werden.“ Dass Sabine Bode mein Buch lesen wird, ist eher unwahrscheinlich: „Früher habe ich mich über jedes Manuskript zu diesem Thema gefreut. Aber diese Phase ist jetzt abgeschlossen.“

Bald ist Fehntjer Herbstmarkt

In drei Wochen ist es wieder soweit: Dann steigt vom 23. bis 25. September der Fehntjer Herbstmarkt auf dem Markt von Westrhauderfehn. Da bin ich gerade zwei Tage in mein neues Zuhause eingezogen. Für alle, die das bunte Treiben nicht erwarten können, hier ein kleiner Vorgeschmack: Das Foto zeigt „Meyers Karussell“, wahrscheinlich im Jahr 1932, als der Antrieb vom „Zugtier Pferd“ auf Traktor umgestellt wurde.
Danke an Heinz J. Giermanns für das Foto aus seiner Sammlung.

Buchpremiere auf dem Fehn am 31. März 2017

Nun ist es offiziell und ich kann nicht mehr zurück: Meine Buchpremiere auf dem Fehn am 31. März 2017 steht im offiziellen Terminkalender des Heimatvereins Overledingerland. Da kann ich es doch verschmerzen, dass mich Bernd Stratmann als Verantwortlicher im Fehnmuseum nicht im kreativen Leipzig, sondern im schnarchigen Hannover verortet….

Es passt zu diesem Tag, dass die Grafik zur Stammfolge Plaisier heute fertig geworden ist und mein Lektorat beendet. Kleiner Einblick in die #Familienforschung Plaisier gefällig? Einfach unten anklicken.

Und die dritte gute Nachricht: Ich habe endlich eine Wohnung gefunden, ein großzügiges Heim in himmlischer Ruhe in Börgermoor. Oh… das ist ja über die Grenze im Emsland und nicht in Ostfriesland. Aber das tut meiner Freude keinen Abbruch. Schon bald wird sich der Kreis der Familie schließen.

Letzter Lektoratsdurchgang

Ich sitze gerade über dem letzten Lektorats-Durchgang, bevor das Manuskript an den Verlag geht. Sehr geholfen hat mir dabei die Checkliste zum Selbstlektorat der „Federwelt“. Danke dafür!
http://www.textehexe.com/checkliste-selbstlektorat/

Rezension: Mart Schreiber, Es muss brennen

Der Autor Mart Schreiber – dabei handelt es sich übrigens um ein Pseudonym – greift in „Es muss brennen“ ein äußerst sensibles Thema auf: Er beleuchtet den Umgang mit Migranten, nachdem in den Medien immer wieder von sexuellen Übergriffen berichtet wird. In zwei Geschichten wird die Diskrepanz zwischen der Willkommenskultur einerseits und der Angst vor oder dem Hass gegenüber dem Fremden deutlich.

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Der Inhalt
Das Buch ist in zwei Geschichten geteilt. In der Titelgeschichte „Es muss brennen“ studiert Protagonist Dominik Jura und lebt glücklich in einer neuen Beziehung mit Laura. Dominiks Leben ändert sich schlagartig, als seine jüngere Schwester Nadine nur knapp einer Vergewaltigung durch drei afghanische Migranten entgeht. Nachdem sich andeutet, dass die Täter straflos davonkommen werden, entwickelt Dominik blanken Hass auf Ausländer. Zwar versucht Laura, Einfluss auf ihn zu nehmen, was jedoch nicht gelingt, da er ihr nichts von seinen aufkeimenden Hassgefühlen erzählt.

In „Finderlohn“ eilt der Ich-Erzähler Gustav zu einem wichtigen Geschäftstermin. Er zieht das Handy aus der Jackentasche und wird von einem kleinen Jungen aus dem Irak angesprochen. Der gibt ihm die 200 Euro zurück, die Gustav eben gerade verloren hatte. Weil er keine Zeit hat, gibt Gustav dem Jungen seine Visitenkarte. Dadurch verändert sich nicht nur sein Leben, sondern auch seine Persönlichkeit: Aus dem harten Geschäftsmann wir ein feinfühliger Mann, der menschlich denkt und handelt. Die harten Ansichten seiner Freundin Michaela gegenüber Ausländern ignoriert er dabei und lernt eine neue Wirklichkeit kennen.

Eine behutsame Herangehensweise
Autor Mart Schreiber nähert sich dem Thema Asyl und Asylpolitik behutsam und bedient sich dabei einer sachlichen Sprache, die mit zahlreichen Dialogen angereichert wird. Dadurch schafft er es, das für viele Leser abstrakte Thema in den Alltag zu ziehen. Zugleich schildert er nachvollziehbar die Einflüsse, denen die Protagonisten ausgesetzt sind. Dominiks Freundin beispielsweise ist ein Gutmensch, festgefahren in der eigenen Meinung und unfähig, auf Dominiks Gefühle einzugehen. Dominiks alten Freunde hingegen, zu welchen er sich immer mehr zurückzieht, sind chronische Ausländerfeinde. In der zweiten Geschichte zeigt der Autor, dass sich Menschlichkeit auch entgegen aller Widerstände aus dem privaten Bereich durchaus lohnen kann.

Die Schwächen des Buches
Erzählerisch überzeugt „Es muss brennen“ voll und ganz. Allerdings lassen sich verschiedene handwerkliche Mängel feststellen, die bei Selfpublishing-Werken oft vorkommen. So ist etwa die Qualität des Papiers nicht die beste und der Titel der zweiten Geschichte befindet sich auf der linken Seite. Das Cover hingegen ist gut gewählt. Es ist in den Farben rot und gelb gehalten, symbolisiert also das Feuer. Ein Migrant ist darauf nicht zu sehen, was aber eher positiv zu werten ist, weil dadurch beim Leser keine Vorurteile hervorgerufen werden.

Mein Fazit
Ein rundum gelungenes Buch zu einem sensiblen Thema. So mancher Leser dürfte zum Nachdenken angeregt werden.

Mart Schreiber, Es muss brennen
Amazon Distribution, 2016
Autor der Rezension: Harry Pfliegl