Preis der Leipziger Buchmesse 2016: Das sind die Nominierten

header-3Kategorie Belletristik

Marion Poschmann: „Geliehene Landschaften – Lehrgedichte und Elegien“ (Suhrkamp)
Roland Schimmelpfennig: „An einem klaren, eiskalten Januarmorgen zu Beginn des 21. Jahrhunderts“ (S. Fischer)
Nis-Momme Stockmann: „Der Fuchs“ (Rowohlt)
Heinz Strunk: „Der goldene Handschuh“ (Rowohlt)
Guntram Vesper: „Frohburg“ (Schöffling & Co.)

Kategorie Sachbuch/Essayistik

Werner Busch: „Adolph Menzel. Auf der Suche nach der Wirklichkeit“ (C.H. Beck)
Jürgen Goldstein: „Georg Forster. Zwischen Freiheit und Naturgewalt“ (Matthes & Seitz)
Ulrich Raulff: „Das letzte Jahrhundert der Pferde. Geschichte einer Trennung“ (C.H. Beck)
Christoph Ribbat: „Im Restaurant. Eine Geschichte aus dem Bauch der Moderne“ (Suhrkamp)
Hans Joachim Schellnhuber: „Selbstverbrennung: Die fatale Dreiecksbeziehung zwischen Klima, Mensch und Kohlenstoff“ (C. Bertelsmann)

Kategorie Übersetzung

Kirsten Brandt übersetzte aus dem Katalanischen „Flüchtiger Glanz“ von Joan Sales (Hanser)
Brigitte Döbert übersetzte aus dem Serbischen „Die Tutoren“ von Bora ?osi? (Schöffling & Co.)
Claudia Hamm übersetzte aus dem Französischen „Das Reich Gottes“ von Emmanuel Carrère (Matthes & Seitz Berlin)
Frank Heibert übersetzte aus dem Englischen „Frank“ von Richard Ford (Hanser Berlin)
Ursula Keller übersetzte aus dem Russischen „Eine Straße in Moskau“ von Michail Ossorgin (Die Andere Bibliothek)

Literaturfreunde haben am ersten Messetag die Gelegenheit, die Autoren und Übersetzer zu erleben. Von 11 bis 12 Uhr präsentieren sich die Belletristik-Nominierten im Literaturforum (Halle 4, E401). Direkt im Anschluss stellen sich dort die Autoren der Kategorie Sachbuch/Essayistik vor. Ab 13 Uhr sind die Übersetzer-Nominierten im Forum International im Übersetzerzentrum (Halle 4, Stand E500) zu hören. Präsentiert werden die Autoren von jeweils zwei Juroren.

Preis der Leipziger Buchmesse: Experiment Bloggerpaten ist zunächst gescheitert

header-3Im vergangenen Jahr waren Blogger erstmals aufgerufen, den Preis der Leipziger Buchmesse zu begleiten. Ausgewählte Literatur- und Buchblogger, so die Idee, sollten ein nominiertes Werk vor Preisvergabe rezensieren und die Besprechung auf ihrem Blog veröffentlichen. Alle fünfzehn nominierten Titel in den Kategorien Belletristik, Sachbuch/Essayistik und Übersetzung wurden von einer Jury an kompetente Blogger vergeben, darunter auch an Szenegrößen wie die kleine literarische Sternwarte von AstroLibrium, brasch & buch und  Buzzaldrins Bücher. Anreize für die Paten waren unter anderem persönliche Einladungen zur feierlichen Eröffnung im Gewandhaus und zur Preisverleihung.

In der Bloggerlounge trafen sich 2015 Nominierte, Preisträger und Rezensenten zu einer Gesprächsrunde. Ich war dabei, und nach meinem Eindruck gab es Zufriedenheit auf beiden Seiten. Trotzdem wird der Versuch nicht fortgeführt. Es wird künftig keine Bloggerpaten mehr geben. Ich habe Julia Lücke, Pressesprecherin der Leipziger Buchmesse, nach den Gründen gefragt.

