Hast du Töne: Crowdfunding für Musik auf der Leipziger Buchmesse

Sie sprechen mich auf der Empore der Glashalle an. Tine und Moritz sind CousCous, ein junges Musikduo aus Dresden. Sie machen sauberen Acoustic Art Pop ohne Loopstations und Sampler. Nach dem Debütalbum „Paper Tiger“ aus dem Jahr 2012 ist jetzt das Projekt „Tales“ in der Pipeline. Das Besondere: Das Album wird anstelle eines Booklets mit einem gebundenen Hardcover-Buch kombiniert, das die Leipziger Künstlerin Anemone Kloos liebevoll illustriert. Die Finanzierung erfolgt über musicstarter.de, Deutschlands erstem Crowdfunding-Musiklabel.

Auf Promotiontour: Das Duo CousCous auf der Leipziger Buchmesse. Foto: Detlef M. Plaisier
Auf Promotiontour: Das Duo CousCous auf der Leipziger Buchmesse. Fotos (2): Detlef M. Plaisier

Stell dir vor, du könntest öfter mal lachen… Der Junge mit den Schmetterlingen im Bauch sucht auf einer abenteuerlichen Reise die fehlenden Gefühle in seiner Welt. Er begegnet skurrilen Menschen wie der Frau mit den zwei grünen Daumen, dem Mädchen mit dem Herz auf der Zunge und dem Mann, der anderen Löcher in den Bauch fragt, er findet Freunde und trifft auf einen Professor mit einem dunklen Geheimnis…

„Tales ist ein Album, das man immer wieder hören will. Du legst es ein und hörst es an einem Stück durch“, verspricht Moritz. Doch die Hürde ist hoch: Die Fundingschwelle liegt bei 15.000 Euro. Die gesamte Summe fließt in Aufnahme und Produktion der CD, Anfertigung der Illustrationen und den Buchdruck. „Erreichen wir sogar 30.000 Euro“, erzählt Moritz, „bekommen wir einen Plattenvertrag mit Musicstarter. Dann wird unser Projekt professionell veröffentlicht und promotet. Ein Traum für uns!“

Leipziger Buchmesse 13. März 2015. Foto Detlef M. Plaisier (26)Wer das Projekt unterstützen möchte, kann hier seinen Beitrag leisten. Die Crowdfunding-Aktion läuft bis zum 2. Mai 2015. Auf der Seite von musicstarter.de stehen auch die Termine der Promotionshows von CousCous im März und April.

Rezension: Rupert Dance und Lillian A. Darling, Blaue Feen & Weiße Königinnen – die Essenz der Märchen

Eine deutsch-britische und eine deutsche Autorin, die sich bereits die ersten Sporen in der literarischen Welt verdient haben, wollen gemeinsam ein Märchenbuch verfassen. Weil ihre ersten Publikationen in anderen literarischen Genres liegen, erscheint es nur logisch, dass sie das Gemeinschaftsprojekt unter Pseudonym veröffentlichen. Das Duo Rupert Dance und Lillian A. Darling beweist, dass selbst Geschichten von Völkern, die längst das Antlitz der Erde verlassen haben, bis heute nichts von ihrer Magie und Faszination verloren haben. Erhältlich ist die Sammlung in der Kindle Edition als E-Book.

Quelle: amazon.de
Quelle: amazon.de

Bekannte Motive und unbekannte Geschichten
In einem einleitenden Kapitel gibt das Autorenduo einen persönlich angehauchten Einblick in die Welt der Märchen und schildert einige Hintergründe zu diesem literarischen Sujet. Die bekannten Märchensammler wie die Brüder Grimm haben die Märchen nicht frei ersonnen, sondern Geschichten gesammelt, die seit Generationen im Volksmund erzählt wurden, oft um der einfachen Bevölkerung moralische Werte und Tugenden zu vermitteln. Und nicht selten reichen die Geschichten der Märchen zurück bis in die römische, griechische oder keltische Mythologie.

