Heute Post vom Verlag bekommen. Viele lobende Worte. Mehr darf ich noch nicht sagen.
Sehen und wissen, worüber alle reden: Jan Böhmermanns Schmähgedicht
Nein, ich stelle den Beitrag hier nicht ein für möglichst viele Klicks.
Ja, ich bin mir bewusst, dass dies auch für mich eine Strafverfolgung nach sich ziehen könnte.
Ich habe gestern und heute die Diskussion um den Beitrag verfolgt. Nach meinem Eindruck müssen zwei Dinge getrennt werden:
Man muss den Inhalt nicht mögen. Man mag ihn sogar verurteilen oder geschmacklos finden. So wie ich.
Das bedeutet für mich nach Abwägung aller Argumente aber nicht, dass der türkische Präsident die Grenzen der deutschen Grundrechte bestimmen darf. Und es bedeutet erst recht nicht, dass durch eine Vereinbarung mit dem türkischen Staat in Flüchtlingsfragen deutsche Grundrechte verhandelbar werden und die deutsche Regierung erpressbar wird.
Ich schäme mich dafür, dass das ZDF mit vorgeschobenen qualitativen Argumenten eingeknickt ist. Springer-Chef Döpfner nennt es „Doppelmoral“. Recht hat er.
http://hochladen.to/files/5c2BLd1460407895.html
1.zippyshare.com/v/mU1wtXQw/file.html
Andere Quellen, auch auf vimeo.com, sind nach meiner Recherche nicht mehr verfügbar. Ganze Arbeit.
Literiki – die Literatur-App für Morgenmuffel
Wer nicht von der Katze oder dem nervigen Wecker aus dem Schlaf gerissen werden möchte, kann sein Smartphone für eine clevere Alternative nutzen: Auf Literiki wird täglich eine etwa 3-minütige fröhliche Geschichte (entspricht etwa 2.000 Zeichen) von mehr als 140 Autorinnen und Autoren aus Deutschland, Österreich und der Schweiz vorgelesen. Da fällt das Aufstehen gleich leichter.
Die ersten 3 Tage sind gratis, dann kostet ein Download (AppStore oder PlayStore für Android) zwei Euro und bietet dafür 90 Guten-Morgen-Geschichten. Nach dem Download ist kein Internetempfang mehr nötig, bei der Android-App ist eine Weckfunktion möglich. Jede Geschichte kann am jeweiligen Tag beliebig oft gehört werden.
Getestet und für gut befunden!
Gewinnspiel zur Leipziger Buchmesse 2016: Sendet mir ein Foto!
UPDATE 01.04.2016
Leider wird es kein großes Album. Ich bin sehr enttäuscht über die Teilnahme. Ganze drei Fotos sind eingegangen, während von meinen Followern ganze Alben auf Facebook gepostet werden. So habe ich keine (Aus-)Wahl und löse mein Versprechen ein: Alexandra Richter und Claudia Perc erhalten je ein Überraschungsbuch. Die Daten klären wir über Mail. Viel Spaß beim Lesen – ich hoffe, es trifft euren Geschmack!
UPDATE: Da ich erfahren habe, dass der Mailzugang zwei Tage lang blockiert war, wird der Einsendeschluss bis Ostermontag, 28. März, 23:59 Uhr verlängert.
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Auch in diesem Jahr gibt es ein Gewinnspiel zur Leipziger Buchmesse. Diesmal können alle teilnehmen, die in diesem Jahr zur Buchmesse vor Ort sind.
Sendet mir euer liebstes Foto!
Das kann vom Gelände sein oder aus der Stadt, von einer Lesung oder einem Stand, einer Begegnung mit dem Lieblingsautor oder der Manga-Con… Ihr habt die Wahl. Ich werde die Fotos auch nicht werten, sondern unter allen Teilnehmern zwei Überraschungsbücher auslosen (Versand auch ins Ausland). Einzige Bedingung: Keine Bilder aus dem Archiv, sondern von der #lbm16.
So entsteht ein kleines persönliches Archiv als Erinnerung, das für alle immer abrufbar ist.
