Rezension: Ronja von Rönne, Wir kommen

„Wir kommen“ ist der Debütroman der Bloggerin und Journalistin Ronja von Rönne. Seit 2012 betreibt sie ihren Blog „Sudelheft“, seit 2015 ist sie als Journalistin für „Die Welt“ tätig.

www.aufbau-verlag.de
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Zur Handlung
Als Noras Therapeut in den Urlaub fährt, erhält sie die Aufgabe, diese Zeit in einem Tagebuch zu dokumentieren. So will sie die Gründe für ihre nächtlichen Panikattacken ergründen. Nach der Todesnachricht ihrer Schulfreundin Maja reagiert Nora mit Verleugnung und auch ihre früher so moderne Viererbeziehung steht auf der Kippe. Um deren Ende zu verhindern, fährt Nora mit Leonie, deren schweigsamer Tochter, Karl und Jonas in ein Haus am Meer. Als sie merken, dass diese Flucht allein ihre Viererbeziehung nicht rettet, planen sie ein großes Fest, um sich ihr Glück zu verdeutlichen.

Beurteilung
Das schlichte Cover weckte meine Neugierde: Wer kommt und wohin? Noras Tagebuch beginnt spannend und vielversprechend. Doch leider gelingt es Ronja von Rönne nicht, diese Spannung zu halten. Vor allem fehlten mir unvorhersehbare Wendungen.

Sämtliche Figuren wirken deprimiert und unausstehlich, so dass ich mit niemanden mitfiebern kann. Der Umgang miteinander ist leiblos. Und da wundern sich die Figuren noch, dass ihre Viererbeziehung zum Scheitern verurteilt ist?! Probleme und andere wichtige Dinge werden totgeschwiegen. Selbst wer der Vater von Leonies Tochter ist, interessiert niemanden, denn dann hätte man ja tatsächlich etwas zu besprechen.

Der Schreibstil will hipp und modern wie ein gewaltiger Blogbeitrag herüberkommen. Sicher gibt es Leser für diesen Stil. Ich empfand es mit der Zeit als anstrengend. Von Rönne sagt viel und philosophiert herum, ohne jedoch wirklich etwas auszusagen. Dabei gäbe es Potenzial in der Handlung.

Positiv: von Rönne gelingt es, den heutigen Zeitgeist der hippen Gesellschaft einzufangen. Die Protagonisten feiern eine große Party, um daran erinnert zu werden, wie gut sie es in ihrer Viererbeziehung haben und wie glücklich sie doch sind. Außendarstellung vom Feinsten. Was wirklich wichtig ist, bleibt auf der Strecke. Egal, wie kaputt ihre Beziehung ist, der Schein wird immer gewahrt. Der Schluss ist ebenso vorhersehbar wie hoffnungslos.

Fazit
Ein Roman wie ein extrem langer, depressiver Blogbeitrag, dessen Sinn weitestgehend hinter Geplänkel verborgen bleibt.

Ronja von Rönne, Wir kommen
Aufbau Verlag, 2016
Die Autorin liest: https://www.youtube.com/watch?v=OqnOiq-HwjI
Blog der Autorin: http://sudelheft.blogspot.de/
Autorin der Rezension: Sarina Wood
www.sarina-wood.de

Rezension: Chris Nolde, Eigentlich ist mein Leben gar nicht so übel

Der Autor Chris Nolde hat in Bonn und Berlin u.a. Literatur und Philosophie studiert. In seinem Roman „Eigentlich ist mein Leben gar nicht so übel“ beschreibt er auf humorvolle Weise das Leben eines Schriftstellers in Berlin.

www.keinundaber.ch
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Der Inhalt
Max Baum ist Autor und Lebenskünstler, wohnt in Berlin und tritt seinen Problemen mit Witz und Ironie entgegen. Davon hat er genug. Mit seiner Art zu leben und seinen Panikattacken kann er keine Frau halten. Mit seinem veröffentlichten Roman hat er den Hass seiner Leser provoziert und muss täglich mit Beschimpfungen und Bedrohungen leben. Das Schreiben des nächsten Romans fällt schwer. Er verliert seine Arbeit. Doch dann begegnet er Emma, die seinen Humor nicht versteht und Max den Kopf verdreht. Kann er sich selbst treu bleiben ohne Emma zu vergraulen?

Meine Beurteilung
Der Leser begleitet den Schriftsteller Max ein Jahr lang auf seinem Lebensweg und bei der Entstehung seines neuen Romans. Zu Beginn hatte ich Schwierigkeiten, den Protagonisten sympathisch zu finden. Doch im Laufe des Romans verstand ich ihn immer besser und erkannte sogar einige seiner Eigenschaften in mir wieder.

Chris Nolde versteht es, seine Leser einerseits mit seiner humorvollen Geschichte zu amüsieren, andererseits zum Überdenken des eigenen Lebens anzuregen. Dieser Tiefgang ist zu Beginn der Geschichte noch nicht ersichtlich, nimmt jedoch in dessen Verlauf stetig zu. Auch das Verständnis für Max wächst, der trotz aller Widrigkeiten an seinem Lebenstraum, als Schriftsteller zu leben, festhält.