Anschließend erzählen Rupert Dance und Lillian A. Darling abwechselnd 17 Geschichten. Als Vorlage dienen größtenteils Märchenmotive, die der Leser aus den Werken von Hans Christian Andersen oder den Brüdern Grimm kennt. Aber auch moderne Märchen, etwa ein Drehbuch, werden märchenhaft interpretiert. Dance und Darling konzentrieren sich dabei größtenteils auf die eher unbekannteren Geschichten der großen Märchenerzähler. Märchen-Evergreens wie „Dornröschen“ oder „Schneewittchen“ dürfen natürlich nicht fehlen, diese werden jedoch in Gedichtform verarbeitet.

Alte Geschichten im modernen Gewand
Die Sprache der beiden Autorinnen ist märchenhaft und zugleich modern. Dieser nicht einfache Spagat gelingt ihnen durch alle Geschichten hindurch bestens. Da vor jedem Märchen die ursprüngliche Quelle oder das jeweilige Märchenmotiv genannt wird, kann der interessierte Leser nachvollziehen, welche Details einer vielleicht schon bekannten Geschichte abgewandelt wurden und inwieweit die Handlung vom scheinbaren Original abweicht. Für den Kenner ergibt sich dabei so manch überraschende Wendung.

Mein Fazit
Mit „Blaue Feen & Weiße Königinnen“ ist eine rundum gelungene Märchensammlung entstanden. Diese richtet sich eher an ein erwachsenes Publikum, welches die Vorlagen kennt und gewiss Spaß daran hat, die Unterschiede aufzuspüren. Man mag sich fragen, ob ein neues Märchenbuch nun wirklich noch sein muss. Im Fall von „Blaue Feen & Weiße Königinnen“: Eindeutig Ja! Hier wird nicht nacherzählt, sondern neu interpretiert. Und das ist verdammt spannend.

Rupert Dance und Lillian A. Darling, Blaue Feen & Weiße Königinnen – die Essenz der Märchen
Kindle Edition, 2015
Online bestellen: http://amzn.to/1MOgTTW
Autor der Rezension: Harry Pfliegl

Rezension: Wolf Schmid, Pedalpilot Doppel-Zwo

Pedalpilot Doppel-Zwo ist der Ritter der Straße. Als Radkurier in Hamburg bringt Johannes jeden Tag Sendungen auf die Asphaltbahn. Bis ein Bruch ihn aus derselben wirft. Also muss Walter ran, sein Vater. Der tut sich anfangs schwer, ist er doch – als einer der letzten verbeamteten Postzusteller – gerade in Pension gegangen. Und er ist ein schüchterner Kauz. Aber Walter fällt ausnahmsweise mal das Glück zu.

Quelle: www.liesmich-verlag.de
Quelle: www.liesmich-verlag.de

Wolf Schmid legt mit Pedalpilot Doppel-Zwo einen wunderbaren Erstlingsroman vor. Schmids Sprache ist klar und spiegelt seinen Ideenreichtum wider. Und damit erzählt er eine Geschichte, die subtil politisch ist: Es ist die vom Sonderling Walter, der im heutigen Raubtierkapitalismus verloren wäre. Walter gehört noch zu einer Generation, in der Postboten und Paketzusteller verbeamtet waren und es zu bescheidenem Wohlstand bringen konnten: ein Haus, eine Eigentumswohnung, ein kleiner Weinberg. Das zählt Walter, der den Mund nicht aufbrächte, selbst wenn es um sein Leben ginge, zu seinem Besitz. Plus Pension.

Johannes wird das wohl nie erreichen. Ungleich gewandter und mit höherem Bildungsabschluss ausgestattet, schlägt er sich in einem ähnlichen Job als Kurierfahrer durch. „Spare in der Zeit, dann hast du in der Not“, rät sein Vater. „Spar du dir lieber deine Sprichworte. Mir bleibt am Ende des Monats nichts zum Sparen. Das ist heute nicht mehr wie zu deiner Zeit, als jeder popelige Briefträger sich Mitte zwanzig den Traum vom Eigenheim erfüllen konnte“, entgegnet Johannes und bringt den Generationsunterschied auf den Punkt. Johannes muss sein Leben ganz anders auf die Reihe bekommen als sein Vater. Und das bald.

