Jom Kippur 2018 in Aurich: Verlegung von Stolpersteinen und Buchpremiere

Es ist gut, dass Websites und Blogs nicht dem Zwang zur schnellen Berichterstattung unterliegen wie Tageszeitungen. So bleibt, wenn nötig, Zeit zur Besinnung und zum Nachwirken. So wie bei diesem Beitrag.

Die ostfriesische Kleinstadt Aurich ist bundesweit Vorbild bei der Aufarbeitung der jüdischen Vergangenheit vor der eigenen Haustür.  An Jom Kippur fand dort die 13. Verlegung von Stolpersteinen im Stadtgebiet statt. Beachtlich: Jetzt gibt es 339 kleine Denkmäler für vertriebene, verschleppte, deportierte und ermordete Juden im Pflaster. Eine Arbeitsgruppe arbeitet unermüdlich daran, den Entrechteten Namen und Gesicht zurückzugeben. Wie absurd erscheint da doch das „Argument“, Stolpersteine seien zum Gedenken nicht geeignet, weil man die Opfer so mit Füßen trete. Aber das ist eine andere Geschichte…

Geputzt habe ich sie schon mehrmals, doch ich war zum ersten Mal bei einer Verlegung von Stolpersteinen dabei.  Ich kenne keines der Opfer, keine der Opferfamilien. Ich habe keine Juden in meinem Freundeskreis, die ihren Glauben leben und mir davon erzählen. Und doch war ich so betroffen, als stürben dort Mitglieder meiner Familie. Es ist gut, wenn man unter Gleichfühlenden Tränen nicht verbergen muss. Ich lernte in einem kurzen Gespräch Levy (genannt Tito) Wolff kennen, der 1938 als Dreijähriger Aurich noch verlassen konnte und jetzt in Argentinien lebt. Für acht Mitglieder seiner Familie und für ihn selbst wurden an Jom Kippur Stolpersteine vor dem ehemaligen Wohnhaus in der Auricher Wallstraße gelegt. Ich werde ihm nach Buenos Aires schreiben.

Nach einem langen Tag war ich bestärkt: Niemand soll vergessen werden aus der schwärzesten Zeit Deutschlands. Die Arbeit des Erinnerns und Mahnens darf nie nachlassen. In diesem Sinne hat der Eckhaus Verlag Weimar ein Buch mit Stolperstein Geschichten aus Aurich aufgelegt. Der Band versammelt ausgewählte Biografien Auricher Opfer des Nationalsozialismus, die jetzt mit einem Stolperstein geehrt wurden. Die Bücher werden durch das Engagement großzügiger Sponsoren kostenlos an Auricher Schulen verteilt und sind außerdem für alle Leser frei im Handel erhältlich. Der Verlag arbeitet dabei ehrenamtlich ohne Gewinn.

Alle Fotos:  © Detlef M. Plaisier

„Dürre Daten mit Leben erfüllen“ / Ems-Zeitung, 31. Januar 2017

Heute veröffentlicht die Ems-Zeitung ein Interview mit mir zu „Bubis Kinnertied“. Leider darf ich den Artikel nicht abbilden. „Die Leute sollen auf unsere Seite geleitet werden“, so die Aussage der Redaktion. Daher hier der Link mit einem kleinen Ausschnitt::  http://www.noz.de/…/buchautor-aus-surwold-will-duerre-daten…

Surwold. Zehn Jahre lang hat der Journalist Detlef Plaisier in Leipzig gelebt, bevor er 2016 nach Surwold zog. In wenigen Wochen erscheint sein Buch „Bubis Kinnertied“. Darin setzt sich Plaisier mit seiner Familiengeschichte und den Ereignissen in Ostfriesland und dem nördlichen Emsland in Kriegs- und Nachkriegszeit auseinander.

In „Bubis Kinnertied“ geht es um Ihre Familiengeschichte. Wie kam es zu Ihrer Entscheidung, darüber ein Buch zu schreiben?

Der Entschluss ist gereift. Als ich nach dem Tod meines Vaters die Biografie fand, war an eine Veröffentlichung gar nicht zu denken. Ich habe mehrere Jahre den Text nicht angefasst, aus Angst, was mich dort erwarten könnte.

Wie groß ist der Anteil Ihres Vaters, und was haben Sie dazu recherchiert?

Ich habe den Text meines Vaters behutsam sprachlich bearbeitet, aber inhaltlich nichts weggelassen.

Welche Reaktionen haben ihre Recherchen ausgelöst?

Ich erinnere mich an Urlaube während meiner Kindheit in Westrhauderfehn und in Aschendorf beim Bruder meines Vaters, dessen Kriegstagebuch auch Bestandteil des Buches ist. Ich bin zutiefst dankbar für die große Hilfe, die mir zuteilwurde. Ohne die Personen- und Ortskenntnis vieler Fehntjer gäbe es dieses Buch nicht, oder es wäre in weiten Teilen falsch und unvollständig. Zu dem Text meines Vaters gibt es jetzt über 120 Fußnoten, Erläuterungen zu Personen und geschichtlichen Ereignissen und viele Fotos.