Rezension: Kees van Beijnum, Die Zerbrechlichkeit der Welt

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Fee erzählt vom Inhalt

Der niederländische Richter Rem Brink befindet sich 1946 in der japanischen Hauptstadt Tokio. Die Kriegsverbrecher des Zweiten Weltkriegs sollen verurteilt werden. Als Brink eine abweichende Meinung vertritt, hat er die meisten Kollegen gegen sich. Die junge Sängerin Michiko, die er kennenlernt, berührt ihn. Er verliebt sich. Als Brinks Frau ihn besucht, schickt er Michiko zu ihren Verwandten in die Berge, wo sie wenig Zuspruch erhält. Als sie ihm schreibt, antwortet er nicht. Dann kommt sie zurück…

Fees Meinung

Das Buch ist erschütternd. Brink geht fremd und lässt Michiko danach mit ihrem Kind alleine im Sumpf der Armut. Ich bin entsetzt. Menschen, die gegen den Krieg waren und versucht haben, ihn zu verhindern, werden nach dem Kriegsende enbenso angeklgt wie die verantwortlichen für das Töten. Nein, das ist nicht mein Buch, wenn ich lesen muss, wie sich Michiko für ihr Kind einsetzt, dass sie eigentlich nach der Geburt umbringen sollte, wie es Brauch ist. Wie sie sich um ihren Cousin Hideki und was sie dafür auf sich nehmen muss. Sie lebt in sehr beengten Zuständen. In den Raum passen nur ein Bett und eine Kommode. Die Zustände sind einfach nur schrecklich.

Das alles lässt Brink, den Richter, der sich für „gerecht“ hält, total kalt und er hilft nicht aus aufrichtig liebendem Herzen. In meinen Augen ist er auch ein Verbrecher. Genauso wie die Amerikaner, die in das Dorf kommen und die hübschesten Frauen schänden. Interessant fand ich das Seelenbild der Japaner: Entschuldigen und verneigen, aber innerlich hassen. Für mich ist das sehr befremdlich. Ich trage meinen Hass im Gesicht und auf der Zunge.

Das Buch ist keineswegs romantisch, auch wenn es in den Teilen der Affäre des Richters mit Michiko etwas ruhiger wird. Nein, dies ist kein Liebesroman. Es ist klar, dass Richter Brink zu seiner Frau zurückkehren wird, als seinichts gewesen ist.

Der Einband ist passend genauso wie der Titel. Am Anfang hatte das Buch deutliche Längen. Vor allem ist alles absehbar. Dennoch malt Kees van beijnum Bilder, die ich deutlich vor mir sehe, und ich entwickle Abscheu, Mitleid, Erstaunen und Wut. Es ist ein Buch, in dem ich keine „Lieblingscharaktere“ habe, auch wenn man Michiko bewundern könnte, wie sie ihr Schicksal annimmt.

Eine Szene in diesem Buch hat mich besonders entsetzt und ist immer wieder vor mir aufgetaucht: Brink hat Michiko eine Fahrkarte für die erste Klasse gekauft und ihr ein Lebensmittelpaket mitgegeben. Als der Zug anfährt, kommt sofort der Schaffner und will nur von ihr die Fahrkarte sehen. Er erklärt ihr, dass sie nicht befugt ist, alleine in der ersten Klasse zu fahren. Sie entschuldigt sich. Da der Zug keine zweite. Klasse hat, wird sie in die total überfüllte dritte Klasse abgeschoben, wo Männer sich an sie drücken und sie ausrauben. Dazu kann ich nur sagen: Danke westliche Frauenemanzipation!

… und das Feen Fazit

Ich lese solche Bücher nicht gerne, trotzdem finde ich, dass man sie  gelegentlich LESEN MUSS.  Auch wenn ich mich manchmal überwinden musste, gibt es von mir eine Leseempfehlung.

Kees van Beijnum, Die Zerbrechlichkeit der Welt
C. Bertelsmann, 2016

Eine Rezension von „Lesezeichenfee“ Sylvia F. Wagner

Rezension: Sabine Gruber, Daldossi oder das Leben des Augenblicks

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Wir alle konsumieren sie jeden Tag, ob wir wollen oder nicht: Bilder aus den Krisenregionen der Welt, aus Kriegsgebieten, Hungerregionen oder Flüchtlingslagern, im Fernsehen, in den Printmedien oder im Netz. Doch wer sind eigentlich die Menschen, die sie uns liefern, die nicht selten ihr Leben dabei verlieren? Wie können sie mit dem alltäglichen Grauen umgehen? Wie entscheiden sie, wann sie auf den Auslöser drücken und wann nicht?

Alle diese Fragen wirft Sabine Gruber in ihrem Roman Daldossi oder Das Leben des Augenblicks auf, doch leider kommt die Frage der Ethik der Fotografie, die für mich die spannendste gewesen wäre, deutlich zu kurz. Hauptsächlich geht es in diesem zweifellos sehr gut recherchierten Buch um den Kriegsfotografen Bruno Daldossi, Südtiroler und in Wien lebend, schwerer Alkoholiker, ein Mann um die 60, der nach Einsätzen in Tschetschenien, im Irak, in Serbien, in Afghanistan und überall, „wo es Tote gab“, von seinem Magazin im Zuge des Personalabbaus in Frührente geschickt wurde. Aber taugt ein Mensch mit seinen „Kriegserfahrungen“, dessen Tote „viele Friedhöfe füllen“, noch zum Leben im Frieden? Gerade jetzt hat ihn seine Lebenspartnerin Marlis verlassen, die 15 Jahre lang immer in Angst auf ihn gewartet hat, die es aber nicht mehr ertragen konnte, dass ein immer größerer Teil von ihm an den Schreckensorten zurückblieb. Daldossi kann sich trotz seiner unzähligen Affären, die er als Form der Selbstrettung betrachtet, ein Leben ohne Marlis nicht vorstellen, denn sie ist seine „Dauerdeckung“ und seine Orientierung. Doch Marlis lehnt seine Friedensmission, zu der er ihr eigens nach Venedig nachreist, ab, eine für mich gut nachvollziehbare Form von Selbstschutz.

Daldossi oder Das Leben des Augenblicks war für mich eine eher mühsame Lektüre, nicht so sehr wegen der sehr herben Sprache, die zum Inhalt passt, auch nicht wegen des unsympathischen Antihelden, sondern eher deshalb, weil ich das Buch als sehr „absichtsvollen“, sehr konstruierten Text und weniger als Literatur empfunden habe. Gut gefallen hat mir dagegen, wie Sabine Gruber Bildbeschreibungen zu Fotografien Daldossis in den Text einstreut und den nicht in Kapitel unterteilten Romanfluss damit immer wieder gekonnt durchbricht. Dass Daldossi sich am Ende dazu aufrafft, hinter der Linse hervorzutreten und erstmals selber in ein Geschehen einzugreifen, war für mich der einzige Hoffnungsschimmer in einem ansonsten niederdrückenden Buch.

Was bleibt für mich nach der Lektüre dieses Romans? Mit Sicherheit werde ich die Bilddokumente aus Krisenregionen zukünftig anders wahrnehmen und auch die Menschen hinter den Objektiven dabei sehen. Sie riskieren mehr als nur ihr Leben, sie laufen Gefahr, ihre Befähigung für ein Leben im Frieden zu verlieren. Uns dies eindrücklich vor Augen zu führen, ist Sabine Gruber zweifellos geglückt.

Sabine Gruber, Daldossi oder das Leben des Augenblicks
C.H. Beck, 2016

Rezensentin: Barbara Busch / https://www.lovelybooks.de/mitglied/Barbara62/