Wolf Schmid erzählt von der Prekarisierung einer Bevölkerungsschicht, verpackt in eine liebevolle Geschichte, die den Leser hoffnungsfroh zurücklässt. Bravo!

Wolf Schmid, Pedalpilot Doppel-Zwo
Liesmich-Verlag, 2015
Autorin der Rezension: Eva Maria Kasimir

Hallo, Wolf Schmid: Der Pedalpilot zu Hause in der Leipziger Radkneipe

Der Charme des Abends sprudelt aus zwei Quellen: Der Lesung von Autor Wolf Schmid. Und dem Ambiente der Kneipe Dr. Seltsam. Sie bildet den passendsten Rahmen, den es für einen Roman über Fahrradkuriere wohl geben kann, denn sie ist tagsüber eine Selbsthilfewerkstatt für Radfahrer und abends eben Kneipe. Folglich hängen Fahrräder von der Decke des heruntergekommenen Gebäudes. Die Wand mit den Werkzeugen, mit warmem Licht angestrahlt, wird zum Hintergrund für Schmids Geschichte, wie es sich kein Fotograf besser wünschen könnte.

Autor Wolf Schmid im Dr. Seltsam. Foto: Eva Maria Kasimir
Autor Wolf Schmid im Dr. Seltsam. Foto: Eva Maria Kasimir

Schmids Fangemeinde ist bereits vor Ort: Die Radkuriere Leipzigs, welche die Veröffentlichung des Buches im Herbst vergangenen Jahres bereits ersehnt hatten. „Wir wussten aus einem Internetforum davon, in dem Schmid Hamburger Kuriere darum bat, zu checken, ob die Orte in der Hansestadt noch so stimmen“, erzählt einer, der bis vor drei Jahren noch selbst Kurier war. Und auch Schmid ist ein Ex-Kurier: „Ich fuhr während des Studiums in Hamburg und danach noch eine Weile professionell in München“, so der 39-Jährige. Schmid hat beim Eichborn-Verlag volontiert, Ethnologie und Allgemeine Rhetorik studiert und war unter anderem Buchhändler und Messebauer. Seit 2009 lebt er in Lissabon und arbeitet in einem Call-Center, wo die Kunden eines Schweizer Telekommunikations-Unternehmens betreut werden. Er weiß also, wovon er schreibt, wenn es um prekäre Jobs geht.

Auch sein Verlag ist – noch – eine prekäre Angelegenheit. Der Liesmich-Verlag ist frisch gegründet, der Pedalpiloten-Roman ist die erste Veröffentlichung überhaupt. „Ich freue mich, dass das Interesse immer noch anhält. Seit Herbst bringen wir uns immer wieder ins Gespräch“, so Verleger Karsten Möckel, der hart am PR-Rad dreht und alle möglichen Medien dazu gebracht hat, auf den Wagen aufzuspringen. Die Verkäufe sind dem Aufwand allerdings noch nicht nachgekommen. Bisher sind etwa 800 Stück verkauft. Klingt wenig. Ist aber für einen doppelten Erstling ein beachtlicher Erfolg. „Ich habe mich bewusst für diesen Verlag entschieden, weil ich nicht an große Verlage schreiben und ein halbes Jahr auf Antwort warten wollte“, sagt Schmid. Nun boxen sie sich eben zusammen durch, der Autor und der Neuverlag.

Fahrräder auf der Messe Touristik und Caravaning Leipzig 2014. Foto Detlef M. Plaisier
Fahrräder auf der Messe Touristik und Caravaning Leipzig 2014. Foto Detlef M. Plaisier

Schmid hat im Rahmen der Buchmesse eine Reihe von Lesungen absolviert. Aber richtig zu Hause ist er im Dr. Seltsam, wo das Buch zur Veröffentlichung präsentiert wurde. Schmid erntet viele Lacher und Zwischenrufe. Ihm gelingt es, bei der Lesung  nur wenig von der Geschichte preiszugeben. Und Schmid erklärt den Kurier-Slang: „Beim offenen Funk muss man die Touren ersteigern und sich gegenseitig in der Zeit, in der man die Tour fahren kann, unterbieten. Gibt´s so was in Leipzig?“ Gibt es nicht.

