Eingetaucht: Besuch auf dem Stammhof meiner Familie

Gestern habe ich für eine Stunde das Rad der Familiengeschichte für mehr als 600 Jahre zurückgedreht. In Bad Zwischenahner Ortsteil Halfstede an der Wiefelsteder Straße steht der Stammhof der Familie Oeltjen. Doch was hat Oeltjen mit Plaisier zu tun?

Es gibt eine Legende um den Namen Plaisier. Sie besagt, dass der Ursprung bei hugenottischen Glaubensflüchtlingen liegt, die nach dem schrecklichen Massaker der Bartholomäusnacht am 24. August 1572 in Deutschland Schutz fanden und sich in Ostfriesland ansiedelten. Zugegeben, eine schöne Legende, die ich aber im Laufe meiner Familienfoschung zerstören musste. Es deuten keine Spuren in Richtung Frankreich – und doch hat der Name Plaisier etwas mit Frankreich zu tun.

Ostfriesland und die Niederlande litten zu Beginn des 19. Jahrhunderts unter der französischen Besatzungsmacht. Mit kaiserlichem Dekret vom 18. August 1811 verfügte Napoleon für diese Gebiete, dass alle Untertanen, die noch nicht über einen Familiennamen und einen festen Vornamen verfügten, innerhalb eines Jahres an ihrem Wohnort eine entsprechende Erklärung abgeben sollten.

Die Einwohner Ostfrieslands wiedersetzten sich dem kaiserlichen Willen auf ihre Art: Sie wählten nicht den seit Generationen gebräuchlichen Zweitnamen, sondern entschieden sich vielfach für lächerliche Namen oder Fantasienamen. So nannten sich Einwohner im Amt Stickhausen beispielsweise Nett, Hübsch, Liebe oder Snuitje (Schnäuzchen).

„Namensgeber“ des Familiennamens Plaisier ist Johann Oeltjen, geb. am 2. April 1778 in Elmendorf (jetzt Bad Zwischenahn). Dies ist belegt durch den Taufeintrag seines Sohnes Johan Garrelts Oeltien vom 6. Dezember 1799 in Detern. Der Eintrag trägt den Zusatz „später Plaisier“.

Wie es gerade zu den Namen Plaisier gekommen ist, lässt sich nur vermuten. Wahrscheinlich entspringt auch diese Namenswahl der Verärgerung über das Namensdekret, zumal ja bereits mit Oeltien ein fester Familienname bestand; etwa dergestalt: Es ist uns eine große Freude = plesär, plaisi(e)r, dass die Franzosen unsere Besatzer sind.

Die Liste der von Napoleon verfügten Namensannahmen ist vom Amt Stickhausen nicht mehr erhalten. Es existiert aber noch die Liste, in der die Namensannahmen bestätigt werden. Sie stammt aus dem Jahr 1857. Hier bestätigt Wilhelm Plaisier, geb. 16. August 1812, den angenommenen Familiennamen Plaisier. Der Namensgeber, sein Vater Johann Oeltien, war bereits 1833 verstorben.

Der Name Oeltjen kommt im Nordwesten Deutschlands in verschiedenen Schreibweisen vor: Olteke, Oeltien, Öltjen. Die älteste bekannte Urkunde datiert vom 17. März 1423. Hierin bezeugt Graf Dietrich von Oldenburg eine Stiftung, darunter eine Mark aus dem Gut des Frederic Mule in Hallerstede, das bewohnt wurde von dem Meier Olteke und seiner Frau Gheseke. Genau diese Hofstelle habe ich besucht, denn Hallerstede heißt heute Halfstede.

