Inspiriert durch die Märchen von Hans Christian Andersen, verwebt Cunningham in seinem Roman magische Elemente mit der Lebens- und Gefühlswelt zweier Brüder.
Zum Autor
„The Hours“ wurde für Michael Cunningham, geboren 1952, der Durchbruch. Auf den Pulitzerpreis und PEN/Faulkner Award folgte die umjubelte Verfilmung mit Nicole Kidman in der Hauptrolle. Sein Roman „Fünf Meilen bis Woodstock“ bot ebenfalls Stoff für die Kinoleinwand. Cunningham lebt in New York City und unterrichtet Kreatives Schreiben an der Columbia.
Ein himmlisches Licht scheint auf die Tragik des Alltags
An einem kühlen Novemberabend des Jahres 2004 befindet sich der 38jährige Barrett Meeks auf dem Heimweg durch den Central Park. Seine Gedanken kreisen um seine letzte Beziehung, die vor wenigen Tagen mit einer schlichten SMS beendet wurde. Langsam macht die leidenschaftliche Wut der Verbitterung über sein gescheitertes Liebesleben Platz. Als er in den Himmel blickt, wird dieser plötzlich von einem hellen, fast göttlichen Licht erhellt, das nur er zu sehen scheint. Liegt darin ein Omen für kommende Ereignisse?
Barrett kehrt nach diesem Erlebnis in die abgelebte Wohnung in Bushwick zurück. Mit ihm leben dort sein älterer Bruder Tyler und dessen schwer krebskranke Verlobte Beth. Während Barrett sich nach seinem Studium an einer Eliteuniversität mit einem Job als Verkäufer in der kleinen Szeneboutique begnügt, wo er sich ganz seinen Gedanken zur Welt hingeben kann, müht sich der talentierte, aber gescheiterte Musiker Tyler, den perfekten Song zu schreiben. Als Beth, geschwächt von Krankheit und Medikamenten, schläft, versucht er zwischen Kaffee und den heimlichen Kokaindröhnungen ein Lied aufs Papier zu bringen, um seiner Geliebten ein besonderes Hochzeitsgeschenk zu machen.
Einige Monate später scheint Beth beinahe genesen, was Barrett in seinem Glauben an eine höhere Macht bestärkt. Tyler hingegen kämpft nun mit Schuldgefühlen und dem Ehealltag.
Zwischen der Handlung
Der Roman beleuchtet episodenhaft das (Zusammen-)Leben einer kleinen Personengruppe um die Meeks-Brüder und legt den Fokus nicht auf die großen Ereignisse wie die bevorstehende Hochzeit oder die spätere plötzliche Genesung Beths, sondern konzentriert sich auf deren emotionalen Effekt bei den Protagonisten. Die Erzählung beschränkt sich auf das Vorher und Nachher, die wichtigen Informationen zu den einschneidenden Erlebnissen werden dem Leser nur häppchenweise durch die Überlegungen der Figuren zugespielt. Durch den Wechsel der Erzählperspektiven schafft Cunningham genügend Raum, um die Motivation jeder Figur offenzulegen. Doch dieses Konzept weist in der Ausführung einige Mängel auf, denn die Gedanken der Figuren kreisen meist um die Figur selbst, die eigenen Probleme, das eigene Leid – ohne von der Stelle zu kommen. Ein Bezug zu Andersens Märchen wird nur in kleinen Momenten geschlagen, in denen Cunningham die Geschichte des zersplitterten Zauberspiegels aufgreift; die „echte“ Schneekönigin ist eher Inspiration als Leitmotiv.
Mein Fazit
Die Mischung aus minimaler Handlung und egozentrischen Figuren hat mich nicht überzeugt. Nach einem starken Einstieg flacht das Buch zusehends ab, verliert sich in den Gedankenschaukeleien der Protagonisten, bis der Roman schließlich ohne jegliche Auflösungen endet. Was ist passiert, Mr. Cunningham?
Michael Cunningham, Die Schneekönigin
Luchterhand Literaturverlag, 2015
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Autorin der Rezension: Jasmin Beer