„Hier gibt es zwei große Kurierbuden, und die fahren meist feste Touren“, erzählt der Ex-Kurier. Er sah es immer so, dass er für das Radfahren bezahlt wurde. „In seinem Kopf klackerte permanent eine Zähluhr, die Monats- und Tagesumsatz, den gegenwärtigen Stundenlohn und Gewinn anzeigte, Ausgaben aufaddierte und Alarm schlug, wenn er vom Haben ins Soll rutschte“, heißt es im Roman. Die Leipziger Kuriere kennen das nur zu gut. Verleger Möckel versucht derweil Bücher zu verkaufen. „Es kostet 15 Euro. Das ist verdammt viel Geld für einen Kurier. Das hat mir damals den Kühlschrank voll gemacht“, erzählt der Ex-Fahrer. Und so bleibt Möckel an diesem Abend auf den Romanen sitzen.

Vielen Dank für den Text an Eva Maria Kasimir!

Rezensionsreihe Israel zur Leipziger Buchmesse 2015, Teil 8: Yali Sobol, Die Hände des Pianisten

Der Beginn einer Militärdiktatur wirft seine Schatten auf Tel Aviv. Am Beispiel eines jungen Paares entsteht eine Parabel von Machtmissbrauch und Menschlichkeit.

Zum Autor
Mit seiner Band „Monica Sex“ feierte Yali Sobol, geboren 1972 in Haifa als Sohn des Dramatikers Jehoschua Sobol, in Israel und später in New York große Erfolge. Nach einem Soloalbum sowie einer Kolumne in der Wochenzeitung Tel Aviv wandte er sich dann dem Schreiben von Romanen zu. Mit „Die Hände des Pianisten“ erscheint erstmals einer seiner Romane in deutscher Übersetzung.

Quelle: www.kunstmann.de
Quelle: www.kunstmann.de

Leben unter dem ÜOK
Der Krieg in Israel ist vorbei, ein großer Teil von Tel Aviv zerstört. Anstelle der alten Regierung hat das Übergangsoberkommando (ÜOK) unter der Leitung von General Meni Shamai den Notstand ausgerufen. In dieser Zeit der Ungewissheit versuchen die Bewohner Tel Avivs zu ihrem Alltag zurückzukehren. Unter ihnen sind der Pianist Joav Kirsch und seine Frau Chagit, die als Cutterin in einem lokalen Nachrichtensender arbeitet. Vor allem für Joav bedeuten die neuen Gesetze und die verstärkte Kontrolle ein Hindernis in seiner beruflichen wie künstlerischen Entfaltung. Für seine Tournee wird keine Ausreiseerlaubnis erteilt, er wird verhört und die wenigen Auftritte werden kaum bezahlt. Dann trifft er zufällig auf einen reichen Förderer, der ihm sogar anbietet, ihn außer Landes zu schmuggeln – aber ohne seine Frau.

Auch Chagit bekommt die strengen Auflagen des Regimes in ihrer Arbeit zu spüren. Im Nachrichtensender spiegelt sich die immer dichter werdende Atmosphäre von Überwachung und Verrat wider und auch die Beziehung zu Joav beginnt zu bröckeln. Als ein Kollege ihr einen USB-Stick mit brisantem Material anvertraut, kann sie die Konsequenzen ihrer Hilfe noch nicht erahnen.

Eine Frage der Prinzipien
Der Roman liest sich wie ein Prequel einer politischen Dystopie und nimmt sich viel Zeit, um die Figuren und Umstände zu beschreiben. Zu Beginn steht Joavs Kampf um seine Kunst, die durch die Beschränkungen des Militärregimes und später auch den Geschmack seines Mäzens immer stärker beeinflusst wird, bis er sich beinahe in zwei Persönlichkeiten splittet. Gleichzeitig zieht sich Chagit immer mehr in ihre kühle Berechnung zurück, versucht ihren Mann aus allem raus und ihre Prinzipen für sich zu erhalten. Sobol richtet den Blick auch auf die Seite der Machthaber und beschreibt, wie eine kleine Abteilung langsam zu einer straff organisierten Behörde gegen „politische Umtriebe“ ausgebaut wird, Polizisten langsam abstumpfen, korrumpieren.