Leider kann man hier mit einem Kommentar kein Foto anpinnen. Macht euch bitte die kleine Mühe und sendet das Foto an anfrage@detlef-plaisier.de; ich stelle es dann hier ein.
Teilnahmeschluss ist drei Tage nach der Buchmesse, also Mittwoch, 23. März 2016, 23:59. Und wie immer gilt: Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.
Ich bin gespannt auf eure Eindrücke von Leipzig!
Rezension: Kazuo Ishiguro, Der begrabene Riese
Was ist erstrebenswerter? Keine Erinnerungen an die früheren Lebensjahre zu besitzen und dafür in Frieden zu leben, oder all die Erinnerungen wiederzuerlangen und damit einen blutigen Krieg heraufzubeschwören? Kazuo Ishiguro widmet sich dieser Frage in seiner Geschichte über kleine und große Entscheidungen des Lebens und die Treue zueinander.
Ohne Erinnerungen
Das ältere Ehepaar Axl und Beatrice lebt zurückgezogen in einem britannischen Bauerndorf. Nur der Nebel, der die Landschaft umfangen hält, stört den Frieden. Fast scheint es so, als lasse er alle Erinnerungen an die früheren Lebensjahre verblassen. Dennoch treibt Beatrice das unstillbare Verlangen an, ihren Sohn zu finden. Das Ehepaar bricht auf, um ihn zu suchen und zugleich das Geheimnis des Nebels zu lüften.
Feinsinnige Fantasy
Ins Auge fällt, wie ausgesprochen höflich alle Protagonisten miteinander umgehen. Flüche findet man so gut wie keine, den auftretenden Rittern tut es sogar leid, dass sie gegeneinander antreten müssen, weil sie keinen Konsens finden können. Es wirkt, als schienen hier Ishiguros japanische Wurzeln durch.
Mit viel Liebe und Gefühl begleitet der Erzähler die beiden Protagonisten auf ihrem Abenteuer. Die Handlung mag ordinär wirken: Die Helden ziehen aus, um etwas oder jemanden zu finden und am Ende sogar einen Drachen zu erschlagen. Doch in der Handlung finden sich, fein eingewoben, Botschaften und Denkanstöße.
In unserer Zeit scheint der Lebenspartner so austauschbar wie das nächste Smartphone. Da wirkt eine langjährige und innige Beziehung wie die zwischen Axl und Beatrice geradezu außergewöhnlich. Sie hat es ihnen ermöglicht, ihr Abenteuer gemeinsam durchzustehen. Axls stete Sorge um seine „Prinzessin“, wie er Beatrice nennt, ist herzerwärmend. Gerade die Einfachheit, in der Axl und Beatrice miteinander leben, macht die Geschichte interessant. Sie sind beide einfache Leute, keine großen Helden oder Ritter. Damit sind sie in einer ähnlichen Position wie der Leser. Dennoch sehen sie sich auf einmal einer Situation gegenüber, eine fremde Rolle einnehmen zu müssen und über Krieg oder Frieden zu entscheiden.
Mein Fazit
Zum Schluss bleibt eine Frage im Raum stehen: Was würde ich selber wählen – Frieden oder Erinnerungen? „Der begrabene Riese“ ist ein Buch, das lange nachwirkt.
Kazuo Ishiguro, Der begrabene Riese
Karl Blessing Verlag, 2015
Online bestellen: https://www.buchhandel.de/buch/Der-begrabene-Riese-9783896675422
Autorin der Rezension: Maria Schönberg
Rezension: Karl Ove Knausgård, Leben
Mancher Leser ist von den ersten Seiten des Romans vielleicht gelangweilt, doch andere sind von der ersten Seite an gefesselt. In „Leben“, dem vierten Teil seines autobiographischen Projekts, schildert der Autor die Zeit Mitte der 1980er Jahre, als er in einen neuen Lebensabschnitt startete.
Darum geht es im Leben
Nachdem Karl Ove Knausgård mit 18 das Gymnasium abgeschlossen hatte, ging er zunächst mit großen Plänen in den Norden Norwegens. Dort wollte er Schriftsteller werden, sich dem Alkohol und Sex hingeben und vor allem geregelte Arbeit vermeiden. Doch sobald der Protagonist seine Stelle angetreten hat, springt der Autor auch schon in die Vergangenheit. Der Leser erfährt von den Besäufnissen des Protagonisten, welche Musik er am liebsten gehört und welche Bücher er am liebsten gelesen hat. Der Autor erzählt sein Leben also nahezu lückenlos nach. Überstrahlt wird die Geschichte von der großen Frage nach der Zukunft und dem Verhältnis des Protagonisten zu seinem Vater.