Blick in die Bloggerlounge 2015. Foto: Detlef M. Plaisier
Blick in die Bloggerlounge 2015. Foto: Detlef M. Plaisier

Das Problem liegt in den Sparten Sachbuch/Essayistik und Übersetzung. Julia Lücke: „Das erfordert viel Hintergrundwissen. Wir hatten im Gespräch mit den Bloggern das Gefühl, dass diese Themen schwer zu betreuen sind.“ Eine Auskoppelung der eher unproblematischen Belletristik sollte es nicht geben: „Wir sehen den Preis als Ganzes“, so Julia Lücke.

Ich habe Verständnis für diese Entscheidung. Essayistik und Übersetzung erfordern tatsächlich mehr Hintergrundwissen, als „einfach nur mal ein Buch zu lesen“. Und meine Bloggerkollegen mögen mich jetzt steinigen: Ich bin im vergangenen Jahr überwiegend jungen Bloggerinnen in der Lounge begegnet. Als ich dann deren Blogs nach der Messe aufrief, war ich oftmals erschrocken über die Handhabung der deutschen Sprache und Grammatik und den allzu lockeren Plauderton, der sich Rezension nannte. Das ist eine andere Liga und würde weder dem Anspruch der Autoren noch der Buchmesse gerecht. So kann ich den Verzicht auf Bloggerpaten nachvollziehen mit der Hoffnung, dass ein überarbeitetes Konzept die Idee neu belebt.

Preis der Leipziger Buchmesse 2016: Bewerbungen aus 113 Verlagen mit 401 Titeln

LBM16_Preis_rgb401 Werke aus 113 Verlagen haben sich um den Preis der Leipziger Buchmesse 2016 in den Kategorien Belletristik, Übersetzung und Sachbuch/Essayistik beworben. Die Auszeichnung wird 2016 zum zwölften Mal verliehen. Er ehrt herausragende deutschsprachige Neuerscheinungen und Übersetzungen und ist mit insgesamt 60.000 Euro dotiert. Dabei erhalten die 15 Nominierten je 1.000 Euro, die Gewinner der drei Kategorien je 15.000 Euro. Die Preise werden traditionell am ersten Tag der Buchmesse vergeben, diesmal am 17. März.

In der Jury des Preises der Leipziger Buchmesse 2016 sitzen vier neue Mitglieder. Als Vorsitzende löst die Journalistin und Literaturkritikerin Kristina Maidt-Zinke den bisherigen Vorsitzenden Hubert Winkels turnusgemäß ab. Sie wird drei Jahre amtieren. Darüber hinaus ergänzen mit Maike Albath, Burkhard Müller und Alexander Cammann drei neue Jurymitglieder das Literatur-Septett. Weiterhin urteilen Sandra Kegel, Meike Feßmann und Dirk Knipphals in der Jury.

Persönliche Begegnung: Die Nominierten für den Preis der Leipziger Buchmesse

bild170568_v-standard169_zc-c9ec17faEs ist gute Tradition: An zwei Sonntagen stellt MDR FIGARO im Lesecafé die Nominierten der Leipziger Buchmesse in Gespräch und Lesung vor. Zum ersten Durchgang 2015 waren die Stühle in der Veranstaltungstonne der Moritzbastei voll besetzt. Der Zufall wollte es, dass die drei nominierten Herren Norbert Scheuer, Jan Wagner und Michael Wildenhain den Auftakt bestritten. Sie kamen gemeinsam, mit Rucksack und Rollkoffer, gewandet in Jeans, Rolli und Sportschuhen, wie zu einem Besuch bei guten Freunden. Am Lesetisch dann dreimal Brille, zweimal Wasser, einmal Wein. Dies sind meine Eindrücke:

