Rezension: Mechtild Borrmann, Der Geiger

Mechtild Borrmann, Jahrgang 1960, verbrachte ihre Kindheit und Jugend am Niederrhein. Bevor sie sich dem Schreiben von Kriminalromanen widmete, war sie u.a. als Tanz- und Theaterpädagogin und Gastronomin tätig. Für „Wer das Schweigen bricht“ erhielt sie einen Bestseller, der mit dem Deutschen Krimi Preis 2012 ausgezeichnet wurde. Mechtild Borrmann lebt als freie Schriftstellerin in Bielefeld. (Diese Angaben stammen mangels einer Autoren-Website von der Autoren-Seite des Droemer Knaur Verlags.)

Stalinzeit – Lager – Geheimdienst

Quelle: www.droemer-knaur.de
Quelle: www.droemer-knaur.de

Eindrucksvoll sind hier die Schilderungen der Lagerhaft des Geigers Ilja Grenko, der wegen einer naiv gestellten Bitte um Begleitung seiner Frau und seiner beiden Kinder zu einer Konzertreise nach Wien in den Fokus der Staatssicherheit gerät und in den Tiefen der berüchtigten Lubjanka verschwindet, um schließlich in einen der zur Stalinzeit zahlreichen Gulags verbracht zu werden. Wer letztendlich dafür verantwortlich ist, dass die Stradivari – ein Geschenk des Zaren – zunächst unauffindbar verschwindet und es mehrere dubiose Todesfälle in der Familie des Geigers gibt, erfährt der Leser erst ganz zum Schluss.

Sippenhaft

Galina, die Frau Iljas und eine bekannte Tänzerin, gerät durch die unterstellte Fluchtabsicht ebenfalls mit ihren Kindern in existenzielle Nöte. Sie wird nach Kasachstan verbannt, wo sie unter unmenschlichen Bedingungen für den überlebensnotwendigen Unterhalt für sich und ihre Kinder arbeiten muss. Sie glaubt der Lüge, ihr Mann habe sich abgesetzt und habe sie und die Kinder im Stich gelassen. Bei all den Grausamkeiten, denen Galina und ihr Mann im Lager bzw. der Verbannung ausgesetzt sind, gibt es doch immer wieder auch Menschen, die diese Bezeichnung verdienen. Das sind die Stellen im Buch, die am meisten berühren. Gerade, weil das unmenschliche System jegliche Menschlichkeit auszurotten imstande und im Begriff ist.

Der Enkel des Geigers

In einem zweiten Erzählstrang wird vom Enkel Ilja Grenkos erzählt, der in Deutschland lebt und nach langen Jahren Kontakt zu seiner Schwester aufnehmen will. Diese wird jedoch vor seinen Augen erschossen und Sascha beschließt, die Hintergründe für all die merkwürdigen Todesfälle zu erforschen. Seine Suche beginnt mit einem Abschiedsbrief, geschrieben an einem der letzten Tage seines Großvaters im Lager in Workuta, und sie führt ihn weit hinein in eine Welt aus Ehrenkodizes, Lügen und Verwicklungen, in der nichts so ist, wie es scheint.

Fazit

Unzweifelhaft ein empfehlenswerter Roman. Für mich waren die Passagen über Galinas und Iljas Leben, die auch den größten Raum im Buch einnehmen, die stärksten. Es fiel mir manchmal schwer, das Umschalten von dieser Vergangenheit zur neuen Erzählzeit in der Gegenwart zu bewältigen. Außerdem verwirrte mich stellenweise das „Personal“ und dessen Beziehungen im Gegenwärtigen. Die Jagd nach der Geige und die der Mafia entstammenden Figuren und deren Handlungsweisen schienen mir oft zu aufgesetzt und übertrieben. Etwas weniger wäre in diesem Fall mehr gewesen und hätte dem Roman in seiner Gesamtheit sicher gut getan.

Mechtild Borrmann, Der Geiger
Droemer HC, 2012
Online bestellen: https://www.buchhandel.de/buch/Der-Geiger-9783426199251

Autorin: Cornelia Lotter
www.autorin-cornelia-lotter.de