Rezension: Anna Galkina, Das kalte Licht der fernen Sterne. Einfach nur widerlich.

www.lovelybooks.de

Fee erzählt vom Inhalt und hat eine klare Meinung

Nastija wächst mit ihrer Mutter und Großmutter nicht weit von Moskau auf. Sie teilen die bittere Armut der meisten Menschen im Ort.

Das Buch besteht aus vielen kleinen Geschichten, die zunächst völlig unzusammenhängend und jede für sich langweilig sind. Erst als Nastija ungefähr 16 Jahre alt ist, nimmt das Buch Fahrt auf. Zunächst unnahbar, erzählt Nastija dann aus der Mitte des Geschehens und nimmt den Leser mit. Etwa zur Hälfte des Buches kam ich mit dem Schreibstil klar.

Der Inhalt  – nein, nichts für mich. Kurz: Sex und Alkohol und alles, was wohl in Nastijas Welt dazugehört: Erste Liebe, Alkoholexzesse, Vergewaltigung, Abtreibung.  Ich finde den Inhalt gruselig-schrecklich-eklig, und ich mag mir gar nicht alles vorstellen, was erzählt wird. Für jemand, der fast keinen Alkohol trinkt, ist das alles schrecklich und mir fehlt jedes Verständnis oder Mitgefühl.

Die Sprache ist derb. Ich mag keinen der geschilderten Charaktere. Sonst überlege ich mir: Wer ist mein Lieblingscharakter? Hier weiß ich, dass ich niemanden mag und einfach nur froh war, als ich am Ende angekommen war. Ja, ich habe durchgehalten. 217 Seiten, erst langweilig, dann nur noch widerlich und eklig.

… und das FeenFazit

Ich bleibe angewidert zurück. Ich stelle das Buch in eine unerreichbare Ecke des Regals. Ich halte mich künftig fern von dieser Autorin.

Anna Galkina, Das kalte Licht der fernen Sterne
Frankfurter Verlagsanstalt, 2016

Eine Kritik von „Lesezeichenfee“ Sylvia F. Wagner

Anmerkung von Detlef M. Plaisier: Gut, dass man Bücher auch komplett anders lesen kann. Ich war fasziniert von Inhalt und Sprache. Mich haben die drastischen Bilder lange nicht verlassen. Ich habe viel bei Freunden über dieses Buch gesprochen. Für mich ist das hohe Kunst.

Hallo, Gabriele Krone-Schmalz: „Der Westen nimmt die Signale Russlands nicht wahr“

Sie könnte problemlos große Hallen füllen wie Mario Barth. Was sie zu sagen hat, ist weit entfernt von Comedy. Gabriele Krone-Schmalz redet über Russland, ihr geliebtes Land, das sie im Herzen trägt. Und ja, ich mag sie. Nicht, weil ich ihrer Sichtweise in allen Facetten zustimme. Was ich schätze, ist ihre wohltuend differenzierte Analyse weitab von Pauschalierungen und Bashing. Nicht alle Zuhörer, die in acht Reihen vor dem Blauen Sofa stehen, sehen das so.

Leipziger Buchmesse 12. März 2015. Foto Detlef M. Plaisier (36)Russland sei mehr als ein geographischer Begriff, sagt Gabriele Krone-Schmalz. Russland müsse man empfinden, und das gelte auch jenseits des Urals. Das Verhältnis Russlands zur Ukraine sei immer speziell gewesen. „Brudervolk“ habe da einen ganz besonderen Klang. Das erfordere dann natürlich auch besonderes Finderspitzengefühl bei politischen Entscheidungen. Den Menschen in der Ukraine wäre viel erspart geblieben, so Krone-Schmalz, hätte der Westen nicht auf eine Entscheidung zur Blockzugehörigkeit gedrängt. So sei eine Vorbildfunktion der Ukraine als Brücke zwischen Ost und West abgewürgt worden.

„Russland verstehen“ heißt der neue Titel von Gabriele Krone-Schmalz. „Ich kann nicht verstehen, warum die Mehrheit der veröffentlichten Meinung eine semantische Umwidmung des Begriffes vornimmt.“ Verstehen bedeute doch nicht automatisch auch Verständnis und damit Zustimmung für ein Handeln, sondern zunächst das Bestreben, den Gegenstand an sich zu erfassen. Nur dann könne man intelligent und angemessen handeln. Genau das sei die Grundaufgabe von Journalisten in einer Demokratie: Wer wählen dürfe, müsse auch wissen, worüber er abstimmt. Die Streitkultur in Deutschland, so beklagt Gabriele Krone-Schmalz, habe während der jüngsten Diskussion um Russland und die Ukraine arg gelitten. „Mit Propaganda kann man in allen Ländern gut umgehen. Ich wünsche mir eine zivilisiertere Diskussion in Deutschland, ohne pauschale Propagandakeule.“

