Ich gratuliere den Gewinnern und danke allen für die Teilnahme. Ihr habt wunderbare Antworten gegeben, die mich zum Nachdenken gebracht haben. Die Bücher gehen nach Ostern raus, die Adressen habe ich alle.
Jan Wagner geht an Cornelia Lotter Beni Frenkel geht an AlaMinor Zwei Bärinnen geht an WortParade Dorothee Bluhm Blutfrieden 1815 geht an Harry Pfliegl Das Amazon Schreibexperiment geht an astel90
Ich möchte die wunderbaren Leseentdeckungen der Leipziger Buchmesse 2015 mit meinen Lesern teilen. Ich verlose je ein Exemplar von
Jan Wagner, Regentonnenvariationen (Hanser Berlin), Preis der Leipziger Buchmesse 2015, vom Autor signiert
Beni Frenkel, Gar nicht koscher. Vom täglichen Schlamassel, als Jude durchs Leben zu gehen (Klein & Aber Zürich), vom Autor signiert
Meir Shalev, Zwei Bärinnen (Diogenes), vom Autor signiert
Sabine Ebert, 1815 Blutfrieden (Droemer Knaur), mit signierter Bildkarte der Autorin
24 Stunden 24 Autoren, ein Schreibexperiment von Amazon-Autoren
Wenn eines der Bücher bald in eurem Regal stehen soll, sagt mir bis zum 31. März 2015: Warum ist Lesen für euch wichtig? Wer die Leipziger Buchmesse besucht hat, kann gern noch seine Meinung dazu sagen: Wie habt ihr die Messe in diesem Jahr erlebt? Und gebt bitte auch euer Wunschbuch an. Notwendiger Hinweis: Der Rechtsweg ist ausgeschlossen. Viel Erfolg und viel Spaß beim Lesen!
Es ist gute Tradition: An zwei Sonntagen stellt MDR FIGARO im Lesecafé die Nominierten der Leipziger Buchmesse in Gespräch und Lesung vor. Zum ersten Durchgang 2015 waren die Stühle in der Veranstaltungstonne der Moritzbastei voll besetzt. Der Zufall wollte es, dass die drei nominierten Herren Norbert Scheuer, Jan Wagner und Michael Wildenhain den Auftakt bestritten. Sie kamen gemeinsam, mit Rucksack und Rollkoffer, gewandet in Jeans, Rolli und Sportschuhen, wie zu einem Besuch bei guten Freunden. Am Lesetisch dann dreimal Brille, zweimal Wasser, einmal Wein. Dies sind meine Eindrücke:
Norbert Scheuer kennt die Ungewissheit der Nominierten: 2009 stand sein Roman „Überm Rauschen“ auf der Shortlist des Deutschen Buchpreises. Er relativiert die Entscheidung einer Jury: „Das ist in gewisser Weise auch willkürlich. Ganz wunderbare Werke stehen durch irgendeinen Zufall nicht auf der Liste.“ Wenn Norbert Scheuer recherchiert, ist sein Radius beschränkt: Er bleibt in der Eifel. Immer. Warum? „Hier kenne ich mich aus. Ich muss nicht weit weg. Hier ist alles zu finden.“ So auch in Kall in der Nordeifel, laut Zensus ausgewiesen mit knapp 11.200 Einwohnern. Im einzigen Café des Ortes fiel Norbert Scheuer ein Stammgast auf, ein junger Mann mit zerrissenem Armeeparka, der immer seine Vierzehenschildkröte mitbrachte. Scheuer sprach ihn an, hörte ihm zu. So entstand die Geschichte eines Soldaten, der als Sanitäter nach Afghanistan gegangen war und der Unbarmherzigkeit des Krieges seine Liebe zu Vögeln entgegengesetzt hatte. Praktisch, dass Norbert Scheuer der Vogelwelt selbst verbunden ist. Das Buch ist zudem illustriert mit Aquarellen seines Sohnes. Die Verbindung der Gefängniswelt des Lagers mit dem freien Flug der Vögel habe sich beim Schreiben von selbst gefügt, sagt Schauer. Als Kind von Gastwirtseltern liegen ihm Geschichten im Blut. Er ist sicher: „Lasst uns jeden Tag erzählen. Geschichten werden das einzige sein, was von uns bleibt.“
Jan Wagner freut sich für die gesamte Gattung Lyrik: „Durch meine Nominierung wird eine lebendige vielstimmige Szene in Deutschland gewürdigt.“ Dylan Thomas und Trakl haben ihn zuerst gereizt. Wenn Jan Wagner schreibt, dann Lyrik und Essays über Lyrik, gelegentlich übersetzt er. „Ich bewundere Allrounder, die Lyrik und Prosa beherrschen.“ Jan Wagner liest seine Gedichte nicht, er moderiert sie, und plötzlich öffnet sich ein Klangteppich, der mir zuvor beim stillen Lesen noch verschlossen geblieben war. Wie spielerisch arrangiert Wagner Sonett und Rondeau. Szenenapplaus. Spielerisch? „Erst ist da ein Geschenk, aber dann kommt harte Arbeit“, stellt er klar. Gedichte sollten über den Tag hinaus lesbar sein, sagt Wagner, und für neue Perseptiven böten sich besonders vermeintliche Nebensächlichkeiten an. Kein Epos über Liebe und Freiheit, sondern ein Teebeutel und eine Zucchini. Um die Zukunft der Poesie ist Jan Wagner nicht bang: „Das Lyrikpublikum ist unendlich. Es weiß es nur noch nicht.“
Michael Wildenhain ist der Exot des Trios, der Politische. Unsere Gemeinsamkeiten: Geburtsjahrgang 1958, für die 68er noch zu jung, 1977 im selben Monat Abitur. Wildenhain rutschte in die Kreuzberger Hausbesetzerszene und gilt heute als deren Chronist. Der nominierte Roman, angeordnet auf drei Zeitebenen, ist in der ersten Annäherung eine Liebesgeschichte. Doch die Poesie kann nicht verdecken, was an die Oberfläche kommt: Es geht um die Verknüpfung instrumentalisierter Liebe und Terrorismus in der Zeit des Deutschen Herbstes 1977, um eine Parabel rund um moralische Rechtfertigung von Verbrechen und verschiedene Grade von Schuld. „Alle sind schuldig. Alle müssen damit leben“, sagt Michael Wildenhain und stellt gleichzeitig infrage, inwieweit politisches Schreiben heute noch möglich ist, „wenn der Resonanzraum in der Gesellschaft fehlt.“ Die gesellschaftliche Stimmung wie im Rotbuch Verlag vor 30 Jahren sei unwiederbringlich vorbei.