Rezension: Larry Tremblay, Der Name meines Bruders

Angesichts der jüngsten Terroranschläge des IS in Paris hat Larry Tremblays Roman „Der Name meines Bruders“ eine erschreckende Aktualität: Der Autor zeigt auf, wie leicht sich Menschen verführen lassen, um Rache zu nehmen für ein echtes oder vermeintlich geschehenes Unrecht. Zugleich dokumentiert er, wie die Mechanismen der Manipulation von Menschen auch im 21. Jahrhundert bestens funktionieren.

Quelle: www.chbeck.de
Quelle: www.chbeck.de

Die Handlung
Der Autor erzählt die Geschichte einer Familie, die sich an einem namenlosen Ort – die Beschreibungen lassen auf den Nahen oder Mittleren Osten schließen – im Krieg befindet. Die Großeltern der Zwillinge Amed und Aziz hatten ein Stück Wüste urbar gemacht und damit die Lebensgrundlage für die ganze Familie geschaffen. Eines Nachts zerstört eine Bombe den scheinbaren Frieden. Sie schlägt im Haus der Großeltern ein und tötet beide. Damit endet die Kindheit der Neunjährigen abrupt.

Einer der Zwillinge soll für den Tod seiner Großeltern Rache nehmen und – ausgestattet mit einem Sprengstoffgürtel – ein Selbstmordattentat im nahe gelegenen Munitionslager des Feindes verüben. Da Amed an einem Gehirntumor leidet und ohnehin sterben würde, wird Aziz ausgewählt, um Gott ein möglichst großes Opfer darzubringen. Weil die Mutter nicht beide Söhne verlieren möchte, heckt sie zusammen mit den Kindern einen Plan aus. Doch schließlich kommt alles ganz anders…

Wenn Menschen zu Werkzeugen werden
Larry Tremblay schildert in seinem einfühlsamen Werk, wie einfach es zu sein scheint, Menschen zu manipulieren und für falsche Zwecke zu missbrauchen. Damit gibt Tremblay wohl unvermutet auch einen Einblick in die Seelenwelt potenzieller Selbstmordattentäter und zeigt, dass diese auch nur Menschen mit Träumen und Ängsten sind und vielfach vielleicht einfach nur von falschen Propheten verführt wurden.

Der Autor verzichtet auf actionreiche Elemente und schildert eine Geschichte, wie sie sich in der Vergangenheit genauso zugetragen haben könnte und vermutlich auch zugetragen hat. Doch genau die Normalität im Angesicht des Terrors ist es auch, die mir als Leser zumindest Unbehagen bereitet. Erst recht, wenn sich die Geschichte zum Schluss auflöst und sich zeigt, dass ein geschickter Manipulator ausgereicht hat, um das Leben vieler Unschuldiger wegen einer Lüge zu zerstören.

Mein Fazit
Angesichts der Ereignisse in den vergangenen Jahren wurde „Der Name meines Bruders“ völlig zu Recht in Kanada zur Pflichtlektüre an den Schulen erhoben. Das Werk lässt in die Seele von Menschen blicken, die in der westlichen Welt schnell als Verbrecher abgestempelt werden, obwohl sie es vielleicht nicht sind. Angesichts der jüngsten Entwicklungen im Zuge der Flüchtlingsströme aus Syrien ist das zeitlos angelegte Werk erschreckend aktuell und bietet intellektuellen Zündstoff für Westeuropäer, die sich ernsthaft mit der Thematik auseinandersetzen wollen.

Larry Tremblay, Der Name meines Bruders. Aus dem Französischen von Angela Sanmann.
Verlag C.H. Beck, München 2015
Online bestellen: https://www.buchhandel.de/buch/Der-Name-meines-Bruders-9783406683411
Autor der Rezension: Harry Pfliegl