Die Figuren sind liebevoll gezeichnet, manchmal vielleicht etwas überzeichnet, wie beispielsweise der Verleger, der Bauchkrämpfe bekommt, wenn er die neuen Texte von Max liest. Doch dies ist der Situationskomik geschuldet und daher verzeihbar. Sehr gelungen fand ich die Ausdrucksweise, Metaphern und Beschreibungen, durch die sich der Roman sehr flüssig liest und der Geschichte Leben einhaucht.

Offen bleibt, was Max Baums Erstling so schrecklich macht, dass er nicht nur beschimpft, sondern auch bedroht wird. Ebenso vermisse ich die Entwicklung des Protagonisten, der am Ende noch immer seinen Lebenstraum lebt, ohne sich den Anforderungen seiner Familie und der Gesellschaft zu beugen. Doch gerade dadurch erhält der Roman seine tiefere Bedeutung, durch die man über sein Leben und seine Träume nachdenkt.

Mein Fazit
„Eigentlich ist mein Leben gar nicht so übel“ ist eine humorvolle Geschichte über das Schreiben, die Liebe und das Leben in Berlin. Empfehlenswert für Leser, die Humor und Geschichten über das Schreiben mögen.

Chris Nolde, Eigentlich ist mein Leben gar nicht so übel
Kein & Aber Zürich, 2016
Website des Autors: www.chris-nolde.de
Der Autor liest: https://keinundaber.ch/de/literary-work/eigentlich-ist-mein-leben-gar-nicht-so-ubel/
Online bestellen: https://www.buchhandel.de/buch/Eigentlich-ist-mein-Leben-gar-nicht-so-uebel-9783036957364
Autorin der Rezension: Sarina Wood
www.sarina-wood.de

Rezension: Susanne Beyer und Martin Doerry (Hrsg.), Mich hat Auschwitz nie verlassen – Überlebende des Konzentrationslagers berichten

Die Flüchtlingskrise spaltet unsere Gesellschaft. Gleichzeitig sterben Zeitzeugen aus, die aus der Zeit des Nationalsozialismus erzählen können. Um Erlebnisberichte für künftige Generationen zu erhalten, besuchten Redakteure und Mitarbeiter des SPIEGEL anlässlich des 70. Jahrestags der Befreiung von Auschwitz ehemalige Häftlinge und zeichneten ihre Erinnerungen auf.

www.randomhouse.de
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Das Buch beginnt mit einer kurzen Einführung über Auschwitz und dieses Buchprojekt. Einfühlsam wird mit einem kurzen Text und einem Porträtbild in die jeweilige Geschichte eingeleitet. Anschließend kommen die Zeitzeugen zu Wort, die nach der Methode „Oral History“ ohne Zwischenfragen erzählen. Die Berichte geben Zeugnis über die katastrophalen Zustände, die Misshandlungen und Erniedrigungen in Auschwitz. Der Leser wird nicht geschont: Er erfährt von Diebstahl und Prügeleien der Gefangenen untereinander, vom Gefangenenorchester und von der Arbeit an den Verbrennungsöfen. Auch ihre Erfahrungen mit Lagerarzt Josef Mengele muss der Leser noch einmal beklemmend nah durchleben.

Die Erzählungen sind sehr berührend und gingen mir sehr nahe. Doch ich habe auch Hoffnung gefunden: Es gab im Konzentrationslager auch Zusammenhalt und gegenseitige Hilfe zum Überleben bis zur Befreiung. „Mich hat Auschwitz nie verlassen“ gibt das große Dilemma der ehemaligen gefangenen wieder: Auch wenn sie das Leben bis ins hohe Alter gemeistert haben, eine Familie gründeten und sich liebevoll um Enkel kümmern: Die Bilder der Vernichtung werden immer bleiben,Tag und Nacht.

Ich bedaure, dass die einzelnen Erinnerungen nur über wenige Seiten gehen. Einige Berichte, wie etwa bei dem Musiker Coco Schumann, hätte ich gern ausführlicher gelesen. Positiv hervorheben möchte ich, dass nicht nur jüdische Opfer zu Wort kamen, sondern auch Christen, Sinti/Zigeuner und Widerständler. Die Ausstattung des Buches mit alten und aktuellen Fotos, Kurzbiografien der Zeitzeugen, einem Autorenverzeichnis und Literaturempfehlungen wurde mit Liebe zum Detail zusammengestellt.

Mein Fazit
„Mich hat Auschwitz nie verlassen“ ist ein kostbares Zeugnis einer furchtbaren Zeit, berührend und schockierend. Absolut empfehlenswert.

Susanne Beyer und Martin Doerry (Herausgeber): Mich hat Auschwitz nie verlassen – Überlebende des Konzentrationslagers berichten
DVA, 2015
Online bestellen: https://www.buchhandel.de/buch/-Mich-hat-Auschwitz-nie-verlassen–9783421047144
Autorin der Rezension: Sarina Wood
www.sarina-wood.de