16. internationales literaturfestival berlin: Weltweite Lesung für Demokratie ohne Populismus

ilbDas internationale literaturfestival berlin (ilb) ruft alle Menschen, Institutionen und Medien, denen Demokratie wichtig ist, dazu auf, am 7. September 2016 an einer weltweiten Lesung ausgewählter Texte für die Demokratie und gegen den Populismus teilzunehmen. Hier der Aufruf im Wortlaut:

„Populismus ist eine politische Position, die sich den vorherrschenden Gefühlen, Vorurteilen und Ängsten der Bevölkerung anpasst und diese ausnutzt, um eine politische Agenda zu definieren, die die einfache und schnelle Lösung aller Probleme verspricht.

Es wird von einigen argumentiert, dass Populismus als Kraft der Politik grundsätzlich innewohne, zu einem gewissen Maße in jeder Gesellschaft existiere und eine positive Kraft sei. Das mag zwar stimmen. Aber die Geschichte zeigt, dass populistische Gefühle schnell von skrupellosen Führern, mögen sie dem rechten oder linken Spektrum angehören, für grausame Zwecke manipuliert werden können.

Heute wird eine populistische Grundstimmung in vielen Ländern weltweit – ob in traditionellen oder neueren Demokratien – von Demagogen angefacht und ausgebeutet: von Donald Trump in den USA über Marine Le Pen in Frankreich, Geert Wilders in den Niederlanden, Recep Tayyip Erdoğan in der Türkei, Nigel Farage in Großbritannien, Viktor Orbán in Ungarn, Jacob Zuma in Südafrika, Frauke Petry in Deutschland, Narendra Modi in Indien bis hin zu Wladimir Putin in Russland – um nur einige zu nennen.

Diese Aufwiegler tischen der Bevölkerung dreiste Lügen auf, sichern politische Fantasie-Programme zu, machen Minderheiten zu Sündenböcken und pochen auf nationale Überlegenheit. Ihre aufrührerische Rhetorik verbiegt und entwertet Sprache. Ihre Propaganda entwertet den öffentlichen Raum, da rassistische, sexistische und nationalistische Einstellungen zum Allgemeingut werden. Diese Hetzereien bedrohen die Demokratie, die von tiefer Diskussion lebt – nicht von geistlosen Parolen.

Der Populismus wächst und gedeiht am besten auf einfachen Gegensätzen: Es geht um uns gegen die.

Der Populismus begrenzt die Definition, wer zum „Volk“ gehört, indem Zugewanderte, Flüchtlinge und religiöse Gruppierungen, ja alle Minderheiten, ausgegrenzt werden.

Der Populismus verabscheut den Pluralismus – ohne sich dabei einzugestehen, dass das Gegenteil von Pluralismus der Totalitarismus ist.

Mit dieser weltweiten Lesung fordern wir dringend zu einem tieferen Verständnis von Demokratie und zu kritischerem und gleichzeitig menschlicherem politischen Denken in unseren Gesellschaften auf.

Wir rufen jeden Menschen dazu auf, den einfachen Antworten und schnellen Scheinlösungen der Demagogen skeptischer entgegenzutreten. Wir wollen einfach nur, dass Sie innehalten und nachdenken.

Wir rufen Medien, Journalisten und Redakteure, dazu auf, sensationsheischende Berichterstattungen zu unterlassen und Nachrichten stattdessen verantwortungsvoller zu vermitteln, um auf keinen Fall die gefährlichen Ansichten und die vergiftende Sprache der Populisten unkritisch weiterzuverbreiten.

Wir rufen alle respektablen politischen Parteien dazu auf, der Versuchung zu widerstehen, in die Fußstapfen von Demagogen zu treten und das gesamte politische Spektrum dadurch radikal zu verschieben und die Demokratie zu entwerten. Wir fordern eine wahrheitsgetreue, mitfühlende und kreativere Herangehensweise an Politik und mehr direktes Bürgerengagement.

Wir rufen alle Regierungen dazu auf, die berechtigten Sorgen ihrer Bürger anzuerkennen, die sich in ihrer Unzufriedenheit mit der gegenwärtigen neoliberalen globalisierten Welt nach einer Alternative sehnen. Wir fordern ehrlichen Einsatz für die Bekämpfung stetig wachsender Ungleichheiten, die Ursache vieler aktueller Unruhen sind.

In Kürze werden alle Texte für die Lesung in diversen Sprachen auf der Website veröffentlicht.

http://www.worldwide-reading.com
worldwidereading@literaturfestival.com

Pünktlichkeit, Käse und farbenfrohe Demokratie: So tickt und redet die Schweiz

Die Schweizer sind immer pünktlich. Sie essen viel Käse. Und sie sind reich. Von wegen. Wie die Schweiz wirklich tickt, verraten Martin Walker und Anica Jonas jeden Morgen um 09:45 Uhr im Schweizer Forum in der Glashalle. Das vergügliche Viertelstündchen hat so manche Überraschung bereit.

Sind die Schweizer langsam? Na ja, schon etwas gemütlich. Deswegen heißt die Schweizer Version von „Mensch ärgere dich nicht“ ja auch „Eile mit Weile“. Und ordentlich sind die Nachbarn auch: Die Mülltrennung ist perfekt geregelt (mal abgesehen vom Mülltourismus in Gemeinden mit niedrigen Gebühren), und die Schweiz hat die höchste europäische Recyclingquote ganz ohne Pfand. Natürlich sind die Schweizer extrem höflich. Man soll im Umgang mit ihnen nie zu forsch sein. Bitte, Danke, ein schöner Tag und ein guter Weg sind Pflicht. Mit der Sprache ist das so eine Sache: Warum heißt das offizielle Schweizer Wörterbuch wohl Idiotikon …. Die Deutschschweizer nennen ihre Söhne am liebsten Noah und Luca, Franzosen und Italiener bevorzugen Gabriel. Royals gibt es in der Schweiz auch, zum Beispiel die Apfelkönigin, die Kuhkönigin (vier Beine) und die Braunviehkönigin (zwei Beine). Und mit der bunten direkten Demokratie sind die Schweizer nicht immer so wirklich glücklich …

Ein amüsanter Tagesauftakt, bevor die Hallen öffnen. Davor spielt „Doppelbock“ ebenfalls ein Viertelstündchen mit Landstreichermusik auf: nicht immer melodisch, aber laut und schrill bis unter das Hallendach.

Martin Walker und Anica Jonas, Die Schweiz für die Hosentasche. Was Reiseführer verschweigen. Fischer TaschenBibliothek, 2014.