Rezension: Christine Wunnicke, Der Fuchs und Dr. Shimamura

Vom Fuchs besessen, und das auch noch in Japan! Klarer Fall für Neurologen mit geschärftem Sinn für Menschen – vorzugsweise Frauen – neben der Spur. Dr. Shimamura (den es wirklich gab) reist in der Abendröte des 19. Jahrhunderts durch die Provinz, wo das burleske Krankheitsbild zur Folklore gehört. Ein liebestoller Student begleitet ihn, geht aber bald verloren, dafür fängt der Doktor sich selbst einen Fuchs ein (den es vielleicht auch gab). Da hilft nur noch Europa, und so flieht Shimamura auf Bildungsurlaub gen Westen, besteht neurologisch aufschlussreiche Abenteuer in Paris, Berlin und Wien. Allein, der Fuchs lässt ihn nicht los – auch nicht Jahrzehnte später zurück in Japan, wo sich dieses seltsame Leben, beäugt von allerhand weiblichem Familienanhang, seinem Ende zuneigt. Und so bleibt der Fuchs der unsichtbare Protagonist dieses fernöstlichen Gegenwartsromans.

Quelle: www.berenberg-verlag.de
Quelle: www.berenberg-verlag.de

Der Klappentext verrät es schon: Hier wird es richtig schräg! In mehreren Rückblenden erzählt der Roman über das Leben des herrlich verschrobenen Nervenarztes Dr. Shimamura und seiner Erforschung der Fuchsbesessenheit. Ob es sich dabei um eine Nervenkrankheit, einen Parasiten oder um einen Parasiten handelt, der eine Nervenkrankheit hervorruft, klärt sich nicht endgültig auf dieser irrwitzigen Reise durch die sommerheiße Provinz Shimane. Zusammen mit seinem verquasselten Assistenten versucht Dr. Shimamura der rätselhaften Krankheit auf den Grund zu gehen. Bei der Behandlung einer schönen Fischhändlerstochter fängt sich der Doktor selbst den Fuchs ein, was ihn nach Europa treibt. Er trifft auf die dort führenden Geisteswissenschaftler Charcot, Breuer und Freud, hospitiert in der Salpetrière und der Charité und wird fast selbst zum Patienten. Schließlich beendet er sein Europa-Abenteuer mit der Erkenntnis, dass das analytische Gespräch für Japan unbrauchbar sei, da es dem Sinn für Höflichkeit widerspricht. Was für ein herrlicher Wirrwarr!

Wer skurrile Geschichten mag, wird diesen Roman lieben. Die Sprache ist teils poetisch, teils komisch und die Handlung beinahe surrealistisch. Einen Vorgeschmack erhält der Leser schon im Vorwort, das mit diesem Satz endet: “Gepriesen sei die Hysterie und ihr Gefolge junger nackter Frauen, die über die Dächer gleiten!“ (André Breton, Zweites Manifest des Surrealismus, 1930)

„Der Fuchs und Dr. Shimamura“ ist das zweite Buch von Christine Wunnicke im Berenberg-Programm. Es war 2015 für den Deutschen Buchpreis nominiert (Longlist). Der Berenberg-Verlag wurde ebenfalls 2015 mit dem Kurt-Wolff-Preis ausgezeichnet „für Bücher, bei deren Lektüre sich dem intellektuellen Reiz und der Lust am Text die Freude an der eleganten Buchgestaltung beigesellt“, so das Kuratorium der Kurt-Wolff-Stiftung. Auch Dr. Shimamura folgt diesem Anspruch in einer attraktiven Halbleinen-Ausstattung mit Fadenheftung.

Christine Wunnicke, Der Fuchs und Dr. Shimamura
Berenberg Verlag, Berlin 2015
Online bestellen: https://www.buchhandel.de/buch/Der-Fuchs-und-Dr-Shimamura-9783937834764
Autoren der Rezension: Petra Gugel / Detlef M. Plaisier

Sonntag. Wetter irgendwie zwischen Herbst und erstem Schnee. Schreibwetter.

