Rezension: Jacinta Nandi, nichts gegen blasen

Das satte Pink vor dem blassrosa Hintergrund macht es unmöglich, kein zweites Mal hinzugucken. Das ist doch wohl nicht…? Ist das etwa…? Nein, ist es nicht. Es ist keine Fotze, die mir hier entgegenspringt, sondern ein geöffnetes Geldtäschchen. Ich muss schmunzeln. Ein originelles und cleveres Cover, wenn man bedenkt, dass „Fotze“ ursprünglich „Tasche“ bedeutet.

Quelle: www.ullsteinbuchverlage.de
Quelle: www.ullsteinbuchverlage.de

Humorvoll und gleichmütig
So amüsant wie die Umschlaggestaltung liest sich auch das Buch mit dem vielsagenden Titel „nichts gegen blasen“. Jacinta Nandi hat nichts einzuwenden gegen blasen, ficken, Weintrinken, rauchen im Bett (wenn sie sturmfrei hat), viel und ungesundes Essen und Dokus über Lady Di. Das einzige, was ihr wirklich aufstößt, ist die Frage, warum sie nach Deutschland kam. Dann gibt sie ehrliche Antworten (wegen des Kindergeldes, um Gerhard Schröders Schwanz zu lutschen, um ihr Deutsch zu verbessern), die allesamt wahr sind oder komplett erfunden – wer weiß das schon.

Tatsache ist jedenfalls, dass die Halb-Inderin im Jahr 2000 von London nach Berlin zog, wo sie seither lebt und arbeitet. Sie ist Mitglied verschiedener Lesebühnen, schreibt eine Kolumne für das englischsprachige Magazin Exberliner und einen Blog für die taz. Dort wie auch hier in ihrem ersten Buch erzählt sie Episoden aus ihrem nicht ganz uninteressantem Leben: Von ihrer Mutter, die an MS erkrankte, ihrer Tante Trudie, die früher auf den Namen Bob hörte und als ihr Stiefvater ein richtiges Arschloch war, von ihren Fickterminen mit schönen Penissen und Muschis und ihrer Zeit im Frauenhaus, in das sie flüchtete als ihr Exmann sie kurz nach der Geburt ihres Sohnes erst anschrie und schließlich verprügelte, weil er mit ihrer Stilltechnik unzufrieden war. Selbst so schockierende Geschichten wie diese letzte erzählt die Autorin mit solcher Nonchalance, dass ich mir das Lachen nur schwer verkneifen kann:

„Warum hat er dich denn angeschrien?“
„Wegen dem Winkel.“, sage ich.
„Wegen dem Winkel?“, fragt Jens, total überrascht.
„Wegen des Winkels“, sage ich.
„Ja“, sagt Jens. „Wegen des Winkels. Aber welchen Winkel meinst du?“
„Wegen dem Winkel meiner Brustwarze.“

Keine Feuchtgebiete
Nandis Stil ist Geschmackssache: Sie arbeitet mit systematischen Wiederholungen und einer derben, unverblümten Sprache. Unter anderem wohl letzterer wegen wird sie bisweilen mit Charlotte Roche verglichen. Den ersten Satz des Buches lesend („Ich habe einen ganz schlimmen Pilz […]“) fürchte auch ich kurzfristig hier einer weiteren Helen zu begegnen. Aber Nandi kennt Grenzen. Bei aller Offenheit verschont sie uns doch mit feuchten Details. Der größte Unterschied zwischen ihr und Roche aber ist, dass sie nicht schockieren oder provozieren, sondern zum Lachen bringen will: „I would say anything: I’d admit to having raped a baby bunny for the fun of it, murdered my granny for a bet or wanked off a homeless guy for a fiver, IF there was a laugh in it.“ So bleibt immer ein letzter Zweifel, ob Nandis ehrliche Erzählungen auch wahr sind oder nur lustig sein sollen.

Mein Fazit
Jacinta Nandi hat mich mehrmals zum Lachen gebracht, genauso oft aber auch mit ihrem eigenwilligen Stil und einer gewissen Bedeutungsarmut ermüdet. Insgesamt ist das Buch ein großes Kann, definitiv aber kein Muss.

Jacinta Nandi, nichts gegen blasen
Ullstein, 2015
Homepage der Autorin: www.jacinta-nandi.de
Online bestellen: https://www.buchhandel.de/buch/Nichts-gegen-blasen-9783864930294
Autorin der Rezension: Katja Weber