Chronologie? Unnötig!
Zwar schildert Karl Ove Knausgård den Kampf seines Lebens, allerdings alles andere als chronologisch. Er springt zwischen den Zeiten, wie eben gerade die Erinnerungen kommen. Damit dürfte sich „Leben“ eher als Entwicklungsroman einordnen lassen, in dem ein junger Mensch versucht, seinen Platz im Leben zu finden. Dabei ist das Ziel für den Protagonisten klar: Er ist nicht in den Norden des Landes gereist, um Menschen kennenzulernen oder Erfahrungen zu machen, sondern um Ruhe zu finden. Zudem erzählt der Autor in seiner bekannt schmucklosen Weise vom Umgang mit den Schülern, die nur wenig jünger sind als er, und deren Selbstfindungsprozess. Zwar wirkt dieser Stil oft ausufernd, jedoch meist auch gnadenlos ehrlich. Es scheint, als hätte er die Reise in den Norden nur angetreten, um sich des Vaters zu entledigen. Jedoch kehrt er später zu ihm zurück, als er aus dessen Notizen zitiert.
Mein Fazit
Karl Ove Knausgård erzählt die bewegende Geschichte eines jungen Menschen, der sich von seinem zunehmend alkoholsüchtigen Vater abnabeln möchte. Er meistert dies auf eine äußerst unaufgeregte Weise und schildert in erster Linie die tatsächliche oder fiktive Realität. Wer den Stil und fiktional erzählte Realität mag, wird „Leben“ lieben.
Karl Ove Knausgård, Leben
Luchterhand, 2014
Online bestellen: https://www.buchhandel.de/buch/Leben-9783630874135
Autor der Rezension: Harry Pfliegl
Heute jährt sich der 10. Todestag meines Vaters
Heute jährt sich der 10. Todestag meines Vaters. Das Schreiben der Biografie hat mich gelehrt, all das zu schätzen, was er mir in das Leben mitgegeben hat, und alles andere mit milderen Augen zu sehen.
COMPACT auf der Leipziger Buchmesse: Der Versuch, Menschenhetze weichzuspülen
Der Stand des COMPACT-Magazins in Halle 5 war nicht zu übersehen. Die Größe bis zur Decke lockte viele jüngere Leute an. Am Stand selbst habe ich eine bedrohliche Atmosphäre verspürt: Vor und hinter dem Tresen waren Security-Kräfte verteilt, die vereinzelt verbal und körperlich nicht zimperlich waren. Kritische Besucher am Stand, die versuchten, in eine Diskussion einzutreten, wurden mehrfach unter körperlicher Bedrängung zum Weitergehen aufgefordert. Mein Versuch, die beiden Spendenboxen am Stand zu fotografieren, wurde massiv behindert. Ein anderer Pressevertreter berichtete mir, er sei während der Fotoaufnahmen gefilmt worden.
