Rezension: Sophia Khan, Das Leuchten meiner Welt

Die Debutautorin Sophia Khan ist die Tochter eines pakistanischen Vaters und einer amerikanischen Mutter. Die 31-Jährige lebte in beiden Ländern, reist viel und wohnt seit einigen Jahren in Islamabad.

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Wie fühlt es sich an, zu erfahren, dass die eigene Mutter ein geheimes Parallelleben geführt hat? Irenies Mutter verschwand vor fünf Jahren. Seitdem lebt die 15jährige mit ihrem Vater allein. Sie übernimmt den Haushalt, die beiden reden wenig miteinander. Auch nicht über das Verschwinden der Mutter. Bis Irenie auf dem Dachboden eine Kiste mit Briefen findet. Für sie eröffnet sich ein großes Geheimnis ihrer Mutter, dem sie von da an nachgeht und deren Spuren sie bis nach Pakistan führen.

Die Autorin gibt sich viel Mühe, die Charaktere sehr genau zu zeichnen. Die Perspektiven zwischen den Protagonisten wechseln sich ständig ab, was herausfordernd und gleichzeitig interessant ist. Auch das Aufzeigen der Verbindungen zwischen dem Nahen Osten und Amerika gelingt der Autorin gut. Als Leserin bekomme ich ein lebhaftes Bild von Irenies amerikanisch-pakistanischer Familie und auch die Schauplätze und Nebenfiguren werden sehr anschaulich und detailliert beschrieben. Das lässt die Geschichte leider an vielen Stellen auch etwas zäh wirken.

Großes Minus sind für mich die jedem Kapitel vorangestellten Briefausschnitte, die an Kitschigkeit kaum zu überbieten sind. Ansonsten ist das Buch zwar gefühlvoll, aber erträglich. Als Leserin habe ich ein vorhersehbares Ende erwartet, wurde aber eines Besseren belehrt.

Fazit: Ein emotionales Buch, das tiefsinniger als eine leichte Strandlektüre ist. Dennoch ist die Geschichte an vielen Stellen zu schnulzig und langatmig erzählt. Ich bin dennoch gespannt, wie sich die nächsten Bücher der jungen Autorin entwickeln, da die amerikanisch-pakistanische Sichtweise sehr viel Potential für interessante Geschichten birgt.

Sophia Khan, Das Leuchten meiner Welt
Diana Verlag, 2016
Autorin der Rezension: Franziska Schmidt

Rezension: Johannes Anyuru, Ein Sturm wehte vom Paradiese her

Angesichts der aktuellen Flüchtlingsströme ist die Thematik in „Ein Sturm wehte vom Paradiese her“ aktueller denn je: Johannes Anyuru erzählt die Geschichte seines Vaters, der über zahlreiche Stationen aus Uganda nach Schweden floh und doch nirgendwo eine Heimat fand.

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Der Inhalt
Ein Mann sitzt im Zug. Er weiß weder, was er dort macht, noch was er erlebt hat. Lediglich der Vollmond, der gerade über dem Horizont steht, ruft einen Schimmer Erinnerungen hervor. Seine eigene Geschichte kennt er aber immer noch nicht.

Der Mann ist der Vater des Autors.  Er wollte Kampfpilot in der ugandischen Luftwaffe werden und durchlief in den ausgehenden 1960er Jahren in Athen eine entsprechende Ausbildung. Doch kurz vor seinem Examen putschte sich Idi Amin 1971 an die Macht in Uganda. Seine Herrschaft sollte sich als eines der blutigsten Regimes in Afrika erweisen. Nun trifft der junge Mann eine Entscheidung mit weitreichenden Folgen: Entgegen den Befehlen kehrt er nicht nach Uganda zurück, sondern flüchtet nach Somalia, wo er schließlich aufgegriffen und auf brutale Weise verhört wird. Schließlich führt ihn seine persönliche Odyssee nach Schweden. Doch Heimatgefühl stellt sich nie ein.