Mein Fazit
Mit einer klaren Sprache malt Sobol ein dunkles Szenario, wie sich Menschen unter politischen Druck verhalten und verändern. Trotz eines recht ruhigen Einstiegs bleibt das Buch bis zur letzten Seite packend. Ich hoffe darauf, dass auch die anderen Bücher des Autors bald ins Deutsche übersetzt werden.

Yali Sobol, Die Hände des Pianisten
Verlag Antje Kunstmann, 2014
Online bestellen: https://www.buchhandel.de/buch/Die-Haende-des-Pianisten-9783888979262
Autorin der Rezension: Jasmin Beer

Rezension: Michael Cunningham, Die Schneekönigin

Inspiriert durch die Märchen von Hans Christian Andersen, verwebt Cunningham in seinem Roman magische Elemente mit der Lebens- und Gefühlswelt zweier Brüder.

Zum Autor
„The Hours“ wurde für Michael Cunningham, geboren 1952, der Durchbruch. Auf den Pulitzerpreis und PEN/Faulkner Award folgte die umjubelte Verfilmung mit Nicole Kidman in der Hauptrolle. Sein Roman „Fünf Meilen bis Woodstock“ bot ebenfalls Stoff für die Kinoleinwand. Cunningham lebt in New York City und unterrichtet Kreatives Schreiben an der Columbia.

Quelle: www.randomhouse.de
Quelle: www.randomhouse.de

Ein himmlisches Licht scheint auf die Tragik des Alltags
An einem kühlen Novemberabend des Jahres 2004 befindet sich der 38jährige Barrett Meeks auf dem Heimweg durch den Central Park. Seine Gedanken kreisen um seine letzte Beziehung, die vor wenigen Tagen mit einer schlichten SMS beendet wurde. Langsam macht die leidenschaftliche Wut der Verbitterung über sein gescheitertes Liebesleben Platz. Als er in den Himmel blickt, wird dieser plötzlich von einem hellen, fast göttlichen Licht erhellt, das nur er zu sehen scheint. Liegt darin ein Omen für kommende Ereignisse?

Barrett kehrt nach diesem Erlebnis in die abgelebte Wohnung in Bushwick zurück. Mit ihm leben dort sein älterer Bruder Tyler und dessen schwer krebskranke Verlobte Beth. Während Barrett sich nach seinem Studium an einer Eliteuniversität mit einem Job als Verkäufer in der kleinen Szeneboutique begnügt, wo er sich ganz seinen Gedanken zur Welt hingeben kann, müht sich der talentierte, aber gescheiterte Musiker Tyler, den perfekten Song zu schreiben. Als Beth, geschwächt von Krankheit und Medikamenten, schläft, versucht er zwischen Kaffee und den heimlichen Kokaindröhnungen ein Lied aufs Papier zu bringen, um seiner Geliebten ein besonderes Hochzeitsgeschenk zu machen.

Einige Monate später scheint Beth beinahe genesen, was Barrett in seinem Glauben an eine höhere Macht bestärkt. Tyler hingegen kämpft nun mit Schuldgefühlen und dem Ehealltag.

