Rezension: Siegfried Wittwer, Das Lächeln der Gerberstochter

Siegfried Wittwer wurde 1950 geboren. Er studierte evangelische Theologie und war Pastor in Braunschweig, Hamburg und einigen weiteren großen deutschen Städten. Im Moment leitet er das internationale Bibelstudieninstitut in Darmstadt. „Das Lächeln der Gerberstochter“ ist sein zweiter historischer Roman.

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Quelle: www.buecher.de

Zum Inhalt

Magdeburg im Jahre 1631. Die schöne Gerberstochter Rosa findet eine Leiche in der Elbe. Der Tote ist ein Kaufmann aus Magdeburg, der augenscheinlich ermordet wurde. Der junge Advokat Benno wird mit der Aufklärung des Mordes betraut.

Flammende Liebe und die Suche nach dem Mörder

Benno und Rosa sind sich von Anfang an mehr als sympathisch. Durch einen kleinen Unfall lernt er dann Anneliese kennen. Sie ist die Tochter eines Ratsherren, sehr gebildet und ebenfalls sehr schön. Er muss sich auf kurz oder lang entscheiden, ob er sein Herz der schönen blonden Gerberstochter Rosa schenkt oder der brünetten, sehr belesenen und politisch interessierten Ratsherrentochter Anneliese, die aus der gleichen Gesellschaftsschicht wie er kommt. Benno, Rosa und Anneliese sind fest davon überzeugt, dass hinter dem Tod des Kaufmanns noch viel mehr steckt. Sie forschen mit viel Abenteuerlust nach des Rätsels Lösung, ohne sich anfangs bewusst zu sein, in welche Gefahr sie sich damit begeben.

Der Sturm auf die Stadt

Vor den Toren Magdeburgs tobt unterdessen der Dreißigjährige Krieg. Die kaiserlichen Heerführer Tilly und Pappenheim stehen mit ihren Söldnern kurz davor, die Stadt zu stürmen. Dem ranghohen Offizier Georg Ackermann, der sich mit seinen Leuten Tillys Heer anschließt, wird von Tag zu Tag mehr bewusst, dass es bei diesem Krieg nicht mehr um die Religion, sondern nur noch um die Gier nach Reichtum und Macht geht. Der Leser sieht durch Ackermanns Augen die grausame und blutige Welt der kämpfenden Truppen im Krieg.

Mein Fazit

Ich fand das Buch toll und würde es jedem weiterempfehlen. Die Mischung aus Religionskrieg, einem Mord und der großen wahren Liebe, die wächst und am Ende doch siegt, fesselt von der ersten bis zur letzten Seite. Es ist weit mehr als eine langatmige Niederschrift über die Kriegswirren um Magdeburg. Autor Siegfried Wittwer beschreibt sehr anschaulich, wie die Menschen auf beiden Seiten der Stadtmauer die Zeit des Krieges erleben.

Siegfried Wittwer, Das Lächeln der Gerberstochter
Verlag: SCM Hänssler, 2012
Link zu Amazon: http://amzn.to/VMzYSr

Autorin: Sarah Czerwa

Rezension: Roy Jacobsen, Die Farbe der Reue

„Die Farbe der Reue“ ist ein Roman des norwegischen Autors Roy Jacobsen aus dem Jahr 2011. Gabriele Haefs übersetzte das Buch ins Deutsche, 2012 erschien es im Berliner Osburg Verlag.

Das Buch erzählt die Geschichte des 72 jährigen Hans Larsen, der nach einer langen Haftstrafe vorzeitig aus dem Gefängnis entlassen wird. Er war, ist und bleibt ein Eigenbrötler. Es war es immer am liebsten, wenn er unsichtbar und unerkannt leben konnte.

Die zweite Hauptperson des Buches ist Hans Larsens Tochter Marianne. Sie ist alleinerziehende Mutter der kleinen Greta, arbeitet im Waschsalon, ist ständig knapp bei Kasse und wirkt auch psychisch labil. Jeden Tag stellt sie To Do- Listen für sämtliche zu erledigende Kleinigkeiten des Alltags auf, und jeden Abend wird der Tag kurz in ihrem Tagebuch analysiert und mit Plus- und Minuszeichen versehen. Zu ihrem Vater hat sie seit Jahren keinerlei Kontakt.

