Aus einer Stunde wurden 90 Minuten. Angelo Kelly mit Familie und Musikern hatten Rhauderfehn fest im Griff. Auf dem Weg zur Rathauswiese (die sicher ein besserer Platz war als der Marktplatz) erinnere ich mich an die Zeit, als ich die Kelly Family in Hannover als Straßenmusiker gehört habe. Das Hausboot lag vertäut auf dem Mittellandkanal. Die Kelly Family, verspottet als „singende Altkleidersammlung“, war mein zweites Live-Konzert nach ABBA. Im Oktober 2011 traf ich Jimmy Kelly als Straßenmusiker in der Fußgängerzone von Leipzig. Und nun höre ich, dreißig Jahre später, Angelo, den jüngsten Kelly-Sproß, mit seiner Familie. Nein, Fan bin ich nicht. Und ich bin generell schwer zu begeistern. Doch kann ich mich dem sprühenden Lebensfreude aller, die auf der Bühne stehen, nicht entziehen. Hoppla, ich kenne ja fast alle Texte. Und ich singe. Und mir kommen die Tränen, wenn der achtjährige Joseph singt, und wenn zum Abschluss „We shall overcome“ erklingt. Ich vergesse, dass ich doch eigentlich viele schöne Fotos machen wollte. Heute morgen summe ich die Melodien des Abends.
Nach diesem Konzert treten die Streitigkeiten , die offenen Fragen und der Zorn der vergangenen Woche in den Hintergrund. Jetzt ist es für mich nicht mehr relevant, ob die Gemeinde beim Kontakt mit dem Veranstalter Admirar in Dresden nicht doch hätte größere Sorgfalt walten lassen müssen. Jetzt ist es nicht mehr relevant, dass sich ein mögliches Fiasko eventuell schon am Wochenbeginn abgezeichnet hatte und die Gemeinde versucht hat, Sponsoren für eine Rettung der Konzerte einzuwerben. Mit einer unglaublichen Kraftanstrengung ist es gelungen, die Fehntjer Seele (weitgehend) zu besänftigen. Namentlich genannt seien Bürgermeister Geert Müller, Ordnungsamtsleiter Helwig Weber, Bühnenservice Volkmar Renken aus Edewecht, Silke Plaisir, die Kameraden der Freiwilligen Feuerwehr Westrhauderfehn und Burlage, die Malteser sowie Dutzende Helfer bei Aufbau, Technik und Sicherheit.
Das waren die geilsten und bewegendsten 90 Minuten Fehnjubiläum. Das war mein Rhauderfehn. Danke.
Und niemand spricht mehr von Otto.
© aller Fotos: Detlef M. Plaisier