Die COMPACT-Dialektik aus Magazin und sozialen Medien wurde in den Gesprächen seitens der Standmitarbeiter strikt vermieden. Keine Merkeldiktatur, keine Lügenpresse, kein Politikerpack. Ob Jürgen Elsässer da ähnlich zurückhaltend geblieben wäre? Er hatte wegen „eines schweren Krankheitsfalls in der Familie“ kurzfristig seine Anwesenheit in Leipzig abgesagt. Deutlicher wurde Martin Müller-Mertens, Chef vom Dienst des COMPACT-Magazins, bei der Vorstellung des COMPACT Spezial Nummer 9 „Zensur in der BRD“. Da werden Eva Hermann, Jürgen Elsässer, Elmar Hörig, Ken Jebsen und Akif Pirincci zu „Schicksalen und Opfern der Meinungszensur“; derselbe Elmar Hörig, der nach den Anschlägen auf dem Brüsseler Flughafen am 22. März twitterte (41 Likes, 8x geteilt)
„Musste es unbedingt der Brüsseler Flughafen sein ? Europaparlament hätte voll und ganz gereicht ihr kranken Arschlöcher
#betterlucknexttime
Zensur, so MMM, werde aktuell in Deutschland durch „öffentliche Hinrichtung“ betrieben. „Mißliebige Autoren“ würden durch Medienkampagnen „fertiggemacht“, es gebe Rufmord und Bedrohungen. Philosoph Peter Feist, Gesprächspartner von MMM, erläuterte das COMPACT-Motto „Mut zur Wahrheit“: „Die Wahrheit ist das Ganze, und COMPACT steht für den Teil der Wirklichkeit, der normalerweise weggelassen wird.“ Auch hier: Keine Merkeldiktatur, keine Lügenpresse, kein Politikerpack. Peinlich wurde es, als MMM aus dem Publikum aufgefordert wurde, die umstrittene „KZ-Äußerung“ von Akif Pirincci zu zitieren, wobei er sich wand und kläglich versagte.
Die vier Tage auf der Leipziger Buchmesse kommentierte MMM auf der COMPACT-Internetseite direkt am Tag danach, und da gab es keine Zurückhaltung mehr:
„Eine erwartete Provokation war unser Messestand dagegen für Feinde von Demokratie und Pressefreiheit, die sich leider auch in Leipzig breitmachen konnten… Natürlich ließ sich COMPACT von der sich links nennenden Neo-SA nicht einschüchtern. Dennoch war und sind wir entsetzt, welches Klima der Angst und Einschüchterung Antidemokraten in Leipzig offenbar vorschwebt.“
Zu weiteren Eindrücken rund um COMPACT möchte ich auf die Kollegen von SPIEGEL ONLINE verweisen.
Schöne Bücher im Wandel der Zeit: 50 Jahre Stiftung Buchkunst
Es ist wunderbar zu sehen, wenn ein Buchmensch in seiner Aufgabe aufgeht und sein Gesicht dabei „Bände spricht“. So geschehen zum Auftakt des zweiten Buchmessetages bei der Pressepräsentation zu 50 Jahren Stiftung Buchkunst. Geschäftsführerin Katharina Hesse ist einer meiner bleibenden Eindrücke von der diesjährigen Buchmesse. Wie ich sie erlebt habe, sagt Band 2 des Wörterbuches der deutschen Sprache von Joachim-Heinrich von Campe (Braunschweig, 1808):
„Ein sprechendes Gesicht, das viel Ausdruck hat, besonders, viel Geist, Lebhaftigkeit verräth.“
Was sie erzählt hat? Hier nachlesen.
Danke für die Fotos an Gerd Eiltzer
buchmesse:blogger sessions – Agieren Blogger zu flauschig? Eine Keynote als Provokation
Anja Bagus lieferte vor der Leipziger Buchmesse einen Aufreger für Autoren und Blogger mit der provokativen Frage, ob denn ein Lektorat ein Qualitätskriterium für ein Buch sein könne. Am Buchmessesonntag gegen elf Uhr startete die nächste Rakete. Und auch diese Provokation war geplant und getimt: Auf der ersten Bloggerkonferenz der Leipziger Buchmesse eröffnete Karla Paul den Diskussionssonntag mit einer zunächst harmlos klingenden Aufforderung an Literaturblogger. „Raus aus der Flauschzone!“, so ihr Appell. 17 Minuten Explosives. Mir wurde das erst beim Nachlesen und Nachhören klar.
Und weil ich mir noch nicht klar bin, inwieweit ich dieser Revolution folgen werde und inwieweit dies meinen Bloggeralltag und das Aussehen meines Blogs verändern könnte, möchte ich an dieser Stelle nur einige Denkanstöße geben. Lassen wir Karla Paul zu Wort kommen (Hervorhebungen von mir):
„[1] Stets wird sehr gönnerhaft über diese paar Blogger gesprochen, die Bücher mit Heißgetränken auf Instagram posten, die für ihre Lektüre Schmetterlingspunkte vergeben, sich gegenseitig via Facebook Blogstöckchen zuwerfen und deren Seiten vor Flausch kaum ladbar sind. Niedlich, dieses herzige kleine Ökosystem Young-Adult-lesender Katzenbesitzer, die ihre Bücher nach Farbe sortieren und zum aktuellen Lieblingsbuch gleich noch den passenden Tee samt Nagellack empfehlen.