Hans arbeitet nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis schwarz bei seinem ehemaligen Chef im Hafen als Tagelöhner. Nach einem Unfall lernt er im Krankenhaus seinen wohlhabenden Bettnachbarn Arthur Almlie und dessen Frau Agnes besser kennen und tritt trotz seines hohen Alters bei ihnen eine Stelle als Gärtner und Hausmeister an. Seine Beziehung zu Agnes Almlie wird bald inniger und intimer. Agnes recherchiert ohne sein Wissen in Hans‘ Vergangenheit. Sie versucht auf eigene Faust mehr über Marianne und die kleine Greta herauszufinden und tut ihnen auch unbemerkt Gutes.

Ich fand es sehr schwierig, mich in das Buch hinein zu finden. Der Autor lässt sehr lange offen, warum das Verhältnis zwischen Vater und Tochter so zerrüttet ist. Es gibt immer wieder Hinweise auf die Kindheit von Marianne, aber was genau zwischen beiden geschah, erfährt der Leser erst gegen Ende des Textes. Vieles scheint mir einfach nur Füllmaterial zu sein ohne Bedeutung für den Fortgang der Handlung. Erst im letzten Drittel des Romans zeigt sich dann wieder eine einigermassen nachvollziehbare Handlung, die allerdings den zähen und langweiligen ersten Teil nicht mehr aufwerten kann.

Ich hätte das Buch am liebsten zur Seite gelegt und es nicht weiter gelesen. Die Geschichte wird lange nicht wirklich spannend und fesselt mich nicht. Der Autor selbst ist einer der meistgelesenen Schriftsteller Norwegens. „Die Farbe der Reue“ ist nicht sein herausragendster Roman. Von mir gibt es keine Empfehlung für dieses Buch.

Roy Jacobsen, Die Farbe der Reue
Osburg Verlag, 1. Auflage 2012

Autorin: Sarah Czerwa

Rezension: Kéthévane Davrichewy, Am Schwarzen Meer

Das Buch erschien 2010 unter dem französischen Titel „La mer noire“ und 2011 in deutscher Sprache im S. Fischer Verlag. Übersetzt wurde es von Claudia Kalscheuer, die unter anderem schon Werke von Jules Verne übersetzt hat. Die Autorin wurde 1965 in Paris geboren und ist selbst georgischer Herkunft. Das Buch erzählt die Geschichte ihrer Großeltern und wurde in Frankreich bereits mit vielen Preisen ausgezeichnet.

Quelle: fischerverlage.de
Quelle: fischerverlage.de

Tamuna feiert ihren 90. Geburtstag mit all ihren Lieben und blickt auf ein langes, ereignisreiches Leben zurück. Geboren in Georgien, wuchs sie gemeinsam mit ihrer Schwester Thea als Tochter eines Politikers auf. Als Tamuna 15 Jahre alt ist, muss die Familie wegen politischer Unruhen und der Stellung des Vaters schnell das Land verlassen, was dem pubertierenden Mädchen natürlich nicht gefällt. Sie will weder die geliebten Großeltern noch ihre Cousins und Cousinen verlassen – und erst recht nicht ihre erste große Liebe Tamas. So gelangen Tamuna und ihre Schwester Thea mit den Eltern in einen Vorort von Paris, an dem sich bereits andere georgische Flüchtlinge niedergelassen haben.

Am Anfang ist Tamuna sehr enttäuscht über das neue Leben. Sie hatte sich Paris anders vorgestellt und fühlt sich auch ihr ganzes Leben lang immer als Georgierin, die nur in Paris lebt, weil sie wegen der Unruhen nicht zurück in ihre Heimat gehen kann. Tamuna wird erwachsen, heiratet mehr aus Vernunft denn aus Liebe einen anderen georgischen Mann und bekommt zwei Kinder mit ihm. An jedem Tag ihres Lebens denkt Tamuna an ihre große Liebe Tamas, schreibt ihm Briefe, die sie nie abschickt, und sie malt sich aus, was wohl mit ihm passiert ist und wie es ihm geht. Die beiden haben über die Jahre hinweg mehrere Begegnungen, aber es ist nie der richtige Moment für das große gemeinsame Glück. Trotzdem liebt Tamuna ihren Tamas ihr ganzes Leben lang, und genau diese Liebe gibt ihr die Kraft, alle Schicksalsschläge zu überwinden und nie aufzugeben.