scheuerNorbert Scheuer kennt die Ungewissheit der Nominierten: 2009 stand sein Roman „Überm Rauschen“ auf der Shortlist des Deutschen Buchpreises. Er relativiert die Entscheidung einer Jury: „Das ist in gewisser Weise auch willkürlich. Ganz wunderbare Werke stehen durch irgendeinen Zufall nicht auf der Liste.“ Wenn Norbert Scheuer recherchiert, ist sein Radius beschränkt: Er bleibt in der Eifel. Immer. Warum? „Hier kenne ich mich aus. Ich muss nicht weit weg. Hier ist alles zu finden.“ So auch in Kall in der Nordeifel, laut Zensus ausgewiesen mit knapp 11.200 Einwohnern. Im einzigen Café des Ortes fiel Norbert Scheuer ein Stammgast auf, ein junger Mann mit zerrissenem Armeeparka, der immer seine Vierzehenschildkröte mitbrachte. Scheuer sprach ihn an, hörte ihm zu. So entstand die Geschichte eines Soldaten, der als Sanitäter nach Afghanistan gegangen war und der Unbarmherzigkeit des Krieges seine Liebe zu Vögeln entgegengesetzt hatte. Praktisch, dass Norbert Scheuer der Vogelwelt selbst verbunden ist. Das Buch ist zudem illustriert mit Aquarellen seines Sohnes. Die Verbindung der Gefängniswelt des Lagers mit dem freien Flug der Vögel habe sich beim Schreiben von selbst gefügt, sagt Schauer. Als Kind von Gastwirtseltern liegen ihm Geschichten im Blut. Er ist sicher: „Lasst uns jeden Tag erzählen. Geschichten werden das einzige sein, was von  uns bleibt.“

Entspannt: Michael Wildenhain (links) und Jan Wagner. Foto Detlef M. Plaisier
Entspannt: Michael Wildenhain (links) und Jan Wagner. Foto Detlef M. Plaisier

Jan Wagner freut sich für die gesamte Gattung Lyrik: „Durch meine Nominierung wird eine lebendige vielstimmige Szene in Deutschland gewürdigt.“ Dylan Thomas und Trakl haben ihn zuerst gereizt. Wenn Jan Wagner schreibt, dann Lyrik und Essays über Lyrik, gelegentlich übersetzt er. „Ich bewundere Allrounder, die Lyrik und Prosa beherrschen.“ Jan Wagner liest seine Gedichte nicht, er moderiert sie, und plötzlich öffnet sich ein Klangteppich, der mir zuvor beim stillen Lesen noch verschlossen geblieben war. Wie spielerisch arrangiert Wagner Sonett und Rondeau. Szenenapplaus. Spielerisch? „Erst ist da ein Geschenk, aber dann kommt harte Arbeit“, stellt er klar. Gedichte sollten über den Tag hinaus lesbar sein, sagt Wagner, und für neue Perseptiven böten sich besonders vermeintliche Nebensächlichkeiten an. Kein Epos über Liebe und Freiheit, sondern ein Teebeutel und eine Zucchini. Um die Zukunft der Poesie ist Jan Wagner nicht bang: „Das Lyrikpublikum ist unendlich. Es weiß es nur noch nicht.“

KC_Wildenhain_U1+R.inddMichael Wildenhain ist der Exot des Trios, der Politische. Unsere Gemeinsamkeiten: Geburtsjahrgang 1958, für die 68er noch zu jung, 1977 im selben Monat Abitur. Wildenhain rutschte in die Kreuzberger Hausbesetzerszene und gilt heute als deren Chronist. Der nominierte Roman, angeordnet auf drei Zeitebenen, ist in der ersten Annäherung eine Liebesgeschichte. Doch die Poesie kann nicht verdecken, was an die Oberfläche kommt: Es geht um die Verknüpfung instrumentalisierter Liebe und Terrorismus in der Zeit des Deutschen Herbstes 1977, um eine Parabel rund um moralische Rechtfertigung von Verbrechen und verschiedene Grade von Schuld. „Alle sind schuldig. Alle müssen damit leben“, sagt Michael Wildenhain und stellt gleichzeitig infrage, inwieweit politisches Schreiben heute noch möglich ist, „wenn der Resonanzraum in der Gesellschaft fehlt.“  Die gesellschaftliche Stimmung wie im Rotbuch Verlag vor 30 Jahren sei unwiederbringlich vorbei.