Niedlich ist hier einzig und allein die Naivität des Feuilletons samt derer Redakteure, für deren angeblich so wichtige Tradition sich niemand mehr außerhalb ihrer eigenen Welt interessiert – die Literatur ist bereits vor Jahren ins Netz abgewandert und wait, sorry not sorry, sie hat nicht einmal um Erlaubnis gefragt.
[2] Aber verdammt noch eins, wir haben 2016 – kommt endlich raus aus Eurer Emo-Flauschzone und stellt Euch der dringend notwendigen Professionalität, denn Ihr macht Werbung für das wichtigste Medium überhaupt. Literatur verändert Menschen und benötigt Euch als Botschafter. Wo Mode- und Lifestyleblogs längst zu eigenen Unternehmen geworden sind, habt Ihr weder Mediadaten noch Nutzeranalysen, SEO-Optimierung ist ein Fremdwort, kein Affiliatesystem und auf Nachfrage reicht Euch allein das Herzblut, aber excuse me – davon kann man keine Miete bezahlen. Ihr liebt Literatur? Dann steht dafür auf und beweist, dass Euch das Thema so wichtig ist, dass Bücher so lebensverändernd sind, dass sich die Instagram-Fans lieber den neuen Juli Zeh Roman anstatt den Bibis Beautypalace Bodyschaum kaufen. Literatur ist eine Milliardenindustrie und Ihr findet ernsthaft kein anderes Geschäftsmodell als Herzblut? Verlage geben lieber Millionen an Marketingbudget für Plakatwände und Zeitungsanzeigen aus als für Euch, weil Ihr Euch mit Sprechstunden, Leseexemplaren und Geschenkpäckchen für zehn Euro zufrieden gebt, dabei hat Eure Arbeit einen nachweisbaren Wert. Der Kauf ist nur einen Klick entfernt und die Leser vertrauen Euch längst weit mehr als jedem Journalisten.
Ist meine Meinung weniger wert, nur weil ich mit Literatur tatsächlich meinen Lebensunterhalt verdiene oder vielleicht sogar mehr, weil ich meine Arbeit rund ums Buch mit Selbstbewusstsein und Zahlen untermauere, weil ich für meine Haltung einstehe und ganz klar die Folgen und den Einfluß meiner Empfehlungen komuniziere? Warum stehe ich hier und Ihr nicht, obwohl ich im letzten Jahr nicht einmal ein halbes Dutzend Rezensionen geschrieben habe? Und sagt jetzt nicht: ich will wie Karla werden. Werdet gefälligst besser!
Wir haben zusammen die Literatur demokratisiert, wir geben ihr im Netz tausend Stimmen und Möglichkeiten. Die Zeiten sind vorbei, dass wir uns als Nerds belächeln lassen müssten, dass wir einsam und allein in der Ecke sitzen und einzig die jeweiligen Buchcharaktere als Freunde haben.
[3] Professionelles Arbeiten und Leidenschaft schließen sich nicht aus, ganz im Gegenteil – zusammen macht es uns besser, lasst Euch nichts anderes erzählen. Ich hoffe, dass Ihr von dieser Messe und auch dieser Veranstaltung neben viel Motivation sehr viel neues Wissen mitnehmt und dies nutzt. Dass es Euch zu besseren Lobbyisten für die Literatur macht. Kommt raus aus Eurer Nerdecke, werdet Vollprofis für die leidenschaftliche Hingabe zum Buch! Lasst Euch nicht kleinreden für das, was Ihr täglich für Literatur leistet.“
Den deutlichsten Gegenwind gab es von Stefan Holzhauer auf phantanews.de (Hervorhebungen von mir):
„[1] … Und wenn ich das lese, geht mir ordentlich der Hut hoch, wenn gefordert wird, dass Blogs sich professionalisieren müssen. Einen Scheiß müssen Blogs. Das ist allein Wunschdenken der Branche.