Kéthévane Davrichewy erzählt die Lebensgeschichte ihrer Großmutter aus verschiedenen Perspektiven, zwischen denen sie wechselt. Das Geschehen rund um den 90. Geburtstag wird aus der neutralen Erzähler-Perspektive erzählt, der Leser von oben auf die Situation herab und beobachtet, was in Tamunas Wohnung passiert. Rückblenden in ihr Leben sind dagegen aus der Ich-Perspektive erzählt. Der ständige Wechsel macht es hin und wieder kompliziert, sich tief in die Geschichte einzufinden, und ich hatte auch meine Probleme mit den vielen Personen mit georgischen Vornamen, die von Zeit zu Zeit dazukommen. Wenn man nicht wirklich dem Buch seine volle Aufmerksamkeit schenkt und es nicht in einem Rutsch liest, ist es schwer, sofort zu verstehen, welche Person in welchem Verhältnis zu der Hauptperson Tamuna steht. Es erschließt sich natürlich nach und nach, aber ich fand es nicht ideal.

Zusammenfassend kann ich das Buch trotzdem empfehlen. Es ist die mitreißende Geschichte eines bewegten Lebens und einer großen Liebe in den Wirren des Krieges. Ich habe viel über die Geschichte Georgiens, über den Zweiten Weltkrieg und über das Leben als Flüchtling erfahren.

Es gibt sie also noch – die große Liebe! Und sie ist stärker als alles andere und währt ein Leben lang.

Autorin: Sarah Czerwa

 

Rezension: Katharina Hacker, Die Erdbeeren von Antons Mutter

„Die Erdbeeren von Antons Mutter“ ist ein Roman von Katharina Hacker aus dem Jahre 2010. Es ist der Nachfolgeroman zu „Alix, Anton und die anderen“, aber eine in sich geschlossene Geschichte, die man durchaus auch lesen und verstehen kann, ohne das Vorgängerbuch gelesen zu haben.

Der Inhalt

Quelle: fischerverlage.de
Quelle: fischerverlage.de

Die Hauptakteure sind Anton, ein allein lebender Arzt, der in der Provinz aufwuchs und nun in Berlin seine Praxis hat, dessen Schwester Caroline und deren Eltern. Weitere wichtige Rollen spielen Lydia, die Anton durch einen Unfall kennen und lieben lernt, deren kleine Tochter Rachel sowie Rachels leiblicher Vater Rüdiger und dessen Weggefährte Martin.

Es geht im Buch um die voranschreitende Demenz von Antons Eltern und die Art, wie er als Sohn damit umgeht. Antons Eltern leben in einem kleinen Ort nahe Wolfsburg. Sie haben dort ein Haus und am anderen Ende des Dorfes einen kleinen Acker, auf dem Antons Mutter seit jeher Erdbeeren anpflanzt. Seit Anton aus dem Haus ist, hat sie jedes Jahr Erdbeermarmelade gekocht, sie in Gläser gefüllt und zu ihm nach Berlin geschickt. In diesem Jahr aber hat sie völlig vergessen, die Erdbeeren überhaupt anzupflanzen. Als Anton das sehr spät bemerkt, pflanzt er einfach heimlich noch Erdbeeren, ohne seine Mutter auf ihr Versehen hinzuweisen, und hofft mit Hilfe eines benachbarten Gärtners, dass doch noch schöne Früchte heranreifen.

Die Autorin erzählt parallel zu der Geschichte über die voranschreitende Demenz der Eltern in Calberlah die Geschichte um Antons Leben in Berlin, wo er als Arzt praktiziert. Eines Tages rennt er aus Versehen eine Radfahrerin um und verliebt sich sofort in sie. Lydia ist auch Ärztin und alleinerziehende Mutter der kleinen Rachel. Der Vater des Mädchens ist Rüdiger, ein ehemaliger sehr egozentrischer Fremdenlegionär, der Lydia und seine Tochter, die er nie sehen durfte, einfach nicht vergessen kann. Ebenso ergeht es Rüdigers Weggefährten aus der Fremdenlegion.  Martin ist auch vernarrt in Lydia und wird im Verlauf der Geschichte zu einem Schatten von Anton und Lydia.