Die Nominierten und ihre Werke

Norbert Scheuer: Die Sprache der Vögel (Verlag C.H. Beck)
Online bestellen: https://www.buchhandel.de/buch/Die-Sprache-der-Voegel-9783406677458
Jan Wagner: Regentonnenvariationen (Hanser Berlin)
Online bestellen: https://www.buchhandel.de/buch/Regentonnenvariationen-9783446246461
Michael Wildenhain: Das Lächeln der Alligatoren (Klett-Cotta Verlag)
Online bestellen: https://www.buchhandel.de/buch/Das-Laecheln-der-Alligatoren-9783608939736
Michael Wildenhain: Erste Liebe Deutscher Herbst (ROTBUCH Verlag)
Online bestellen: http://www.rotbuch.de/buch/sku/61674/erste-liebe-deutscher-herbst.html

Das Copyright der Cover liegt bei den jeweiligen Verlagen.

Preis der Leipziger Buchmesse 2015: Das sind die Nominierten

Preis_Leipziger_Buchmesse.JPG.1129132Die Finalisten für den Preis der Leipziger Buchmesse stehen fest. Die Jury unter der Leitung von Hubert Winkels hat in den Kategorien Belletristik, Sachbuch/Essayistik und Übersetzung jeweils fünf Autoren bzw. Übersetzer nominiert. Insgesamt hatten sich 115 Verlage mit 405 Werken für den Preis beworben. Der Preis der Leipziger Buchmesse wird am Buchmesse-Donnerstag , 12. März 2015, um 16 Uhr in der Glashalle vergeben. Die Preisverleihung kann im Livestream unter www.preis-der-leipziger-buchmesse.de/stream verfolgt werden.

Erstmals begleiten ausgewählte Literatur- und Buchblogger den Preis der Leipziger Buchmesse und erstellen Rezensionen zu jeweils einem nominierten Werk. Diese werden schließlich ab 7. März auf der Webseite des Preises der Leipziger Buchmesse veröffentlicht und auf Facebook und Twitter geteilt.

Bereits im Vorfeld können Literaturfans in Leipzig die Nominierten erleben. Am 22. Februar und 1. März präsentieren sich jeweils zwei beziehungsweise drei nominierte Belletristik-Autoren im Rahmen des MDR FIGARO Radio-Cafés in der Moritzbastei.

Der mit insgesamt 60.000 Euro dotierte Preis der Leipziger Buchmesse wird seit 2005 vergeben und ehrt herausragende deutschsprachige Neuerscheinungen und Übersetzungen in den Kategorien Belletristik, Sachbuch/Essayistik und Übersetzung. Die siebenköpfige Jury setzt sich aus deutschen Journalisten und Literaturkritikern zusammen.

Wer die Stimmen der Jury anhören möchte – hier entlang: : https://www.youtube.com/playlist?list=PL52981C6AAB6A7809

Und das sind die Nominierten 2015:

Kategorie Belletristik:

  • Ursula Ackrill: „Zeiden, im Januar“ (Verlag Klaus Wagenbach)
  • Teresa Präauer: „Johnny und Jean“ (Wallstein Verlag)
  • Norbert Scheuer: „Die Sprache der Vögel“ (Verlag C.H. Beck)
  • Jan Wagner: „Regentonnenvariationen“ (Hanser Berlin)
  • Michael Wildenhain: „Das Lächeln der Alligatoren“ (Klett-Cotta Verlag)

Kategorie Sachbuch/Essayistik:

  • Philipp Felsch: „Der lange Sommer der Theorie.Geschichte einer Revolte 1960-1990“ (Verlag C.H. Beck)
  • Karl-Heinz Göttert: „Mythos Redemacht. Eine andere Geschichte der Rhetorik“ (S. Fischer Verlag)
  • Reiner Stach: „Kafka. Die frühen Jahre“ (S. Fischer Verlag)
  • Philipp Ther: „Die neue Ordnung auf dem alten Kontinent. Eine Geschichte des neoliberalen Europa“ (Suhrkamp Verlag)
  • Joseph Vogl: „Der Souveränitätseffekt“ (diaphanes)

Kategorie Übersetzung:

