Rezension: Anita Augustin, Alles Amok. Oder: Der ganz normale Wahnsinn

Wer Skurrilitäten und schwarzen, österreichischen Humor à la Ludwig Hirsch mag, wird Anita Augustins „Alles Amok“ lieben: Die Autorin, die als freie Dramaturgin arbeitet und dem Studium der Theaterwissenschaft in Wien eine Ausbildung zur Barkeeperin anschloss, schickt ihren Protagonisten Jakob auf eine aberwitzige Reise durch den ganz normalen Wahnsinn des alltäglichen Lebens.

Quelle: ullsteinbuchverlage.de
Quelle: ullsteinbuchverlage.de

Die Handlung

Eigentlich ist Jakob ein ganz normaler, junger Mann, der auf einen sicheren Arbeitsplatz hofft und sich als Profi-Demonstrant durchs Leben schlägt. Er macht den Job und seinen Nebenjob, das Sammeln von Pfandgut gemeinsam mit dem Penner Paul,  mehr schlecht als recht. So kann er wenigstens die Rechnungen für die Residenz bezahlen, in welcher seine Mutter in zunehmender Senilität dem Tod entgegen dämmert. Seitdem Jakobs Mutter bei einer Operation im Alter von neun Jahren das Böse aus ihm herausnehmen ließ, trägt Jakob ein dunkles Geheimnis mit sich herum, von dem auch sein näheres Umfeld nichts weiß. Das besteht neben dem Penner Paul, von dem er viele seiner Lebensweisheiten bezieht, aus dem Sicherheitsmann Sigi, einem koreanischen Dichter, dem vermutlich homosexuellen Verkäufer in der Herrenabteilung eines Modehauses und der blonden Nachbarin Babsi, die verzweifelt eine vergebliche Bewerbung nach der anderen schreibt.

Jakob empfindet vermutlich eine Art Freundschaft zu diesen Personen. Er pflegt den Kontakt allerdings nur, weil er sie nach Kräften ausnutzt: Herbert stattet ihn mit der Kleidung für die Demonstrationen aus, die Gedichte des nordkoreanischen Dichters rezensiert er für das mittägliche Bratwurstbrötchen, und Babsi schleppt er regelmäßig in den Baumarkt, um im dortigen Musterhaus vermeintliche Familienfotos zu machen, die er regelmäßig seiner Mutter schickt.

Eine dramatische Wende

Jeder dieser Charaktere hat sich scheinbar im mühseligen Hamsterrad des eigenen Lebens eingerichtet, als der geheimnisvolle Jürgen auftritt und mysteriöse Einladungen ins Paradies verteilt. Jakob, der als einziger keine Einladung erhalten hat, ist trotzdem rechtzeitig am Treffpunkt und fährt mit seinen Gefährten schließlich ins Paradies. Dieses entpuppt sich als Vergnügungspark, in welchem die Angestellten jeden Tag glücklich zu sein haben, um widerum die Besucher glücklich zu machen. Jakob und seine Gefährten bekommen dort feste Jobs: Sie sind die Akteure in der Abteilung „Freakshow“. Jakob, dessen dunkles Geheimnis im Lauf des Buches gelüftet wird, ist von Jürgen als künftiger Star der Show ausersehen. Doch dann geschieht etwas, das die Freaks zum Aufstand gegen die schier allmächtige Parkleitung bewegt. Ist das Paradies nun am Ende?

Der Erzählstil

Temporeich hetzt Anita Augustin vor allem im ersten Teil von „Alles Amok“ von einer skurrilen Szene zur nächsten. Die Absurdität des Geschehens wird oft erst ersichtlich, sobald der Leser die kursiv gesetzten Gedanken des Protagonisten gelesen hat. Bei aller Komik darf der Roman durchaus als gesellschaftskritisch gelten, wobei die Autorin keine eigene Position bezieht, sondern das Geschehen als Beobachter schildert.

Mein Fazit

„Alles Amok“ ist ein Roman, der von der ersten bis zur letzten Seite einfach nur Spaß macht. Wie schon in ihrem Erstling „Der Zwerg reinigt den Kittel“ beweist Anita Augustin auch diesmal wieder gekonnt, dass Humor aus Deutschland durchaus sehr weit oberhalb der Gürtellinie angesiedelt sein kann.

Anita Augustin, Alles Amok
Ullstein Buchverlage, 2014
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Autor: Harry Sochor