Die Biografie soll meine zweite Buchveröffentlichung werden nach einem kulinarischen Einkaufsführer aus dem Jahr 1999. Ich bearbeite einen Text meines Vaters, der es in sich hat. Er schildert seine Zeit in Ostfriesland und dem Emsland in den 1920er und 1930er Jahren bis zur Einberufung an die Ostfront. Ich habe viel Neues über die Familie erfahren, Spannendes, Anrührendes und Schreckliches. Ich war vor Ort, habe ganz viel Hilfe und Wärme erfahren und neue Verwandte kennengelernt. Und auch mit einem Verlag sieht es verdammt gut aus. All das will ich hier erzählen, gewürzt mit einigen Fotos aus Ostfriesland. Ich freue mich über ganz viele Leserinnen und Leser und natürlich Fragen und Kommentare!

Rezension: Aljoscha Brell, Kress

„Kress“ ist Aljoscha Brells Romandebut. Der 35-jährige Autor wurde im nordrhein-westfälischen Wesel geboren, lebt und arbeitet inzwischen in Berlin. Dort leitet er ein Team von Webentwicklern in einem IT-Unternehmen. 2008 war er Stipendiat der Autorenwerkstatt Prosa des Literarischen Colloqiums Berlin. Ein Jahr später erhielt Aljoscha Brell das Alfred-Döblin-Stipendium der Berliner Akademie der Künste. An seinem Debut schrieb Aljoscha Brell acht Jahre. Im September 2015 erschien „Kress“ dann im Ullstein Verlag.

Quelle: www.ullsteinbuchverlage.de
Quelle: www.ullsteinbuchverlage.de

Kress – einfach krass!
Der Protagonist Kress gehört nicht gerade zu den typischen Studenten in der Hipster-Hauptstadt Berlin. Nein, eigentlich verkörpert er das komplette Gegenteil. Das Internet kennt er nur vom Hörensagen, sein Leben kreist um Goethe. Sein einziger Gesprächspartner ist die Taube an seinem Fenster, die er mit „Sie“ anspricht. Als Leserin schüttele ich auf nahezu jeder Seite des Buches den Kopf: so kurios und sozial inkompetent kann ein Mensch doch gar nicht sein! Der Literatur- und Philosophiestudent verachtet seine Altersgenossen und das Leben, das sie führen. Partys, WG-Leben, Reisen – alles Zeitverschwendung für Kress

Diese arrogante Einstellung bringt Autor Aljoscha Brell sprachlich wunderbar zu Papier. So gut, dass ich Kress‘ Überheblichkeit sogar irgendwie sympathisch finde. Ich leide mit, als sein eingespieltes Leben zwischen dem Neuköllner Hinterhofzimmer und seinem Stammplatz in der Bibliothek erschüttert wird. Die große Krise: er ist pleite, sein Traum einer akademischen Karriere gerät ins Wanken und eine Kommilitonin verdreht ihm den Kopf. Und er stellt sich dabei so unbeholfen an, dass es mir weh tut. Ein unsicherer Typ, immer eine Achterbahn der Gefühle, dumme Kurzschlussreaktionen: die Geschichte wirkt manchmal ein bisschen übertrieben, aber überaus originell und rührend erzählt.

Mein Fazit
Eine Geschichte wie diese habe ich wirklich noch nie gehört oder gelesen – absurd, dieser Kress! Es ist faszinierend, in die Gedankenwelt solch einer Person einzutauchen. Aljoscha Brell spielt dabei mit Humor, Melancholie und einer authentischen Sprache. Sehr lesenswert!

Aljoscha Brell, Kress
Ullstein, 2015
Online bestellen: https://www.buchhandel.de/buch/Kress-9783550081095
http://www.ullsteinbuchverlage.de/nc/autor/name/Aljoscha-Brell.html
www.aljoschabrell.de
Vielen Dank für die erste Rezension an Franziska Schmidt!

Rezension: Robert Seethaler, Der Trafikant

Vordergründig erzählt Robert Seethaler in „Der Trafikant“ die Geschichte der Freundschaft zwischen dem 17jährigen Franz Huchel und dem mehr als 60 Jahre älteren „Deppendoktor“ Sigmund Freud. Doch es geht um mehr: Der Wiener Autor schildert das Wien der 1930er Jahre und den erschreckenden gesellschaftlichen Wandel nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten.