Der älteste bekannte Vorfahr der Ahnenreihe Oltien/Plaisier ist Carsten Oltken, geb. um 1639. Er heirate 1673 in Rastede, siedelte sich aber im Kirchspiel Zwischenahn an. Er und seine Nachkommen waren Heuerleute in den Bauerndörfern am Ufer des Zwischenahner Meeres, in Aschhausen, Aschhauserfeld, Helle, Langebrügge, Elmendorf und Rostrup. Woher Carsten kam, ist in den Kichenbüchern nicht nachvollziehbar. Dass er direkt mit dem Stammhof in Halfstede zusammenhängt, ist unwahrscheinlich, da dort der Vorname Carsten nicht vorkam. Gesichert ist eine Herkunft aus Halfstede zwei Generationen später durch Gesche, Ehefrau des Heuermanns Carsten Oeltjen, geb. 1709 in Aschhauserfeld. Ihr Vater Lüder Oeltjen wurde 1663 auf dem Stammhof geboren.

„Johann Oltken Anno 1695“ weist der Balken über dem großen Eingangstor aus. Einige der Balken in der Scheune sind noch aus dem Originalbaujahr erhalten. Im Spieker, der langsam zerfällt, ist an einem Balken das Jahr 1763 eingeritzt.

Es ist ein besonderes Erlebnis, diese Wurzeln noch sehen zu können. Ich bin dafür sehr dankbar.

Zur ostfriesischen Namensgebung:
www.kulturportalweserems.de/index.php/kulturelleserbeostfriesland/113-ostfrkemenschen/2765-ostfrieslands-aeltestes-kulturgut-namen-und-namengebung-2
Zu den Oeltjes aus Halfstede:
www.familienkunde-oldenburg.de/wp-content/uploads/of/of_39_1-2.pdf

Alle Fotos: Detlef M. Plaisier

Tagesfahrt Bad Zwischenahn: Zwei Mühlen, zwei Konzepte

Auf meiner Tagesfahrt nach Bad Zwischenahn mit Sandra Gräfenstein machte ich einen Ausflug in die Geschichte: Zum ersten Mal besichtigte ich das Stammhaus meiner Familie (siehe gesonderten Bericht). Am frühen Nachmittag ließen wir uns durch zwei Mühlen führen. Deren Konzepte haben nichts gemeinsam und doch beide ihre Berechtigung.

Einer, der sich noch althergebracht Müller nennen darf und weiß, was traditionelles Handwerk bedeutet, so wie Jan Eiklenborg von der Mühle Frisia in Logabirum, wird sich für die Rügenwalder Mühle nur schwer begeistern können. Auch wenn hier Holz in Holz greift, auch wenn hier mit einem funktionierenden Mahlwerk Salz gemahlen werden kann, auch wenn Freiwillige Müller in die Segel klettern und fachkundig durch die Mühle führen – die 20 Meter hohe Turmwindmühle ist ein reines Schauobjekt, strategisch günstig auf dem Gelände des Charlottenhofes zur Straße hin ausgerichtet mit den aus der Werbung bekannten roten Segeln. Ein netter Ort, für Müller und Freiwillige Müller aber , die traditionelles Handwerk pflegen, eher eine ärgerliche Randnotiz.

Zweite Station war die Hüllsteder Mühle auf dem Gelände des Freilichtmuseums direkt am Seeufer. Da geht das Herz auf! Im Verlauf seiner über 200jährigen Geschichte dreimal umgesetzt, wird der zweigeschossige Galerieholländer jetzt vom Zwischenahner Verein für Heimatpflege betreut. In der Mühle gibt es einen funktionsfähigen Mahlgang zum Schroten und einen Kollergang zur Ölherstellung, eine einmalige Kombination Interessierte können viele alte Geräte des Müllerhandwerks besichtigen. Wer sich bis dahin noch nicht mit den Abmessungen einer Mühle auseinandergesetzt hatte, dem wird auf der begehbaren Galerieebene die Dimension des Gebäudes bewusst.

www.ruegenwalder.de/unsere-muehle
www.ammerlaender-bauernhaus.de/

Alle Fotos: Detlef M. Plaisier