Zwischen der Handlung
Der Roman beleuchtet episodenhaft das (Zusammen-)Leben einer kleinen Personengruppe um die Meeks-Brüder und legt den Fokus nicht auf die großen Ereignisse wie die bevorstehende Hochzeit oder die spätere plötzliche Genesung Beths, sondern konzentriert sich auf deren emotionalen Effekt bei den Protagonisten. Die Erzählung beschränkt sich auf das Vorher und Nachher, die wichtigen Informationen zu den einschneidenden Erlebnissen werden dem Leser nur häppchenweise durch die Überlegungen der Figuren zugespielt. Durch den Wechsel der Erzählperspektiven schafft Cunningham genügend Raum, um die Motivation jeder Figur offenzulegen. Doch dieses Konzept weist in der Ausführung einige Mängel auf, denn die Gedanken der Figuren kreisen meist um die Figur selbst, die eigenen Probleme, das eigene Leid – ohne von der Stelle zu kommen. Ein Bezug zu Andersens Märchen wird nur in kleinen Momenten geschlagen, in denen Cunningham die Geschichte des zersplitterten Zauberspiegels aufgreift; die „echte“ Schneekönigin ist eher Inspiration als Leitmotiv.

Mein Fazit
Die Mischung aus minimaler Handlung und egozentrischen Figuren hat mich nicht überzeugt. Nach einem starken Einstieg flacht das Buch zusehends ab, verliert sich in den Gedankenschaukeleien der Protagonisten, bis der Roman schließlich ohne jegliche Auflösungen endet. Was ist passiert, Mr. Cunningham?

Michael Cunningham, Die Schneekönigin
Luchterhand Literaturverlag, 2015
Online bestellen: https://www.buchhandel.de/buch/Die-Schneekoenigin-9783630874586
Autorin der Rezension: Jasmin Beer

Gastkommentar: Mein jüdischer Abend auf der Leipziger Buchmesse 2015

Heute geht es ins Ariowitsch Haus, Zentrum jüdischer Kultur im Leipziger Waldstraßenviertel.

Um 19 Uhr beginnt die Lesung von Michael Degen. Er stellt seinen Roman „Der traurige Prinz“ vor.
Der Saal füllt sich, alle Plätze sind bereits besetzt. Michael Degen steht noch immer auf der Theaterbühne, und das mit 82 Jahren. Bemerkenswert. Schon die ersten Passagen machen Lust, weiter zuzuhören. Es ist spannend und dabei so bildhaft, dass man glauben könnte, man sei selbst bei der Begegnung von Michael Degen und Oskar Weber dabei. Die Lesung macht Lust auf mehr von diesem Buch.

20 Uhr. Die witzigste Stunde des Abends beginnt: Josef Joffe und Professor Hellmuth Karasek erzählen Witze.
Josef Joffe: Mach dich nicht so klein, du bist nicht so groß!
Hellmuth Karasek: Das find ich aber gar nicht komisch!
Der Saal ist brechend voll, selbst auf den Stufen zum Saal und am Rand der Bühne wird noch Platz genommen, damit auch alle hineinpassen. Zugegeben: Ich verstehe nicht viel von Witzen und meist muss man mir Witze auch erklären, aber hier war es einfach ein Erlebnis. Ich habe jeden Witz verstanden und musste, wie jeder andere auch im Saal, die ganze Stunde einfach nur herzhaft lachen. Ich hatte noch ein Buch zum Signieren dabei. Auch dafür fand sich nach der Lesung noch Zeit, und so bin ich nun stolz auf ein Autogramm von Professor Karasek.

Um 21 Uhr sollte die Lesung von André Herzberg beginnen. Sie verzögert sich um eine halbe Stunde. Angekündigt ist die Buchvorstellung „Alle Nähe fern“ mit Musikbegleitung. Der Saal hat sich nach Karasek, dem Zugpferd des Abends, leider schon etwas geleert. Herzbergs Buch erzählt die Familiengeschichte von drei Generationen vom Ersten Weltkrieg über Migration bis heute, von Fremdheit zwischen Vätern und Söhnen. Als es zur Musik übergeht, hören wir den Titel „Märchen der Freiheit“, vorgetragen von André Herzberg mit Gitarre und Mundharmonika. Hier muss ich leider sagen: Die Musik gefällt mir besser als der Text. Das liegt vielleicht daran, dass mich Herzbergs Geschichte nicht wirklich mitnimmt. Was bleibt, ist sein Satz „Musiker sind wie die Sonne. Sie gehen im Osten auf und im Westen unter.“

Vielen Dank für den Text an Sandra Gräfenstein!