Quelle: https://keinundaber.ch
Quelle: https://keinundaber.ch

Die Handlung
Als während eines Gewitters der Großgrundbesitzer Alois Preininger vom Blitz erschlagen wird, ändert sich das Leben des 17jährigen Franz Huchel radikal: Preininger war der Liebhaber seiner Mutter und unterstützte diese finanziell, nachdem der Vater ihres Sohnes bereits kurz vor der Geburt gestorben war. Deshalb schickt die Mutter ihren Sohn nach Wien zur Ausbildung beim Trafikanten Otto Trsnjek, weil dieser ihr noch einen Gefallen schuldet.

Otto Trsnjek, ein Kriegsversehrter, nimmt den Jungen bei sich auf und weist ihn in die Aufgaben eines Trafikanten ein. Vor allem legt er Franz nahe, sorgfältig die Zeitungen zu lesen, weil er über ihren Inhalt ebenso gut Bescheid wissen müsse wie über die Tabakwaren.

Eines Tages kauft Sigmund Freud eine Zeitung und Zigarren, vergisst jedoch seinen Hut. Franz läuft ihm deshalb nach, die beiden kommen ins Gespräch und im weiteren Verlauf entwickelt sich eine Art Freundschaft zwischen den beiden Männern. Das Leben aller Beteiligten nimmt schließlich eine tragische Wende, als die Nationalsozialisten die Macht über Österreich übernehmen: Otto wird von der Gestapo abgeholt, Freud muss nach London emigrieren und Franz die Geschäftsführung der Trafik übernehmen.

Eine wahre Geschichte?
Robert Seethaler erzählt seine Geschichte unaufgeregt und schnörkellos. Gerade deshalb gelingt es ihm meisterhaft, den Leser in das Wien der 1930er Jahre und in die handelnden Charaktere zu versetzen. Der Leser staunt mit dem einfachen Burschen aus dem Salzkammergut, als er die Wunder der Großstadt kennenlernt und sich im Prater in eine Böhmin verliebt, die ihn jedoch nur ausnutzt. Und schließlich bekommt der Leser auch einen Eindruck davon, wie es gelungen sein könnte, dass ein totalitäres System Besitz von den Menschen und all ihren Lebensbereichen nimmt.

Robert Seethaler pflegt schwarzen Humor, wie er für viele Wiener Erzähler charakteristisch ist, und gibt seinem Werk gerade dadurch mehr Tiefe. Er erzählt eine Geschichte aus einem der düstersten Kapitel der deutschen und österreichischen Historie, die sich genauso zugetragen haben könnte. Gerade das macht den Text auch für die jüngere Generation von Lesern interessant, welche diese Epoche nur noch aus Geschichtsbüchern kennt.

Mein Fazit
Die Charakteristik „typisch wienerisch“ trifft für die Tragikomödie mit manchmal märchenhaften, oft bitterbösen Passagen, voll und ganz zu. Seethaler gelingt das Kunststück, eine Geschichte vor realem, tragischem Hintergrund charmant zu erzählen, indem er die Absurdität des Geschehens anhand einzelner Szenen vor Augen führt. Angesichts der jüngsten politischen Entwicklungen in Europa wirkt „Der Trafikant“ zugleich erschreckend aktuell.

Robert Seethaler, Der Trafikant
Kein und Aber Verlag, Zürich 2012
Robert Seethaler liest: https://keinundaber.ch/de/autoren-regal/robert-seethaler/
Online bestellen: https://www.buchhandel.de/buch/Der-Trafikant-9783036956459
Autor der Rezension: Harry Pfliegl

Preis der Leipziger Buchmesse 2016: Bewerbungen aus 113 Verlagen mit 401 Titeln

LBM16_Preis_rgb401 Werke aus 113 Verlagen haben sich um den Preis der Leipziger Buchmesse 2016 in den Kategorien Belletristik, Übersetzung und Sachbuch/Essayistik beworben. Die Auszeichnung wird 2016 zum zwölften Mal verliehen. Er ehrt herausragende deutschsprachige Neuerscheinungen und Übersetzungen und ist mit insgesamt 60.000 Euro dotiert. Dabei erhalten die 15 Nominierten je 1.000 Euro, die Gewinner der drei Kategorien je 15.000 Euro. Die Preise werden traditionell am ersten Tag der Buchmesse vergeben, diesmal am 17. März.

