Zugegeben: Ich bin von Leipzig vorbelastet. Dass ich von dem Namen „Ostfrieslandschau“ nicht das gleiche Spektrum erwarten durfte wie von Verbrauchsschauen in der Messestadt, hätte mir klar sein müssen. So war es denn eine Präsentation regionaler Dienstleister und Organisationen mit den üblichen Messeprofis wie Vorwerk, Thermomix, ADAC und Pallhuber Wein. Fein, aber klein. Ich verstehe jetzt, warum die infa in Hannover im Volksmund „Hausfrauenmesse“ heißt.
Projekt deutsch-holländische Ehrenamtsmesse: Aller Anfang ist schwer
Nach dem Erfolg der ersten Leeraner Ehrenamtsmesse im November 2017 mit über 70 Ausstellern reifte in der Stabsstelle Ehrenamt des Landkreises Leer die Idee zu einem Pilotprojekt: Gemeinsam mit der jungen Gemeente Oldambt wurde die erste grenzüberschreitende deutsch-holländische Messe für das Ehrenamt konzipiert. Dass am 23. Juni 2018 übersichtliche 30 Vereine und Initiativen in die Sporthalle Winschoten kamen, ist nur auf den ersten Blick enttäuschend.
Bis zu einer halben Million Sinti und Roma fielen im nationalsozialistisch besetzten Europa dem Holocaust zum Opfer. Die Vorfahren und älteren Angehörigen der Leeraner Sinti-Familien kamen 1945 aus den befreiten Konzentrationslagern in die Stadt Leer. Auch heute noch sind für viele junge Sinti und Roma, von denen mehrere hundert im Landkreis Leer leben, Ausgrenzung und Misstrauen täglicher Alltag. Der 1. Sinti Verein Ostfriesland und das Projekt „PROFIL“ des Synodalverbandes Leer informierten auf der Ehrenamtsmesse darüber. Zwei der drei Betreuer von „PROFIL“ sind Sinti. Doch warum fehlte hier ein Partner aus den Niederlanden? Dass der klassisch ausgebildete Sinto Sascha Slavicà die Messe auf seiner Geige bravourös begleitete, wurde von den meisten Aktiven gar nicht bewusst wahrgenommen. In der Mittagspause saß er allein in der Kantine, während Vertreter anderer Vereine sich angeregt unterhielten.
Die Gespräche unter Aktiven und Besuchern machen Mut und zeigen: Da geht noch mehr. Europa lebt vom Einsatz der Bürger, nicht duch die europäische Bürokratie, und vor allem durch Beharrlichkeit. Also: Willkommen zur 3. Ehrenamtsmesse!
Palliativbewegung: www.vptzoostgroningen.nl
Sociaal Werk Oldambt: www.sociaalwerkoldambt.nl
Stadtführung Winschoten: von Mai bis August jeden Miitwoch ab 14 Uhr am Bahnhof Winschoten
Auf dem Weg von Liesel Aussen (zweisprachiges Video): www.youtube.com/watch?v=QytgyOY0n9g
PROFIL/Sinti Ostfriesland: www.synodalverband.de / www.sinti-ostfriesland.de
Die Fotos vom einem Bummel durch Winschoten und von der Ehrenamtsmesse machten Sandra Gräfenstein und Detlef M. Plaisier
Historisches Altstadtfest Leer 2. Juni 2018: Gaukler und der Datenschutz
Das Historische Altstadtfest in Leer ist etwas Besonderes. Wer hierher kommt, wird zunächst überrascht sein: Es ist eben kein traditioneller Mittelaltermarkt. Zwar finden sich auch bekannte Elemente dort wieder, aber das gesamte Programm ist regional- und kulturgeschichtlich an den Ort gebunden. Also kein Klischee, sondern Vermittlung regionaler Geschichte. Ein toller Ansatz, finde ich. Man spürt die Handelsbeziehungen von Leer in die Metropolen Europas, der Indienhandel lebt auf, und das verbunden mit dem Alltagsleben der Menschen in historischer Kulisse der Altstadt. Die auf Festen inzwischen weit verbreitete Idee der Walkacts wurde ganz besonders umgesetzt durch umherziehende fahrende Händler, Vaganten und Hausierer, eine Marketenderin und eine Wundärztin. Dazu eine Handleserin, Bänkelsänger und ein angepasstes gastronomisches Angebot (zum Teil mit Holzbesteck) – ein gelungener Nachmittag!
Ein Wort in eigener Sache:
Ich habe für diesen Beitrag Menschen und Situationen fotografiert, klassische Veranstaltungsfotografie. Richtete ich mich streng nach der DSVGO, dürfte ich das nicht mehr. Fotografische Darstellungen werden nach dem Willen des Gesetzgebers nur noch als Datei und Daten bewertet. Das ist falsch und ein erheblicher Eingriff in die Berufsfreiheit. Auch Personen, die nicht im öffentlichen Leben stehen, müssen im jeweiligen Kontext der Aufnahme hinsichtlich ihrer Persönlichkeitsrechte weiterhin als Beiwerk bewertet werden können. Veranstaltungsfotografie – so wie heute auf dem Altstadtfest – ist nach dem 25. Mai 2018 so gut wie nicht mehr möglich, da die DSVGO das bisherige Hausrecht der Veranstalter aushebelt. Es gibt keine gesonderten Regelungen, die die Pressefreiheit von nicht in „institutionalisierten Medien“ tätigen Fotografen auch nur annähernd in Betracht ziehen. Der Gesetzgeber in Bund und Ländern ist hier dringend gefordert, das eingeräumte Recht eigener nationaler Regelungen zu nutzen.