Quelle: www.chbeck.de
Quelle: www.chbeck.de

Krone-Schmalz wirbt in aufgeheizten Zeiten um Verständnis. „Und selbst wenn die Gefahr besteht, dass ich mit meiner Meinung vor einen falschen Karren gespannt werde, so werde ich aus Angst doch nicht schweigen.“ Staatsmann Putin oder Teufel Putin? „Genau dieses Denken will ich nicht. Jeder Politiker ist machtorientiert, überall.“ In der ersten Amtszeit Putins seien viele Signale von Russland aus gesendet worden, die der Westen nicht wahrgenommen habe.“ So haben viele Russen jetzt den Eindruck, der Westen wolle sie einfach nicht. „Feindbilder sind verdammt langlebig“, warnt die Russlandkennerin. „Und alle wollen doch Frieden“.

Ob sie Angela Merkel einen Rat für ihren nächsten Besuch bei Putin geben wolle? Gabriele Krone-Schmalz souverän: „Sie können sicher sein, dass ich das hier nicht sage.“

Ein Besucher vor mir schüttelt mehrfach den Kopf. Ich frage ihn, warum. Es habe nach dem Zusammenbruch der UdSSR sehr wohl viele Versuche gegeben, Russland in den westlichen Einflussbereich einzubinden. Russland habe sich jedoch dagegen gesperrt, weil es die Rolle als gleichberechtigter Partner nicht akzeptieren wollte und dem Land eine Führungsrolle vom Westen abgeschlagen wurde.

Foto Gabriele Krone-Schmalz: Detlef M. Plaisier

Rezension: Merle Hilbk, Die Chaussee der Enthusiasten. Eine Reise durchs russische Deutschland

„Wenn Sie mich Russe nennen, dann bin ich eben ein Russe“, antwortet mir David, der Vater einer Freundin auf die Frage, wie ich ihn politisch korrekt einordnen soll.

Fakt ist, „russisches“ Leben ist ein Teil unserer deutschen Gesellschaft.

In „Die Chaussee der Enthusiasten. Eine Reise durchs russische Deutschland“, erschienen im Aufbau Verlag, berichtet Merle Hilbk über das Spektrum russischsprachigen Lebens in Deutschland. Ausgehend von der Erstaufnahmeeinrichtung Friedland im Landkreis Göttingen begibt sich Hilbk auf eine Reise, die sie quer durch Deutschland führt. Dabei trifft sie Menschen, die alle aus unterschiedlichen Gründen aus der damaligen Sowjetunion nach Deutschland gekommen sind. Sie hört die Hoffnungen der Russlanddeutschen, die auf der Suche nach Heimat sind, trifft russische Intellektuelle mit jüdischen Wurzeln oder feiert auf der angesagten „Datscha Party“ in Hamburg zu russischen Rockbeats. Sie entdeckt eine Welt voller Reichtum in Baden-Baden, wird Zeugin monotoner Plattenbausiedlungen in Berlin-Marzahn und besucht russische Poetry Slams.

In erster Linie erzählt Hilbk Geschichten von Menschen. Gleichzeitig gelingt es ihr, die vielen Facetten des russischen oder besser gesagt russischsprachigen Lebens zu skizzieren, ohne dabei in klischeehafte Erzählungen zu verfallen. Lebhaft wird der Leser Teil ihrer Begegnungen, verfolgt gespannt die Geschichten und Schicksale der einzelnen Protagonisten. Die Autorin karikiert nicht, sie erzählt, mal komisch, mal sachlich und mal traurig. Sie zeigt Mutlose, die sich in eine Blase zurückziehen, aber auch hoffnungsvolle Menschen, die aus fehlender Anerkennung der Mehrheitsgesellschaft kreative Projekte ins Leben rufen und so aktiv zu einem bunten Deutschland beitragen. Hilbk beobachtet. In einer geschmeidigen Art vermittelt sie ganz nebenbei geschichtliche Fakten, die mir so nicht bewusst waren oder die ich schlichtweg nicht wusste.

So wird der Bericht zum vermeintlichen Roman, der sich aus vielen Begegnungen zu einem großen Ganzen zusammensetzt und uns eine Welt näher bringt, die mitten unter uns lebt und atmet.

Merle Hilbk, Die Chaussee der Enthusiasten. Eine Reise durchs russische Deutschland. Aufbau Verlag.

Autor: Ahu Gür
http://style4soul.blogspot.de