In der Jury des Preises der Leipziger Buchmesse 2016 sitzen vier neue Mitglieder. Als Vorsitzende löst die Journalistin und Literaturkritikerin Kristina Maidt-Zinke den bisherigen Vorsitzenden Hubert Winkels turnusgemäß ab. Sie wird drei Jahre amtieren. Darüber hinaus ergänzen mit Maike Albath, Burkhard Müller und Alexander Cammann drei neue Jurymitglieder das Literatur-Septett. Weiterhin urteilen Sandra Kegel, Meike Feßmann und Dirk Knipphals in der Jury.

Rezension: Stephanie Lam, Das Haus der Lügen

Jeder Mensch hat seine kleinen oder größeren Geheimnisse, und jeder lügt ab und zu aus verschiedenen Gründen. Manche, um andere nicht zu verletzen, manche aus Scham oder Angst, wieder andere aus Berechnung, Zorn oder Rachedurst. In Stephanie Lams „Haus der Lügen“ besteht das ganze Leben aus Lügen – und dem, was passiert, wenn man sich zu tief darin verstrickt hat, um die Wahrheit noch sehen zu können.

Quelle: www.randomhouse.de
Quelle: www.randomhouse.de

Ein Haus und seine Geheimnisse
1965 zieht die 18-jährige Rosie Churchill in Castaway House ein. Die einst herrschaftliche Villa thront auf den Klippen über einem englischen Küstenstädtchen. Unter einem Fensterbrett entdeckt sie die Inschrift „Robert Carver ist unschuldig“ und damit ein kleines Stück des dunkelsten Geheimnisses der alten Villa aus dem Sommer 1924, als der 19-jährige Robert Carver auf Einladung seines Cousins Alec eine vermeintlich unbeschwerte Zeit an der See zu Erholung seiner Lungen verbringen will. Doch bald schon wird auch Robert hineingezogen in das Gewirr aus Lug und Betrug, das Alec und seine Frau Clara rund um sich gesponnen haben. Robert, der das Spiel nicht durchschaut, wird selber zum Lügner.

1965 taucht ein Landstreicher an der Tür der Villa auf, der behauptet, er müsse etwas Wichtiges wegen des Hauses klären, wisse aber nicht mehr was, da er vor Jahren das Gedächtnis verloren habe. Rosie, die selbst ein Geheimnis mit sich herumträgt und deswegen zur Lügnerin geworden ist, hat Mitleid mit dem alten Mann und beginnt, sich um ihn zu kümmern. Und plötzlich kreuzen sich die Lebensgeschichte von Robert und Rosie trotz der mehr als 40 Jahre zwischen ihrer Anwesenheit in Castaway House.

Langsam, dicht und detailreich
Stephanie Lam erzählt die Geschichten von Castaway House und seiner Bewohner zwischen 1924 und 1965 langsam, präzise und spannend. Als Leser habe ich eine Ahnung von dem, was passiert, und werde dennoch überrascht. Mit vielen Details erwacht die Welt der Protagonisten zum Leben und es wächst das Verständnis dafür, warum jeder sich in seinen Lügen sicherer fühlt als mit der Wahrheit. Trotz der langsamen Erzählweise und der beiden Handlungsstränge, die sich mehr und mehr ineinander verweben, ist „Das Haus der Lügen“ niemals langatmig oder verwirrend. Und gelegentlich ertappe ich mich dabei, den handelnden Personen den Rat geben zu wollen, es einmal mit der Wahrheit zu versuchen, anstatt auf Lügen zu beharren, die sich längst schon verselbstständigt haben.

Fazit
„Das Haus der Lügen“ ist Erzählung und Krimi in bestem britischen Stil. Ein Buch, das den Leser dazu verführt, immer „nur noch eine Seite“ lesen zu wollen, weil es von Anfang an in den Bann der Geschichten zieht. Je weiter die Entwicklungen fortschreiten, desto klarer werden die Entscheidungen und Lügen, und desto mehr wächst das Verständnis für jeden einzelnen Protagonisten wie auch die Erkenntnis, dass auch im eigenen Leben das eine oder andere Geheimnis schlummert. Die Wahrheit ist zwar nicht immer schön, aber das einzige Mittel, mit sich selbst in Frieden und ohne Schuld zu leben. Eine wirklich faszinierende Geschichte mit unbedingter Leseempfehlung.