[2] Das “wichtigste Medium überhaupt”? Das zeugt dann doch von einiger Realitätsferne. Wie das Statistische Bundesamt kürzlich veröffentlichte, liest der Deutsche pro Woche im Durchschnitt (!) dreidreiviertel Stunde. Das ist gerade mal knapp über eine halbe Stunde am Tag und noch nicht mal allein für Bücher, da geht das Lesen von Zeitschriften und Zeitungen mit ein. Das ist im Vergleich mit der Nutzung anderer Medien (Internet, Filme, Fernsehen, Computerspiele, Apps, soziale Medien) sogar eher wenig.
Und dann kommt direkt die unsägliche Forderung nach der Professionalisierung. Wer so etwas schreibt, hat noch nicht mal ansatzweise verstanden, was Blogs eigentlich sind, und wozu sie dienen. Wer so etwas fordert, insbesondere gleich mit Hinweis auf Mediadaten, SEO, Nutzeranalysen oder Affiliate-Anbindungen, der fordert das nicht für euch Blogger. Denn ihr kommt prima ohne so etwas aus. Wichtig sind solche Analysedaten ausschließlich für die Verlage, die unbedingt handfeste Zahlen dazu haben wollen, wie ihr ihnen genau nutzt. All dieses Professionalisieren dient letztendlich ausschließlich dazu, damit die Verlage ihre Prozesse optimieren können, vom Aufwand her und eben letztenmdlich wirtschaftlich. Wenn ihr dann alle datenschutzrechtlich möglicherweise bedenkliche Zählpixel eingebaut habt, und den Verlagen Nutzeranalysen liefert, dann könnte es schneller sein, als euch liebt ist, dass nur noch der mit den meisten Nutzern oder Zugriffen die ach so beliebten Rezensionsexemplare bekommt, über die er dann ohne Honorar schwärmen darf.
[3] Verlage geben im Gegensatz zu dem was Frau Paul sagt, sogar sehr gerne Werbebudgets für euch aus, weil sie genau wissen, wie zielgenau dieses Geld bei euren Lesern ankommt und direkt Käufe generiert, eben viel genauer als sonstige Werbemaßnahmen. Eben weil ihr für eure Leser inzwischen eine glaubwürdigere Quelle seid, als Werbung allgemein oder irgendwelche Profi-Journalisten.
Nochmal ganz deutlich: Es geht nicht um euch, die Blogger, oder eure Blogs. Die Professionalisierung dient einzig und allein den Verlagen und deren Interessen.
[4] Und sie nennt ernsthaft “Herzblut” und “Geschäftsmodell” in einem Satz. Beklagt sich sogar darüber, dass “die Blogger” kein anderes Geschäftsmodell finden, als Herzblut. Angesichts solcher pur aufs Knetemachen ausgelegten Denke könnte ich kotzen. Nicht alles im Leben ist Geschäftsmodell. Das Herzblut, die Motivation, die Authentizität derjenigen, die für die Verlage bisher kostenlos Werbung machen, derartig abzukanzeln, ist eine Stufe von kapitalistischer Arroganz, die ich für geradezu widerlich halte.“
Ich bin verwirrt. Und nun? Leider konnte ich auf den Bloggersessions nur zwei Stunden bleiben und die weiteren Diskussionen nicht verfolgen. Mein Literaturblog ist Herzblut. Kostet Zeit. Bringt keine Einnahmen. Meine Gastrezensenten erhalten das Rezensionsexemplar und ewigen Ruhm. Mehr nicht. Ich habe ein gutes, teilweise persönliches Verhältnis zu den PR-Abteilungen der Verlage. Soll das jetzt alles nicht mehr ausreichen? Soll das jetzt alles schlecht sein? Meine Leser vertrauen den Empfehlungen meiner Autoren. Wird das immer noch so sein, wenn ich Beiträge als Anzeige kennzeichne? Ich habe noch keine Antworten, bisher nur die eine: Ich fühle mich wohl mit meinem Modell. Nennen Sie es flauschig, Frau Paul. Und sagen Sie mir: Warum soll ich meine Komfortzone verlassen? Warum soll ich alles aufs Spiel setzen?