Wenn der Sturm der Geschichte persönliche Schicksale hinwegfegt
Der Autor nutzt mehrere Zeitebenen, um die Geschichte seines Vaters zu erzählen, der selbst ohne Vater aufgewachsen ist. Seine einfühlsamen berühren mich als Leser. Doch Johannes Anyuru erzählt mehr als seine Familiengeschichte, mit der er auch einen Teil seiner persönlichen Vergangenheit aufarbeitet. Er vermittelt mir als Leser ein Gefühl dafür, wie Flüchtlinge den Verlust von Heimat und persönliche Einsamkeit empfinden. Mich beeindruckt, wie sehr es Johannes Anyuru schafft, aus der Distanz zu schreiben, obwohl er einen Teil seiner persönlichen Vergangenheit schildert.

Mein Fazit
Ein fesselnder und berührender Roman über das Schicksal eines Menschen, dessen persönliche Zukunft durch den Lauf der Geschichte brutal verändert wird. Leseempfehlung!

Johannes Anyuru, Ein Sturm wehte vom Paradiese her
Luchterhand Literaturverlag, München 2015
Autor der Rezension: Harry Pfliegl

Rezension: Bill Bryson, Sommer 1927

Wann begann das amerikanische Jahrhundert tatsächlich? In der offiziellen Geschichtsschreibung stellt der Kriegseintritt – vor allem in den Zweiten Weltkrieg – den wichtigsten Wendepunkt dar. In seinem Roman „Sommer 1927“ stellt Bill Bryson hingegen die gewagte These auf, dass sich die wichtigen Ereignisse, die den USA den Weg zur dominierenden Macht (zumindest in der westlichen Welt) ebneten, im Jahr 1927 ereigneten.

Quelle: www.randomhouse.de
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Was geschah im Sommer 1927?
Die Rahmenhandlung für Bill Brysons historische Anekdotensammlung bildet der erfolgreiche Transatlantikflug von Charles Lindbergh. Der Pilot war vom 20. auf den 21. Mai 1927 nonstop von New York nach Paris geflogen und absolvierte anschließend eine Tournee durch die USA, um in der Bevölkerung die Begeisterung für die Luftfahrt zu wecken. Später wurde der Nationalheld jedoch eher zur Persona non grata, als er sich während des Zweiten Weltkriegs dafür aussprach, die USA sollten nicht in den Krieg eintreten, sondern sich mit den neuen Machtverhältnissen in Europa arrangieren.

In diese Rahmenhandlung eingestreut erzählt Bryson anekdotenhafte Ereignisse, die sich 1927 ebenfalls zutrugen und mehr oder weniger als das Erwachen des US-amerikanischen Selbstbewusstseins betrachtet werden dürfen. Die Bandbreite dieser Erzählungen reicht von Babe Ruths Rekordsaison für die New York Yankees über die Einweihung des Mount Rushmore durch Calvin Coolidge, der politisch in erster Linie durch Nichtstun auffiel, bis hin zu den Anfängen des Tonfilms und Fernsehens.

Mensch und Geschichte
Die historischen Fakten – obwohl korrekt und ausführlich recherchiert, wie der umfangreiche Anhang zeigt – spielen für Bill Bryson nur eine untergeordnete Rolle. Er erzählt seine Geschichte(n) anhand der Ereignisse, in welche die Akteure verwickelt sind. Er schildert die Personen und Handlungsstränge augenzwinkernd, oft mit einem ironischen Unterton. Und genau das macht seine Schilderungen des Sommers von 1927 lebendig und den Leser neugierig darauf, sich näher mit den Einzelheiten zu befassen. Zudem erläutert Bill Bryson die Zusammenhänge kurz und prägnant, auch wenn sie in einem zeitlichen Zusammenhang von einem halben Jahrhundert gesehen werden müssen.

Mein Fazit
Bill Bryson beweist mit „Sommer 1927“, dass es einfach nur Spaß machen kann, sich mit historischen Themen und Zusammenhängen zu befassen. Durch seine Herangehensweise wirkt Geschichte lebendig. Bryson macht den Leser neugierig, und das ist gut so…

Bill Bryson, Sommer 1927
Goldmann Verlag, 2014
Online bestellen: https://www.buchhandel.de/buch/Sommer-1927-9783442301232
Autor der Rezension: Harry Pfliegl

Rezension: Anat Talshir, Über uns die Nacht

Im Herbst seines Lebens erinnert sich ein Mann noch einmal an seine große Liebe. Ein klassischer Einstieg für einen romantischen Debütroman, der auf große Momente und tragische Wendungen setzt. Ein Buch versucht mit Liebe zum Detail die Kategorie „ Literatur für Frauen“ zu rehabilitieren.

