Rezension zu Falk Stirkat: Ich kam, sah und intubierte

Der Beruf des Notarztes zählt nicht zu den Top 10 der Wunschberufe junger Menschen. Der Alltag ist stressig, und im Einsatz können Bruchteile von Sekunden über Leben und Tod entscheiden. Jeder Handgriff muss sitzen, auch wenn der Notarzt im Vorfeld oft nicht weiß, unter welchen Bedingungen er arbeiten muss. Einblicke in den Alltag eines Notarztes gibt Falk Stirkat in seinem Buch „Ich kam, sah und intubierte“.

Quelle: www.schwarzkopf-verlag.net
Quelle: www.schwarzkopf-verlag.net

Zwischen Irrsinn und Wahnsinn
Falk Stirkat, selbst Mediziner und Leiter einer Notfallstation, schildert die Einsätze thematisch geordnet. Dadurch kann er auf medizinische Details verzichten und die Situationen in den Vordergrund stellen. Diese sind oft komisch, oft hektisch und manchmal auch tragisch. Beispielsweise das Schicksal eines jungen Paares, das in seinem Auto verbrennt, weil der Motor plötzlich Feuer fängt. Oder das Drama der jungen Mutter, die zusammen mit ihrem Kind bei einem Verkehrsunfall stirbt, was der zugedröhnte Unfallverursacher sogar noch komisch findet. In allen Fällen verzichtet der Autor auf unnötigen Voyeurismus oder übertriebenes Fachchinesisch, was das Buch auch für den medizinischen Laien sehr gut lesbar macht.

Ein gutes Buch mit Schwächen
Weil Falk Stirkat den erzählerischen Aspekt in den Vordergrund stellt, lässt sich das Buch zügig lesen. Durch den Verzicht auf unnötige Details lässt sich erahnen, welche Einsätze auch das Rettungsteam emotional berührten. Schwächen offenbaren sich jedoch in einzelnen Details, die über weite Strecken nicht stören. So wirkt der handelnde Notarzt gelegentlich etwas arrogant, was unter dem psychischen Druck eines Notfalleinsatzes aber durchaus verzeihlich ist und bis zu einem gewissen Grad auch erwartet wird. Lediglich das letzte Kapitel, in dem Stirkat die Erfahrungen als Reisearzt schildert, der Patienten zurück nach Deutschland begleitet, wirkt im Vergleich zu den vorhergehenden Kapiteln etwas lieblos.

Was mich ernsthaft stört, ist der mehrfache Hinweis auf die Gefahren des Rauchens, verbunden mit einem Appell an den Leser, das Rauchen aufzugeben. Die Art der Darstellung lässt vermuten, dass der Autor – wenngleich er vielleicht ein hervorragender Notfallmediziner sein mag – wenig bis keine Erfahrung mit Suchterkrankungen hat. Die Schilderung eines Einsatzes mit Lungenmaschine, verbunden mit dem Hinweis, dass dies das offensichtliche Schicksal eines jeden Rauchers ist, wird Nikotinsüchtige ebenso wenig vom Rauchen abhalten können wie die plakativen Warnhinweise auf Zigarettenschachteln.

Mein Fazit
Insgesamt ist „Ich kam, sah und intubierte“ ein empfehlenswertes und spannend geschriebenes Buch. Der Unterhaltungswert ist allerdings eher zwiespältig zu betrachten. Schließlich geht es um menschliche Tragödien, die nur allzu oft tödlich enden.

Falk Stirkat: Ich kam, sah und intubierte
Schwarzkopf & Schwarzkopf 2015
Verlagsvideo zum Buch: https://vimeo.com/130856690
Online bestellen: https://www.buchhandel.de/buch/Ich-kam-sah-und-intubierte-9783862654963
Autor der Rezension: Harry Pfliegl

Rezension: Hannah Winkler, Fe-Male. Oder: Geschlecht spielt eine Rolle

Was passiert, wenn der eigene Körper nur eine Maske und ein Käfig zu sein scheint? Wie weit geht man, um der Gesellschaft zu beweisen, was sich hinter der Fassade befindet? Wer hat die Kraft und den Mut, um sich damit auseinanderzusetzen, wenn der Selbstzweifel wie ein Teufel auf jedermanns Arm sitzt?