  • Klaus Binder übersetzte aus dem Lateinischen: Lukrez, „Über die Natur der Dinge“ (Verlag Galiani Berlin)
  • Elisabeth Edl übersetzte aus dem Französischen: Patrick Modiano, „Gräser der Nacht“ (Carl Hanser Verlag)
  • Moshe Kahn übersetzte aus dem Italienischen: Stefano D´Arrigo, „Horcynus Orca“ (S. Fischer Verlag)
  • Mirjam Pressler übersetzte aus dem Hebräischen: Amos Oz, „Judas“ (Suhrkamp Verlag)
  • Thomas Steinfeld übersetzte aus dem Schwedischen: Selma Lagerlöf, „Nils Holgerssons wunderbare Reise durch Schweden“ (Die Andere Bibliothek)

Nachgezählt: 405 Einreichungen zum Preis der Leipziger Buchmesse 2015

indexBis zum 1. November konnten sich Verlage für den Preis der Leipziger Buchmesse 2015 bewerben. Nun ist ausgezählt: 405 Bücher aus 115 Verlagen wurden für die Kategorien Belletristik, Sachbuch/Essayistik und Übersetzung eingereicht. Im vergangenen Jahr hatten sich 136 Verlage mit 410 Werken beteiligt. Im Februar 2015 werden in jeder Kategorie fünf Werke nominiert. Die Preisverleihung findet am ersten Messetag der Leipziger Buchmesse 2015 (12. März) statt.

Der Journalist und Literaturkritiker Hubert Winkels übernimmt zum dritten und damit turnusgemäß letzten Mal den Vorsitz der Fachjury. Neben ihm bewerten

  • Lothar Müller, Feuilletonredakteur der Süddeutschen Zeitung
  • René Aguigah, Abteilungsleiter Kultur und Gesellschaft beim Deutschlandradio Kultur
  • Daniela Strigl, Literaturwissenschaftlerin an der Universität Wien
  • Dirk Knipphals, Literaturredakteur der taz
  • Sandra Kegel, Redakteurin im Ressort Literatur und Literarisches Leben der Frankfurter Allgemeinen Zeitungen und
  • Meike Feßman, Literaturkritikerin und Essayistin u.a. für die Süddeutsche Zeitung und den Tagesspiegel sowie für das Deutschlandradio Kultur und den Deutschlandfunk.

Der Preis der Leipziger Buchmesse wird 2015 zum elften Mal verliehen. Er ehrt herausragende deutschsprachige Neuerscheinungen und Übersetzungen und ist mit insgesamt 60.000 Euro dotiert. Dabei erhalten die 15 Nominierten je 1.000 Euro, die Gewinner der drei Kategorien je 15.000 Euro. Der Freistaat Sachsen und die Stadt Leipzig unterstützen den hochkarätigen Preis. Partner des Preises ist das Literarische Colloquium Berlin (LCB)

Erster Tag der Leipziger Buchmesse 2012

Auf gehts mit neuen Schuhen und neuer Arbeitstasche in knallorange zum ersten Messetag. Der beginnt mit einem Ärgernis: Presse und Fachbesucher dürfen erst ab 10:00 die Hallen betreten. In den letzten Jahren war 09:30 üblich. Auf telefonische Anfrage erklärt mir die Pressestelle der Leipziger Messe, da es zu „vermehrtem Bücherklau“ gekommen sei, habe man nun einen generellen Einlass auf 10:00 festgelegt. Auf meinen Einwand, dies doch bitte auch an Betroffene zu kommunizieren, zieht man sich auf die Website der Leipziger Buchmesse zurück. Die sei „ein Aushängeschild der Marke Leipziger Messe“ und bitte auch zu beachten.