Zur Autorin
Anat Talshir hat sich mit „Über uns die Nacht“ an ihren ersten Roman gewagt. Als investigative Journalistin lag ihr Schwerpunkt bisher auf faktengestützter Berichterstattung, zum Beispiel über die Verbindung zwischen Militärtraining und Krebserkrankungen von Soldaten, wofür sie 2002 mit dem renommierten Sokolov-Preis ausgezeichnet wurde. Zusätzlich moderierte sie eine TV-Sendung und unterrichtete Kreatives Schreiben. Die Autorin wurde in Jerusalem geboren und lebt heute in Tel Aviv.

Quelle: www.randomhouse.de
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Die zwei Seiten Jerusalems
Jerusalem 1947: Die schöne und stille Lila lernt auf einer Feier der gehobenen Gesellschaft den distinguierten Teehändler Elias Rani kennen. Als sie sich kurze Zeit später durch einen Zufall wieder über den Weg laufen, keimt aus der anfänglichen Neugier eine innige Liebe zueinander, die jedoch verborgen bleiben muss. Denn Elias gehört einer alteingesessenen arabischen Familie an, Lila ist Jüdin. Die beiden versuchen gemeinsam vor dem konfliktaufgeladenen Jerusalem in eine romantische Traumwelt zu fliehen, doch unter dem Donnergroll der Teilung Palästinas wird ihre Liebe immer mehr zur Gefahr. Als der Bau der Mauer im Mamila-Viertel das Paar drei Jahre später endgültig zu trennen scheint – er im Osten der Stadt, sie im Westen –, trotzen beide noch dem Hass und Druck ihrer Umgebung. Sie nutzen jede Gelegenheit, um einander ein liebevolles Wort oder einen Kuss zu schenken. Aber wieviel kann die Liebe zweier Menschen ertragen? Und wie lange wird sie bestehen können?

Der Nahostkonflikt als Kulisse
Ganz unaufdringlich bettet Anat Talshir ihr Liebespaar in die Geschichte Israels und die Entwicklung des Nahostkonfliktes ein, schildert plastisch große wie kleine Geschehnisse, in deren Strudel Elias und Lila sich zu verlieren drohen. In den letzten Tagen vor der Ausrufung des Staates Israel lernt der Leser die beiden Hauptfiguren auf die gleiche Weise kennen, wie sie einander kennenlernen: Beruf, Familie, Interessen, Marotten und kleine Eigenarten. Beide greifen harmonisch ineinander, ergänzen sich. Talshir manövriert ihre Erzählung nahe am Kitsch, greift auf typische Elemente des „Frauenromans“ zurück, die mir ein seufzendes „Ach“ entlocken.

Nach der Teilung Jerusalems begleitet der Leser hauptsächlich Lila, die immer mehr ihrer Aura einbüßt. Ohne ihr männliches Ebenstück wirkt sie blass, kühl und entwickelt sich trotz der Zeitspanne nicht weiter. Sie ist einfach zu perfekt, gönnt sich keine Schwäche, erträgt stoisch Trennung und Ungewissheit. Ihre wenigen Vertrauten, die leicht verschlagene Margo und die liebenswerte Nomi, überschatten mit ihren eigenen Geschichten das Warten auf das Happy End. Was als Adaption der großen Shakespeare-Tragödie angedacht zu sein scheint, verliert auf den letzten Seiten stark an Tempo und Fokus.

Mein Fazit
Warum Anat Talshir eine Liebesgeschichte als Debüt wählen musste, bleibt mir unklar. Viel interessanter als die eigentliche Handlung sind die klaren Momentaufnahmen einer geteilten Gesellschaft. „Über uns die Nacht“ zählt dank seines stabilen Fundaments und der fesselnder Kulisse nicht zu den schlechtesten Liebesromanen, durch die blasse weibliche Hauptfigur allerdings auch nicht zu den besten.

Anat Talshir, Über uns die Nacht
Diana Verlag, 2014
Online bestellen: https://www.buchhandel.de/buch/-ber-uns-die-Nacht-9783453357778
Anat Talshir im Interview: http://www.herzenszeilen.de/anat_talshir/
Autorin der Rezension: Jasmin Beer