Gastkommentar: Mein Buchmesse-Freitag, der 13.

Autorin Sandra Gräfenstein (links) auf der Leipziger Buchmesse 2015. Foto: privat
Autorin Sandra Gräfenstein (links) auf der Leipziger Buchmesse 2015. Foto: privat

Dieses Jahr geh ich nicht allein auf die Buchmesse, sondern nehme eine gute Freundin mit. Für sie ist es das erste Mal (auf der Messe), für mich das dritte Mal. Wir haben keine festen Termine, wir wollen einfach durch die Hallen schlendern und schauen, was es Neues gibt.

Los geht’s, als wir um 9:30 Uhr in der Glashalle ankommen, die schon geöffnet ist. Die Hallen öffnen um zehn. Der erste Weg führt zum ZDF. Ich hole ein neues Käppi für den Sommer, eine Tüte Gummibärchen für unterwegs und den neuen Einkaufswagenchip.

Um zehn geht’s zuerst in Halle 2. Ich sichere mir alles Wichtige an Studiensachen, die neu und wieder zum Mitnehmen sind, bei der Bundesbank und der Bundesregierung. Meine Freundin sucht alles zur Vorbereitung auf das erste Schuljahr zum Lesen lernen, zum Malen und Basteln. Mir fällt zum ersten Mal auf, wie groß das Angebot ist… kleine Pixi-Bücher einfach zum Mitnehmen, ein Euro-Banknoten-Spiel von der Bundesbank, Bücher mit Geschichten zu Europa und zur Umwelt, Ritter- und Weltraumgeschichten. Eine Weltkarte haben wir auch gefunden, bereits laminiert und perfekt geeignet als Schreibtischunterlage zum Lernen.

Danach besuchen wir die Hallen 4, 5 und 3. Halle 1? Nein Danke, viel zu voll. Die Besucher werden jedes Jahr mehr. Bereits jetzt, gegen 13 Uhr, ist es nicht mehr so einfach, zur Glashalle zu gelangen. Die Durchgänge sind teilweise gesperrt. Leider stehen wir gerade an der falschen Röhre, hier ist nur noch Einbahnstraße in die Halle hinein. Also auf in die Schlange zum anderen Durchgang zur Glashalle und erstmal einen Kaffee und ein paar Kekse. Die Preise machen genügsam.

Frisch gestärkt trauen wir uns ein zweites Mal in die Hallen 3 und 2 – einfach nochmal durchschlendern und dann rechtzeitig zu 15 Uhr am Blauen Sofa eintreffen, damit wir einen guten Platz finden für die Gesprächsrunde mit Gregor Gysi und Friedrich Schorlemmer.

So, nun ist es aber gut. Beim Stehen schmerzen bereits die Füße. Auf zum Auto, auf dem Sofa zuhause etwas ausruhen. Ich freue mich schon auf morgen Abend. Dann gibt es Begegnungen im Ariowitsch Haus um 20 Uhr mit Hellmuth Karasek und um 21 Uhr mit André Herzberg.

Autorin Sandra Gräfenstein liest zur Zeit eher Fachbücher für das BWL-Fernstudium. Blogs liest sie nur, weil es dieses Blog gibt.

Treffen in der Bloggerlounge: Autoren und Blogger – eine zaghafte Liebe

In der Bloggerlounge der Leipziger Buchmesse trafen sich Nominierte und Ausgezeichnete des Preises der Leipziger Buchmesse mit Literaturbloggern. Beide Seiten verbindet die Leidenschaft für ihr Tun. Der Weg zueinander ist jedoch noch weit.

Erstmals hatte die Leipziger Buchmesse den 15 Nominierten des Preises der Leipziger Buchmesse jeweils einen Blogger als Pate zur Seite gestellt. Das Interesse auf Bloggerseite war groß, es kamen über 70 Bewerbungen. Leider wurde die Idee nicht zu Ende gedacht: Einige Nominierte offenbarten, sie hätten erst mit der Einladung zum Treffen in der Bloggerlounge von diesem Experiment der Buchmesse erfahren. Ein dicker roter Eintrag in das Aufgabenheft der Kommunikationsfachleute der Leipziger Buchmesse, aber auch der Verlage!