Mein Messetag beginnt mit einem Rundgang bei Botschaften ausländischer Ausstellernationen. Auch in diesem Jahr ist das US-Generalkonsulat Leipzig wieder mit einem Stand vertreten (Halle 4, E 301). Pressereferentin Melanie Duong zeigt mir Bücher amerikanischer Verlage und Fachbücher, die nach der Buchmesse an mitteldeutsche Bibliotheken geschickt werden. Die Palette geht von Politik über fiction und nonfiction bis zu Kinderbüchern, Jobs und Zuckerberg. Auf dem Stand kann man sich auch zu den Themen Schüleraustausch und Praktika in den USA beraten lassen.  Das Generalkonsulat bietet im Rahmen von „Leipzig liest“ 21 Veranstaltungen an. Schöner Gag: Wer mag, kann sich mit Pappkamerad Obama fotografieren lassen und das Foto dann auf der Facebook-Präsenz des Konsulats sehen.

Wand an Wand informiert die China Book Trading GmbH über das Land der Mitte. Generaldirektor Genrui Zhang erzählt mir, viele Bücher seien auf Deutsch, einige in englischer Sprache. So könne man die chinesische Sprache lernen und sich über chinesische Kultur und Naturheilverfahren informieren. Einige der Bücher sind an den letzten beiden Messetagen auch käuflich zu erwerben. Als  Giveaway freue ich mich, wie schon im letzten Jahr, über einen Tischkalender mit chinesischen Tierkreiszeichen, der 2012 im Zeichen des Drachen steht.

In der nächsten Halle stoße ich auf einen anderen Aspekt Chinas: Charlotte Wagner verkauft als „Bildorchester“ Bildpostkarten mit eigenen Fotografien aus China (Halle 5, B 215). Es sind sehr persönliche Aufnahmen, abseits der Touristenpfade und einfühlsam. Wo die Aufnahmen im Land entstanden seien, wolle sie nicht sagen. Seit 2006 reist Charlotte Wagner regelmäßig nach China. Ihr Bild vom Land der Mitte habe sich seitdem sehr gewandelt, so wie es auch bei ihren Reisen in die USA der Fall war. Als ich mir 12 Karten aussuche, ist die Fotografin irritiert. Ich aber freue mich über eine ganz besondere Bereicherung meiner Postkartensammlung.

Mein  Highlight des Tages (alle anderen mögen mir verzeihen) gibt es schon mittags: In der LVZ-Autorenarena ( Halle 5, A 100) erzählen Egon Bahr und Peter Ensikat über ihr gemeinsames Buchprojekt „Gedächtnislücken“. Beide trennen 20 Jahre, und ja, es sei ruhig gesagt: Egon Bahr wird am letzten Tag der Buchmesse 90. Vor der ersten persönlichen Begegnung wussten beide schon voneinander: Ensikat kannte die Stimme von Egon Bahr aus dem RIAS („neben Onkel Tobias  aus dem Kinderfunk und Friedrich Luft, der Stimme der Kritik“), und Bahr bewunderte den Sprachjongleur Ensikat aus dem Kabarett „Die Distel“. Die halbe Stunde gerät zu einem vergnüglichen und informativen Streifzug durch die deutsche und internationale Geschichte. Bahr erinnert an die historische Rolle von Michail Gorbatschow im Abrüstungsprozess – und das Publikum applaudiert. Und Nixon, so plaudert Bahr, war ein „hervorragender Außenpolitiker, aber ein schlechter Charakter als Mensch“.

Mich hat dieser Auftritt sehr berührt. Ich werde nie die hemmungslosen Tränen von Egon Bahr beim Abschied von Willy Brandt in der SPD-Fraktion vergessen. Und ich denke dankbar an meine erste Begegnung mit Egon Bahr bei einer Diskussion mit Stefan Heym, Klaus Staeck und Gerhard Schröder im August 1989. Damals titelte ich „Auch die DDR wird sich verändern“. Egon Bahrs Vision von damals wurde schon weniger als drei Monate später durch den Mauerfall überholt: Auch 2010, so Bahr damals, würden noch zwei deutsche Staaten nebeneinander existieren.

Der nächste Termin ist ein Reinfall: Ich warte im Leipzig liest-Forum auf Mathias Gatza und seine Lesung aus „Augentäuscher“, erschienen im Graf Verlag. Der kommt nicht, und das Standpersonal in Gestalt einer sehr jungen Dame ist verunsichert und schweigt. Schade, wo doch das Rezensionsexemplar hier schon liegt.