Stephanie Lam, Das Haus der Lügen
Goldmann Verlag, 2015
Online bestellen: https://www.buchhandel.de/buch/Das-Haus-der-Luegen-9783442204458
Autor der Rezension: Harry Pfliegl

Review: Gelber Hund, grüne Katze by author Yvonne Kuschel – the colors of acceptance

The 2015 book „Gelber Hund, grüne Katze“ (“Yellow Dog, Green Cat“) is clearly a work of love by author Yvonne Kuschel, who wrote, illustrated and designed it herself. Kuschel, currently a Leipzig resident and member of the e.o.plauen Foundation, is an eclectic author: Her richly illustrated books have dealt with the wonders of the bosom (Busenwunder – intime Geschichten rund um die schönsten Kurven der Welt, 2014); the relationship between tragic lovers (Der himmlische Heinrich – Eine perfekte Liebeserklärung, 2013); and uneven resource distribution on the planet (the award-winning Beschissatlas, 2012).

Quelle: http://kunstanstifter.de
Quelle: http://kunstanstifter.de

Kuschel’s latest manages to produce quite a nuanced and creatively illustrated fable; it’s attractive for adults as well as children, refreshingly lacking a canned, black-and-white moral lesson and instead gently offering up many insights. It can be interpreted as a political work calling for greater acceptance of difference in society as much as a nice children’s book about the importance of being open to new friendships, experiences and even misfortunes in life (which many adults could learn from as well). It is also a good way for those learning German to pick up new vocabulary while using Kuschel’s vivid, quirky drawings as a guide.

In fact, there is quite a gray area involving the book’s colored protagonists, the Yellow Dog and the Green Cat. We learn the basic facts about them pretty quickly, but it is not easy to guess how their relationship will play out. They both live alone, and inside mountains facing each other. The Dog is hyperactive and likes to dig all day long and howl at the moon every night; the Cat meanwhile prefers to sleep all day long in her hammock, and then climb out of her mountain for nighttime escapades. One night they happen to be looking out of their respective mountain dwellings at the same time, and catch a glimpse of each other. While the Green Cat shows only a passing interest in the Dog, the Yellow Dog decides to invest considerable effort in trying to get to know the Cat.

The Yellow Dog tries to reach out to the group of cats the Green Cat hangs out with, but is rejected. The journey the friendly Yellow Dog falls into while trying to befriend the elusive, aloof (but perhaps, deep inside, caring) Green Cat lands him in an unpleasant situation. What the Dog learns from it, and whom he meets unexpectedly, may make all the difference, however. The greatest punishment and reward one finds in this book may both have to do with degrees of acceptance.

Overall a very entertaining read also for its illustrations (how many mice can you count?), and with nice depth; I would just have liked the last two pages to have had more details about the denoument.

Gelber Hund, grüne Katze (2015) is published by kunstanstifter verlag, Mannheim. It can be ordered here. Author of this review is Ana Beatriz Ribeiro, Editor-in-Chief, The Leipzig Glocal.

Save the date: Erste englischsprachige Rezension auf dem Blog

Ana Beatriz Ribeiro. Quelle: www.leipzig-writers.de
Ana Beatriz Ribeiro. Quelle: www.leipzig-writers.de

Morgen gibt’s eine Premiere auf dem Blog: Ana Beatriz Ribeiro, Chefredakteurin von The Leipzig Glocal, hat mit großer Freude ein Kinderbuch gelesen. Sie hat dazu eine Rezension in englischer Sprache geschrieben, und die erscheint dann morgen hier. Freuen Sie sich auf „The colors of acceptance“, einen Lesebericht zu dem wunderbaren Kinderbuch „Gelber Hund, grüne Katze“ der Leipziger Autorin und Illustratorin Yvonne Kuschel.