Werte Herren,
mein Name ist Joachim Rudolph Plaisier. Ich wurde am fünften October des Jahres 1816 in Stickhausen geboren. Es sei Ihnen nachgesehen, werte Herren, wenn Sie dieses schöne Fleckchen Erde nicht kennen. Stickhausen liegt in Ostfriesland gerade mal drei Meter über dem Meeresspiegel. Der Ausdruck „sticke“ bedeutet so viel wie Stecken oder Pfahl. Das Taufregister verzeichnet meine Geburt „auf Stickhausen“, was davon herrührt, dass mein Geburtshaus im Lüttje Pad hundert Meter östlich der Burg Stickhausen liegt. Mein Vater, der Handarbeiter Johann Oeltjen Plaisier, hatte das Haus 1810 gekauft. „Lüttje Pad“ ist übrigens Plattdeutsch und heißt „Kleiner Pfad“, ein Trampelpfad sozusagen. Und mein französischer Familienname Plaisier hat mit der ungeliebten Besatzung meiner ostfriesischen Heimat durch den Franzosenkaiser Napoleon zu tun. Aber das ist eine andere Geschichte…
Nun ward mir kundgetan, dass sich mein Ur-Ur-Enkel Detlef Martin Hans Plaisier für mehrere Monate auf eine Burg begeben will. Er soll dort als Stadtschreiber auf das Tal hinabblicken und eine Chronik verfassen über die Menschen und Geschehnisse. Ach, wie beneide ich ihn. Er wird es sicher ruhiger haben als ich. Im tollen Jahr 1848 trat ich im April als Gardist in die Bürgerwehr Stickhausen ein. Abends war es meine Aufgabe, die Brücke über die Jümme hochzuziehen, um die wilden Nachbarn aus dem Ort Burlage fernzuhalten. Sonntags zogen wir mit Piken und Gewehren zur Übung in die Felder und ließen uns dann mit feinstem Gänsebraten belohnen.
Als Schmiedegesell auf dem Dorf brauche ich Kraft und ein gutes, waches Auge. Das hat mein Ur-Ur-Enkel wohl von mir mitbekommen. Schließlich streift er seit vielen Jahren durch seine Heimatstadt und schreibt auf, was ihm begegnet, ob es ihn nun ärgert oder freut. Und weil seine Mitmenschen so eitel sind, hält er sie auch noch als Portrait fest, das sie dann aufbewahren und herumzeigen können. Und mit Menschen umgehen kann mein Enkel allemal. Schließlich gibt er mehreren Menschen Lohn und Brot, und das schon viele Jahre. Freunde hat er übrigens nicht viele, aber gute.
Ich kann das alles nicht. Ich kann gut mit Weibsbildern umgehen. Mit meiner treuen Frau Dortje habe ich inzwischen fünf Kinder, und alle sind wohlgeraten. Unser Erstgeborener kam sogar auf die Welt, bevor wir copuliert wurden. Und auch da hat es mir mein Ur-Ur-Enkel wohl gleichgetan, wie mir berichtet wurde…
So empfehle ich Euch, werte Herren, meinen Ur-Ur-Enkel als Stadtschreiber auf der fernen Burg. Mit Wahrheit, Wissen und Witz wird er dem hehren Zweck der Bekanntmachung dienen und Euren Zielen zu Ruhm verhelfen.
Untertänigst bin ich Euer
Joachim Rudolph Plaisier
Schmiedegesell zu Stickhausen