Katharina Hacker stellt gegenüber, wie sich die Liebesgeschichte zwischen Anton und Lydia immer weiter entwickelt und wie gleichzeitig die Demenz von Antons Eltern weiter voran schreitet. Antons Mutter würde nur zu gern die Frau in Antons Leben und das Kind endlich kennen lernen, aber Anton selbst hält das für zu früh. Er ist sich nicht sicher, was das mit Lydia nun genau ist und ob sie überhaupt eine feste Beziehung mit ihm eingehen will. Mit der Zeit merkt auch Antons Mutter selbst, wie vergesslich sie geworden ist. Sie reflektiert ihr Leben, denkt viel an eine nicht erfüllte Liebe und an einige schöne Momente in der Vergangenheit zurück. Der Leser erlebt viele Situationen, in denen das Vergessen gnadenlos über Antons Mutter hereinbricht.

Im weiteren Verlauf der  Geschichte kommt Antons Schwester Caroline aus Amerika zurück, weil sie befürchtet, dass ihre Eltern nicht mehr ohne ihre Hilfe leben können. Im Inneren hofft sie, wieder fliegen zu können, aber die Situation in Calberlah erfordert dringend ihren Heimatbesuch nach vielen Jahren im fernen Amerika.

Es wird sehr gut beschrieben, wie sehr es Anton zu schaffen macht, wie ihm seine eigene Mutter entgleitet und fremd wird.  Er möchte gern für die Eltern da sein, hat aber auf der anderen Seite noch sein eigenes Leben in Berlin mit seiner Praxis, seinem Freundeskreis und natürlich mit Lydia und ihrer Vergangenheit, die so vehement ins Leben der beiden Einzug hält. Insgeheim schmiedet er schon Pläne von einer gemeinsamen Zukunft mit ihr und der kleinen Rachel. Ihm fällt allerdings auch Martin immer mehr auf, der nicht nur Lydia, sondern auch ihn beobachtet und ständig verfolgt. Stress und Sorgen fordern ihren Tribut und Anton bekommt gesundheitliche Probleme. Er wird auch immer wieder mit dem Tod konfrontiert.

Am Ende der Geschichte machen sich fast alle Beteiligten auf den Weg zu dem Erdbeeracker, wo plötzlich sehr viele Schnecken auftauchen, die langsam vor sich her kriechend fast alle Erdbeeren vernichten konnten, noch bevor die Familie den Acker erreichte. Ich finde dieses Bild unheimlich treffend gewählt. Auch die Demenz von Antons Eltern kriecht langsam vor sich hin und zerfrisst am Ende den Menschen, der nach und nach vergisst, sowie all die Menschen in dessen Umfeld, die das miterleben müssen.

Mein Urteil
Mich als Leser macht das Buch sehr betroffen. Ich selbst helfe meiner Großmutter, die von Monat zu Monat mehr vergisst, und kann mich dadurch sehr gut in Antons Lage versetzen.

Zwei Zitate von Martin möchte ich gerne an dieser Stelle wiedergeben, weil sie so treffend und berührend waren:

„Sie schaut dich bloß an, weißt du? Sie schaut dich an und denkt nach. In ihrem Kopf ist alles dunkel.“
„Wenn wir sterben, ist alles weg, klar. Aber sie lebt. Und egal, was ihr passiert in ihrem Leben, sie erinnert sich nicht mehr daran.“

Einige Kleinigkeiten hab ich allerdings auch zu bemängeln:

Die Handlung ist nicht kapitelweise aus Sicht einer Person beschrieben, sondern wechselt teilweise von Absatz zu Absatz wild hin und her. Ich habe oft nochmals ansetzen müssen, um genau zu wissen, um wen es gerade geht.

Einige Dinge sind doch sehr weit hergeholt. So verfolgen in einer Szene Martin und ein vor Wut rasender Rüdiger Lydias Auto mit Anton und dem Kind an Bord auf der Autobahn, und plötzlich findet Rüdiger zufällig eine Waffe unter seinem Sitz, mit der er aus dem Fenster auf einen fremden LKW schießt…

Für meinen Geschmack ist Lydias Rolle zu dramatisch ausgeschmückt. Eine alleinerziehende Ärztin, der ein Alkoholproblem und eine Depression zugeschrieben werden, und ein Kindsvater, der als ausgebrannter Kriegsheld kaltblütig Menschen ermordet hat und nun mit Bad Boy Image seiner Exfreundin und dem Kind nachstellt, sind so nicht nötig für die Kernaussage des Buches und machen es langatmig.

Insgesamt finde ich, dass dieses Buch absolut lesenswert ist und einige tief bewegende Szenen enthält, die zum Nachdenken anregen.

Katharina Hacker, Die Erdbeeren von Antons Mutter
S. Fischer Verlag, 2010

Autorin: Sarah Czerwa