„Ich habe keinen Bock auf Twitter und Facebook. Da schwillt die Kommunikation doch nur an. Wirklichen Reichtum gibt es nur Face to Face.“ Autor Michael Wildenhain benennt deutlich sein Unbehagen. Er sei zwar viel im Netz unterwegs, lese aber selten Blogs. Seine Beobachtung: Dem ersten Enthusiasmus mit qualitätvollen Beiträgen folge fast überall mit zunehmender Zeit Ernüchterung und Ausdünnung. Jan Wagner, Preisträger in der Kategorie Belletristik (Verlosung eines signierten Exemplares hier) liest zwar selten Literaturblogs, hat aber immerhin mit seinem Bloggerpaten telefoniert. Philipp Ther, ausgezeichnet für sein kluges Geschichtswerk über das neoliberale Europa, bekennt, er müsse sich mit dieser „anderen Öffentlichkeit“ erst anfreunden. Bisher völlig ausgeschlossen von der Welt des Internets ist Mirjam Pressler, Preisträgerin für ihre Übersetzung von Amos Oz. Sie habe sich eine Homepage erstellen lassen, die aber nie angesehen. „Sind Blogger eigentlich untereinader vernetzt?“, fragt sie in die Runde und verspricht, künftig mal „hereinzuschnuppern“.

Ein Defizit also, das sich hier auf Autorenseite offenbart. Wie ist es zu bewerten? Führt es die Bemühungen der Leipziger Messe um die Einbindung der Blogger ad absurdum oder macht sie gar überflüssig? Ich denke, diese Lücke sollte eher Ansporn sein, den Gesprächsfaden zu intensivieren und neue Gesprächsformen zu suchen. Wie wäre es mit einer Blogger-Autoren-Runde, in der ausgesuchte Blogs live vorgestellt werden? Die Bloggerlounge mit einer verbesserten technischen Ausstattung wäre ein geeigneter Rahmen dafür.

Lesefreude teilen: Meine Buchverlosung zur Leipziger Buchmesse 2015

UPDATE 1. April 2015

Ich gratuliere den Gewinnern und danke allen für die Teilnahme. Ihr habt wunderbare Antworten gegeben, die mich zum Nachdenken gebracht haben. Die Bücher gehen nach Ostern raus, die Adressen habe ich alle.

Jan Wagner geht an Cornelia Lotter
Beni Frenkel geht an AlaMinor
Zwei Bärinnen geht an WortParade Dorothee Bluhm
Blutfrieden 1815 geht an Harry Pfliegl
Das Amazon Schreibexperiment geht an astel90

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Ich möchte die wunderbaren Leseentdeckungen der Leipziger Buchmesse 2015 mit meinen Lesern teilen. Ich verlose je ein Exemplar von

  • Jan Wagner, Regentonnenvariationen (Hanser Berlin), Preis der Leipziger Buchmesse 2015, vom Autor signiert
  • Beni Frenkel, Gar nicht koscher. Vom täglichen Schlamassel, als Jude durchs Leben zu gehen (Klein & Aber Zürich), vom Autor signiert
  • Meir Shalev, Zwei Bärinnen (Diogenes), vom Autor signiert
  • Sabine Ebert, 1815 Blutfrieden (Droemer Knaur), mit signierter Bildkarte der Autorin
  • 24 Stunden 24 Autoren, ein Schreibexperiment von Amazon-Autoren

Wenn eines der Bücher bald in eurem Regal stehen soll, sagt mir bis zum 31. März 2015: Warum ist Lesen für euch wichtig? Wer die Leipziger Buchmesse besucht hat, kann gern noch seine Meinung dazu sagen: Wie habt ihr die Messe in diesem Jahr erlebt? Und gebt bitte auch euer Wunschbuch an. Notwendiger Hinweis: Der Rechtsweg ist ausgeschlossen. Viel Erfolg und viel Spaß beim Lesen!