Hannah Winkler, Fe-Male Cover
Quelle: Schwarzkopf & Schwarzkopf Verlag

Hannah Winkler, eine hübsche transsexuelle Frau, beschreibt in „Fe-Male“ eindringlich ihren Weg der Verwandlung. Sie spricht davon, wie sehr sie das unnötige Teil zwischen ihren Beinen gehasst hat, weil es nie wirklich zu ihr gehörte. Seit dem sechsten Lebensjahr wusste sie schon ganz genau, dass sie sich nicht im richtigen Körper befindet. Die gesamte Umgebung zwingt sie, Familie und Schulkameraden dies zu beweisen, weil niemand der vermeintlich abnormalen Erscheinung ein Recht auf unabhängige Existenz in der Gesellschaft gibt. Selbst der Vater, der sie seit dem sechsten Lebensjahr allein erzieht, kommt mit ihrer tatsächlichen Identität nicht zurecht. Die verständnisvolle und kluge Mutter lebt in Hannas Erinnerung dagegen als Schutzheilige und beste Freundin.

Kurz bevor Hannah in die Pubertät eintritt, im Alter von 13 Jahren, gerät sie nach dem Tod ihrer Mutter in eine tiefe Depression, die das Gefühl des Selbstzweifels stärkt. Dennoch entscheidet sich das Mädchen, den schwierigen Weg zu gehen. Für Hannes, den Vater des transsexuellen jungen Mädchens, ist die Situation unvorstellbar schwer. Er kann die besondere Sexualität seiner Tochter nicht begreifen. Schnell überlässt er die Sorge für Hannah den Ämtern. Das deutsche Jugendamt schickt das Mädchen nach Perugia in Italien zu einer Pflegefamilie. Es kommt zum ersten selbstdestruktiven Impuls bei dem noch sehr jungen und emotionalen Mädchen. Der hilflose Versuch, “die verhaltensauffällige Jugendliche zurück ins normale Leben zu führen”, endet mit einer Flucht in die grünen Wiesen eines dem Mädchen unbekannten Landes. Getrieben von Angst geht Hannah weiter ihren Weg. Sie begegnet Menschen, die sie zum weiteren Kampf ermutigen, und anderen, die ihre langsam sich ausbreitenden Flügel wieder abschneiden.

Hannah bleibt Siegerin. Schließlich beteiligt sich der Staat an den Kosten ihrer Geschlechtsumwandlung. In der Tagesklinik, in der Schule und bei der Therapie begegnen ihr Menschen, die ihr Schicksal teilen und verstehen. Von nun an wird Angst nicht mehr ihre Motivation sein. Treibende Kraft ist jetzt die Vorfreude und die Zustimmung ihrer guten Freundinnen, die den Ekel der Gleichaltrigen und die schmerzhafte Abneigung der jungen Männer lindert. Hannah hat den Mut zu träumen und ihre Träume zu verfolgen. Nun im richtigen, ihr bestimmten Körper leben zu können und nicht mehr gefangen zu sein, gibt ihr nie gekannte Selbstsicherheit. Geschlecht spielt eine Rolle.

Hannah Winkler zeichnet in ihrem Buch ihre eigene Traumwelt nach – eine Traumwelt, die schließlich Wirklichkeit wurde und sie zu ihrem neuen, glücklichen Leben führte. Das Buch ist mit einem persönlichen Bildteil ausgestattet, der den Eindruck des Textes noch verstärkt. „Fe-Male“ ist ein außergewöhnliches autobiographisches Werk, das unterhaltsam zu lesen ist und allen Mut machen kann, die ihre wirkliche verborgene Identität suchen.

Hannah Winkler, Fe-Male – Hinein in den richtigen Körper
Schwarzkopf & Schwarzkopf Verlag, 1. Auflage 2014
Link zu Amazon: http://amzn.to/1zr87Hs
www.hannah-winkler.de

Autorin: Jolanta Drywa