Jetzt aber mal eben zum Mittag in die Buchhändler Lounge: Ein Paar Wiener, Kartoffelsalat und eine Automatenflasche 0,2 Cola für 6,90 Euro. Tipp: Wer nur 30 Minuten Zeit hat, sollte dort mittags nicht essen. Das Personal lächelt, ist aber komplett ungeschult und wäre bei der Slow Food-Bewegung besser aufgehoben.

Weiter geht’s zum Börsenverein des Deutschen Buchhandels (Halle 5, Stand D 500b). Den kann man nicht verfehlen: Hier liegt der rote Teppich. Während der gesamten Buchmesse können dort interessierte Leser ihre Meinung zu der Frage abgeben „Wie gestalten wir die Zukunft des Buches?“. Die Antworten werden auf Puzzleteilen niedergeschrieben. Das gesamte Bild dient dann als Grundlage einer Session auf dem BuchCamp 2012, das am 5. und 6. Mai 2012 auf dem mediencampus frankfurt stattfindet.  Zum KickOff bei Kaffee und Leipziger Lärchen hob Steffen Meier von Ulmer online die Kreativität der BuchCampler hervor,  die Entwicklung des Buchmarktes mit frischen Impulsen voranzutreiben.

Zum Abschluss des Tages in den Messehallen gibt’s zwei Preisverleihungen. Noch zehn Minuten. Fünf. Drei. Zwei. Eins. 30 Sekunden. Der Countdown zum Preis der Leipziger Buchmesse ist ein Ritual. Ausgezeichnet wird je ein Preisträger in den Kategorien Übersetzung, Sachbuch/Essayistik und Belletristik. In diesem Jahr geht der Preis in der populärsten Kategorie Belletristik, für viele Beobachter erwartet, an „Sand“ von Wolfgang Herrndorf (bei Rowohlt Berlin). Die Jury hob hervor, dass der Leser Herrndorf in albtraumhafte Geschehnisse mit unvorstellbarer Leichtigkeit folge. Herrndorf sei ein „großer Erzähler“, der „allerbestens unterhalte“. Der Gewinner konnte aus gesundheitlichen Gründen bei der Preisverleihung nicht persönlich anwesend sein. Der Preis ist in jeder Kategorie mit 15.000 Euro dotiert.

Etwas intimer und in kleinerem Rahmen geht es bei der ersten Verleihung des Literaturpreises SERAPH zu, ausgelobt von der Phantastischen Akademie Mannheim. Beide Preisträger zeigten sich überrascht: Christian von Alster, Sieger in der Kategorie „Bestes Buch“ , sprach wortgewandt von einem „Irrtum“ – und freute sich sichtlich, ebenso wie Nina Maria Marewski, die für „Die Moldau im Schrank“ den mit 2.000 Euro dotierten Förderpreis als bester Debutant erhielt. Das Preisgeld wurde von den Stadtwerken Leipzig gestiftet und symbolisch durch einen großen Scheck von Frauke Riva, Leiterin Unternehmenskommunikation des Leipziger Energieversorgers, übergeben. Eine Rezension des Siegertextes erfolgt demnächst hier.

So, und das Abendprogramm fällt aus. Ich bin platt. Was verpasse ich? Die Lange Leipziger Lesenacht in der Moritzbastei. Und Paul Panzer in der Arena. Wir sehen uns morgen in den Hallen!

(Alle Fotos: Detlef M. Plaisier)

Preis der Leipziger Buchmesse 2012

Die Nominierten stehen fest. Die Preisverleihung findet am Eröffnungstag der Buchmesse, Donnerstag, den 15. März 2012, um 16 Uhr in der Glashalle der Leipziger Messe statt. Klarer Publikumsfavorit beim Online-Voting  in der Kategorie Belletristik ist „Sand“ von Wolfgang Herrndorf (Rowohlt Berlin), der bereits 2011 mit Tschick nominiert war.

Lesen? Ja – aber vorher das Tagebuchblog des Autors, das Herrndorf seit der Diagnose eines Gehirntumors öffentlich macht.